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Furtwängler, Adolf
Kleine Schriften (Band 2) — München, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.836#0446

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Neue Denkmäler antiker Kunst I. 437

der langbekleideten Aphrodite strengen Stiles, die besonders in Korinth gearbeitet
zu sein scheinen.1 Kaum bekannt dagegen ist die Verwendung der nackten
Jünglingsfigur zu gleichem Zwecke.

Vereinzelt steht bis jetzt eine nackte Jünglingsstatuette des freien Stiles, die
aus dem Peloponnes stammt und die als Spiegelstütze verwendet war; sie ist
wahrscheinlich korinthische Arbeit; ich habe sie in Sammlung Somze"e Taf. 32
Nr. 84 veröffentlicht [jetzt im Museum zu Brüssel]. Analoge Statuetten strengen 124
Stiles sind in Griechenland ganz selten,2 kommen aber öfter vor in Italien.

Drei hervorragende Stücke dieser Art, aus Italien stammend und wohl hier,
aber zweifellos in den griechischen Kolonien gearbeitet, sollen hier vorgeführt
werden.

Die erste (Taf. III, IV [Taf. 45]) ward in Süditalien und zwar an der östlichen
Küste von Calabrien gefunden und befindet sich jetzt im Museum of Fine Arts
zu Boston,3 dem ich für die Erlaubnis zur Publikation zu danken habe. Die
Statuette ist 19 cm hoch. Nur der linke Fuß und die rechte Hand fehlen leider,
auch ist die Oberfläche mit Oxydation bedeckt, sonst ist die Erhaltung vortreff-
lich; wo die Oxydation abgerieben ist, zeigt das Metall schöne, goldige Farbe.
Auf dem Oberkopfe erscheint eine schmale, rechteckige (4 mm breite, 13 mm
lange) Bruchfläche, die genau in der Querachse des Schädels liegt. Die scheinbar
nächstliegende Annahme, daß hier ein Attribut abgebrochen sei, das die Rechte
gehalten habe, also etwa eine Strigilis oder dergleichen, wird durch genauere Be-
trachtung widerlegt. Die Bruchfläche würde dann etwas unregelmäßiger und
nach der Seite der rechten Hand zu gebogen erscheinen. Ihre Stellung und Form
ist vielmehr nur vereinbar mit der Annahme, daß die Figur als Stütze diente
und hier das Gerät aufsaß; es wird nach der Gestalt der Bruchfläche ein wie
bei der Statuette auf Taf. V [Taf. 46] gestalteter Ansatz eines kreisrunden Spiegels
gewesen sein. Die rechte Hand kann nicht bis zum Kopfe selbst gereicht haben;
ob sie ein Attribut hielt, wissen wir nicht; notwendig ist die Annahme keines-
wegs, ja es ist mir viel wahrscheinlicher, daß die Hand leer war: die Hand war
nach der auf dem Kopfe getragenen Last gehoben, bereit sie zu stützen, sobald
sie ins Schwanken geraten sollte. Vermutlich war die Hand sogar an den voluten- 125
förmig ausladenden Ansatz des Spiegels gelegt und ist eben mit diesem Ansätze
zusammen abgebrochen. Durch die Schwere des Spiegels wird der Bruch eben
an dieser Stelle vollständig erklärt.

1 Vgl. Sammlung Sabouroff zu Taf. 147, S. 2. Olympia Bd. IV, die Bronzen S.27.
Portier bei Dumont-Chaplain, Ceramiques II S. 249 ff. E. Michon in Monuments Grecs II,
1891/92, S. 33 ff. de Ridder, Bronzes de la soc. arch. S. 36 ff. Eqnjp- *ex- 1895, S. 169 ff.

2 Ein Beispiel aus Griechenland in Berlin, von mir im Archäol. Anzeiger 1889, S.93,
Nr. 2 erwähnt. Auf dem Kopfe des Jünglings, der den strengen Stil der Epoche um 470
zeigt, ein zylindrischer Stab, der ein unbekanntes Gerät trug.

3 Annual Report for 1896, S. 28, Nr. 6 (E. Robinson). [Handbook of the Museum
1911 S. 83. Bulle, Der schöne Mensch2 Taf. 39 S. 85.]
 
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