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Furtwängler, Adolf
Kleine Schriften (Band 2) — München, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.836#0462

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NEUE DENKMÄLER ANTIKER KUNST II

(SITZUNGSBERICHTE DER PHILOS.-PHILOL. KLASSE DER KGL. BAYER.
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 1899, II)

ndem ich fortfahre1 aus der Menge neu auftauchender kleinerer Denk- 559
mäler, und zwar insbesondere derjenigen privaten Besitzes, die sich
leicht der Beachtung entziehen, solche auszuwählen, die eine kunst-
geschichtliche Bedeutung haben, beginne ich mit einem der so seltenen plasti-
schen Rundwerke der mykenischen Epoche.

1. MYKENISCHE BRONZESTATUETTE AUS KLEINASIEN

Es ist ein sehr unscheinbares und doch sehr merkwürdiges Stück, das wir
umstehend Fig. 1 in Zeichnung in drei Ansichten mitteilen. Es ward zuverlässiger
Nachricht zufolge in der Gegend von Smyrna gefunden und war dort in einer
Privatsammlung [jetzt in Frankfurt a. M.]. Es ist das Bruchstück einer massiv
gegossenen Statuette; die erhaltene Höhe beträgt 6]/2 cm, die ursprüngliche voll-
ständige Höhe wird etwa 14 cm" betragen haben. Die Formen des Originales
sind stumpf und abgerieben und überdies durch starke Oxydation entstellt. Der
Körper ist gleich unter dem Gürtel gebrochen; ferner sind abgebrochen und
fehlen der linke Unterarm und der rechte bis auf die Hand und den Oberarmansatz.

Dargestellt ist eine Frau, welche die Rechte zum Kopfe erhebt; sie scheint 560
mit der Außenfläche der geballten rechten Hand sich an die Stirne zu schlagen;
der linke Arm ist gesenkt. Im Haare liegt ein strickförmig gewundener, runder
Reif. Besonders merkwürdig ist aber das Haar. Es fließt an den Seiten lang
in losen Windungen herab über die Brust bis auf den Gürtel; ebenso fällt es
hinten in vollen Wellen über den Nacken in den Rücken bis an den Gürtel hinab.
Auf dem Oberkopfe aber bildet es eine eigentümliche, breite, starke Schlinge.

Auf der Brust scheint etwas wie ein Halsband angedeutet; am linken Ober-
arm sieht man einen Ring; um die enge Taille liegt der Gürtel, der wahrschein-
lich einen nach unten sich ausweitenden und staffeiförmig gezierten Rock fest-
hielt, wie er von so zahlreichen, Frauen darstellenden mykenischen Denkmälern
bekannt ist. Halsband und Armringe, meist am linken Oberarm, kommen auch
sonst bei diesen mykenischen Frauen vor (Halsbänder z. B. bei den Frauen des

1 Vgl. Sitzungsberichte 1897, II, S. 109—145 [oben S. 427 ff.].
 
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