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Die Gartenkunst — 8.1906

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Einiges vom Walde und der Waldschönheitspflege: Vortrag im Gartenbauverein Darmstadt gehalten am 8. Dezember 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0017

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VIII, 1

DIE GARTENKUNST

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Die aufsaugende Kraft des Waldbodens fehlt. Von den
kahlen Bergen und Hängen stürzen die Wassermassen
alles mit sich reifsend in die Täler, dort fruchtbare Gefilde
mit Geröll überlagernd, und auf groi'se Überschwemmungen
folgt die Dürre.

Wie schwer hat sich die Waldzerstörung in Palästina,
in Spanien und anderen einst hochkultivierten Ländern
gerächt. Ziegen und Schafe mit ihren Hirten sind die
schlimmsten Feinde des Waldes. Die schier unerschöpf-
lichen Waldungen Amerikas schwinden mehr und mehr,
so dals es dort ernsten Politikern um das Wohl und Wehe
Amerikas bang wird. Was fragt der Holzhändler dort
nach der Wohlfahrt seiner Mitmenschen, wenn e r nur
rasch reich wird. Tausende von Hektaren Wald werden
alljährlich allein durch Brände zerstört.

Auch wir hatten eine Zeit, da dem Waldbestande arg
zugesetzt wurde. Heute ist man in Deutschland, das
immer noch 26°/0 Wald — gegen 4fi/0 in Grofsbritannien
— besitzt, überall tätig, nicht nur an der Erhaltung,
sondern auch an der Mehrung des Waldes. Hessen mit
seinen 31 bis 32°/0 Wald ist in glücklicher Lage. Unser
Flugsandgebiet im Rheintal ist aufgeforstet, der Odenwald
ist gut bestockt, nur der Vogelsberg enthält noch rund
5U00 ha nahezu ertraglose Hutweiden, die der Aufforstung
harren. Aber auch diese Aufgabe wird gelöst werden,
wenn der sogenannte Generalkulturplan für den oberen
Vogelsberg von den Landständen, was wir alle hoffen
wollen, genehmigt werden wird.

Es ist für uns Porstleu te eine der erwünschtesten
Aufgaben, Wald zu begründen. Der oft gehörte Vorwurf,
dals wir nur Wald herunterhauen möchten, kann nur von
Unverständigen erhoben werden. Wie der Ästhetiker
Krause in seinem letzton Werke: Die Wissenschaft von
der Landverschönkunst, betont, hat die Waldbaukunst den
Nutzen, die Schönheit und das Vergnügen im Avise zu
behalten. Er stellt den Nutzen an erste Stelle, v. Salisch,
der bekannte Forstästhetikor sagt: „Die Forstkunst hat die
Aufgabe, die Forstwirtschaft zu idealisieren. Wie die Bau-
kunst sich zum Maurergewerbe verhält, so soll die Forst-
kunst sich über den handwerksmäfsigen Betrieb der Forst-
wirtschaft erheben."

Was wir schaffen, mufs den Regeln der Schönheit
Rechnung tragen. Dies spricht auch Amtsblatt Nr. 50
von 1!I04 der Abteilung für Forst- und Kameralverwaltung
an die Oberförstereien aus: „Es läl'st sich nicht ver-
kennen, dafs die Neuzeit immer gebieterischer
die allgemeine Beachtung forstästhetischer Grund-
sätze bei der Waldbewirtschaftung fordert ....
Verstösse gegen die Waldschönheitspflego werden
in weiten Kreisen peinlich empfunden .... Aus
diesen Gründen ist es geboten, dals Sie bei jeder
forstwirtschaftlichen Mafsregel sich auch darüber
sorgfältig Rechenschaft geben, wie dieselbe in
forstästhetischer Hinsicht wirken wird." In gleichem
Sinne sprechen sich die Wirtschaftsgrundsätze aus, die im
Laufe dieses Jahres von der genannten Ministorialabteilung
veröffentlicht worden und im Staatsverlage erschienen sind.
Hieraus wollen Sie, meine Damen und Herren, entnehmen,

dafs die Forstverwaltung bestrebt ist, Verstöfse gegen die
Schönheitslehre hintanzuhalten.

Wohl ohne Ausnahme sucht der hessische Forstwirt den
Vorschriften gerecht zu werden, allein leicht ist es oft nicht.
Die Rücksicht auf die Nachwelt verlangt Eingriffe in die
alten Waldbeständo, die uns oft contre coeur gehen. Wir
alle betrachten den Wald in immaterieller Hinsicht als ein
Volksgut, dessen geistige Nutzungen jedermann zugute
kommen sollen. Je mehr die vielgepriesene Entwickelung
unserer Städte vorangeht, je dichter die Menschen im ge-
schlossenen Häusermeere zusammenwohnen, um so gröfser
ist das Bedürfnis nach Waldluft.

Wir suchen die stille Stunde im Dome Gottes. In
Freud und Leid wirkt die Waldeinsamkeit wohltätig auf
den Menschen. Das Wohnungselend in der Stadt veranlagt
die Gründung von Gartenstädten. Um körperlich und geistig
gesund zu bleiben suchen heutzutage manche eine Wohnung
in oder an dem Walde zu finden.

Die Waldluft erquickt den Menschen durch ihre Reinheit
und ihren relativ höheren Feuchtigkeitsgehalt; sie ist ozon-
reicher als die Feld- und Stadtluft, wo oft zahllose Fabrik-
schlote giftige Gase ausströmen.

Unter solchen Verhältnissen wird es klar, dafs die
ethische und hygienische Seite des Waldes die rein wirt-
schaftliche in den Hintergrund drängen kann. Brenn- und
Nutzholz können wir von auswärts beziehen, nicht aber
die kühle, staubfreie Waldluft und noch weniger den
Waldfrieden, die Waldeinsamkeit. Wenn man das dürre
Holz einmal nicht mehr braucht, dann wird man das
grüne um so nötiger haben.

Welch' bedeutende Summen geben heutzutage unsere
Städte allein für Unterhaltung von Anlagen und Parks
aus, manchenorts fast eine Mark auf den Kopf der Be-
völkerung. Da dürfen wir auch für Erhaltung unserer
Waldungen Opfer bringen. Es ist ein Segen für ein
Gemeinwesen, wenn es Wald besitzt und dazu in solcher
Nähe, wie wir hier in Darmstadt.

Zu jeder Jahreszeit wandert der Stubenmonsch nach
getaner Arbeit, mancher auch des Morgens in der Früh'
hinaus in den Wald, um dort die staub- und pilzfreie
reine Luft einzuatmen und seinen inneren Menschen zu.
erquicken, Bornhardt sagt: „Lafst immerhin Alt und
Jung in den Waldtempel wallfahrten. Sie werden mit
reinerem, andächtigerem Herzen dem Glockenläuten in die
Kirche folgen und hier Lob und Preis dem darbringen,
der alles wohl gemacht hat."

Was König 1849 von der Lieblichkeitspflege der
Waldungen schreibt, das ist auch heute noch richtig, man
darf sagen, jetzt noch richtiger und wichtiger als damals.
„Der Forstwirt darf nicht unterlassen, zur Schönerung des
Landes das Seino zu tun, innerhalb und aufserhalb der
Forste. Gewifs trägt er dadurch sehr viel zur Gesittung
und Veredlung der Bewohner bei, was auf die Forste
wohltätig zurückwirkt." Er gibt hierin goldene Regeln,
die 40—50 Jahre später von den Waldfreunden und Forst-
ästhetikern teils wiederholt, teils ausgebaut worden sind
und noch werden. Wenn er sagt: „Ein Wald in seiner
höchsten forstlichen Vollkommenheit ist auch in seinem

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