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Furtwängler, Adolf
Kleine Schriften (Band 2) — München, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.836#0129

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MYKENISCHE VASE IN MARSEILLE

(ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1893)

ls ich im Herbst 1886 das Museum in Marseille besuchte, bemerkte ich
unter Gegenständen, die im Orient, namentlich Ägypten, gesammelt
waren, eine mykenische Vase von ganz ungewöhnlicher, ja einziger
Schönheit [Fröhner, Musee de Marseille 1284; Reisinger, Kretische Vasenmalerei
S. 42]. Ich ließ dieselbe bald darauf mit der gütigen Erlaubnis der Museums-
direktion photographieren; hiernach sind die nebenstehenden Abbildungen ge-
macht, die ursprünglich den Teil eines größeren Nachtrags zu den von Löschcke
und mir herausgegebenen „mykenischen Vasen" bilden sollten. Die Gesamtansicht
10 des Gefäßes mag etwa in */* der wirklichen Größe gegeben sein — genaue An-
gaben über die Größe fehlen uns leider [Höhe 0,25] —, die Ansicht der Mündung
von oben wäre dann in der halben Größe. Auf Wunsch der Redaktion dieser
Zeitschrift begleite ich dieselben, die nicht länger der Kenntnis der Fachgenossen
entzogen werden sollen, mit wenigen Worten.

Die Vase (Nr. 113 [1043] im Museum zu Marseille) stammt wahrscheinlich aus
Ägypten; der genaue Fundort ist unbekannt. Sie zeigt die Technik des „dritten
Stils" der mykenischen Firnißmalerei und zwar der älteren Gruppe desselben (vgl.
Myken. Vasen, Einl. S. VIII), d. h. derjenigen, welche schon in den Schliemann-
schen Schachtgräbern vertreten ist. Der Ton ist blaßgelblich, fein geglättet, die
Firnißfarbe dunkelbraun. Die Form des Gefäßes ist überaus elegant. Es ist mir
kein zweites ganz übereinstimmendes bekannt. Besonders eigentümlich ist, wie
die in größerem Maßstab über die Ansicht der Vase gestellte Oberansicht zeigt,
die innere Dreiteilung der Mündung, deren äußerer Rand doch einfach rund ist.
Die Schlankheit, die in der starken Einziehung nach dem nur als dünner Wulst
gebildeten Fuße besteht, ist dagegen auch sonst unter den mykenischen Vasen
der Firnißmalerei beliebt; vgl. Formen Nr. 25. 27. 48. 55. 59 und die Becher
81 ff. auf Taf. 44 der Mykenischen Vasen. Der schlanke Hals findet in Form
55 und 59 ebenda seine Parallelen. Der außerordentlich elegant geschwungene
Henkel findet sich auf unserer Formentafel nicht. Er ist hier offenbar nach Vor-
bildern von Metall gestaltet (vgl. die Gold- und Silbervasen der Schachtgräber
von Mykenä, Schliemann Fig. 341. 353); die drei Knöpfe am Ansätze des Henkels
bestätigen dies. Auch die Dreiteilung der Mündung, die schon an den späteren
kleeblattförmigen Typus an Metallkannen erinnert, wird gewiß von metallischen
Vorbildern entlehnt sein.

Die Abbildungen geben die reiche Verzierung der Vase so deutlich, daß sie
keiner Beschreibung bedürfen. Die größte Ähnlichkeit bietet die Bemalung einer
aus Ägypten stammenden, jetzt in New York befindlichen Vase der gleichen
 
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