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Die Gartenkunst — 8.1906

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Olbrich, Joseph Maria: Projekt für eine Gartenvorstadt am hohlen Weg bei Darmstadt, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0047

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VIII, 3

DI K

GABTENKUNST

37

Gartenstadtbestrebungen.

Projekt für eine Gartenvorstadt am hohlen Weg bei
harinstadt.*)

Von Professor Jos. M. Olbrich-Darmstadt.

Seit Jahren führt, mich ein starkes Naturompfinden
hinaus auf die Höhen des heiligen Kreuzberges und von
dort hinab in die Obstfelder dos hohlen Weges, ich liebe
dieses Land, der friedlichen Schönheit wegen. Seit Jahren
finde ich oft auch Bürger und Gärtner in dem Gelände
an der Arbeit. Nach kurzem Grufs erzählt man mir Neues
von eigenartigen Kulturen im Garten, von Wetter und
Wind, von Vorteil und Schaden, von blühenden Bäumen
und Sträuchern. Ein Schlufswort aber bleibt sich im In-
halt so ziemlich gleich, die Frage: „Wie schön es doch hier
für kleine Häuser wäre". Seit Jahren höre ich dies
fragen. Seit Jahren sehe ich unser Darmstadt in reger
Entwickelung und verfolge die Spuren derselben in allen
Teilen.

Lebhaft dehnt sich das Gemeinwesen nach Osten und
Süden hin aus: von Traisa her dringt die Nachricht von
der Gründung einer ausgebreiteten Gartenstadt, in den
Villenquartieron bei Eberstadt sind die ersten Taten be-
endet und der Fortschritt gesichert. All dieses Werdende
steht in natürlichem und engem Zusammenhang mit den
Gedanken, die eben jetzt die Landmassen am hohlen Weg
bewegen sollen. Zweifellos eine auffallende Erscheinung!
Ich sage bowulst auffallend, da die Vorbedingungen zur
Gründung von Gartenstädten in der Nähe unserer Stadt
bestimmt anders gearteter Natur sein werden, als jene
starken Momente, die Sie, meine Herren, ja alle aus den
Aufrufen und Propagandablättern der Gartenstadtbe-
strebung kennen gelernt haben. Als den breiten Unter-
strom, auf welchen sich diese, dort scharf beleuchteten und
auch berechtigten Eigentümlichkeiten gründen, werden Sie
immer die Silhouette der Grofsstadt oder des Industrie-
zentrums wahrnehmen können. Mit der Klage über die
wachsenden, oft unerschwinglichen Bodenpreise, über die
unsinnigen Steigerungen der Wohnungs- und Werk-

*) Die an vielen Orten einsetzenden sogenannten „Garten-
stadtbestrebungen" sind ein wichtiges Glied in der Kette der
Maßnahmen, die auf eine Gesundung unserer modernen Wohn-
und Lebensverhältnisse hinzielen. Es bedarf keiner besonderen
Begründung, dal's ihnen im Organ der D. G. f. G. Beachtung ge-
schenkt wird. Eines der interessantesten Projekte, die auf diesem
Gebiete aufgetaucht sind, bildet unzweifelhaft das der Garten-
vorstadt am hohlen Weg bei Darmstadt. Besitzer des Ge-
ländes ist eine Anzahl kleinerer Leute. Diese sind auf den
Gedanken gekommen, ihre Grundstücke auf eigene Art vorteil-
haft und zweckmäfsig zu verwerten. Sie haben eine Garten-
stadtvereinigung gebildet und Herrn.Prol'. Qlbrich mit der Auf-.

stättenmieten beginnt die grobe Reihe von Fehlgriffen,
wie solche die Grol'sstadtkultur in konsequenter Weise
erzeugen mul'ste.

Auf die Nachteile zu grol'ser Wohndichtigkeit und auf
Seuchengefahr weisen ausführlich, aber umsonst die inter-
essanten Tabellen und Abschnitte der Gesundheitslehro
hin. Den einfachen Forderungen einer konstruktiven Bau-
schönheit geben die geschäftsmäl'sigen Baukarikaturen als
Endresultate einer schematischen Bauordnung und Stadt-
erweiterung eine vernichtende Antwort. Alles eine dunkle
Reihe betrübender Tatsachen! Und trotz dieser nicht ab-
zuleugnenden Allüren einer Grol'sstadtkultur bleiben die
Erfolge der Gartenstadtpropaganda dort nach dem ersten
Anlaufe gehemmt. Da, wo alle diese nachteiligen Folgen
einer immensen Menschenanhäufung zuerst die Intelligenz
zwingen mübten, den deutlich sprechenden Schlagworten
und Titeln — wie Abkehr von der Grofsstadt — hinaus
aufs Land — zur Gartenstadt Folge zu leisten — dort
vorbleibt alles ohne nennenswerten Fortschritt.

Wenn ich nun unser Darmstadt in Vergleich mit diesen
Eigenschatten einer Grofsstadt bringe und hier überall
die Ansätze einer Stadtausdohnung mit ausgesprochenem
Gartencharakter erblicke, so erscheinen mir diese Resultate
auf den ersten flüchtigen Blick hin einfach widersinnig.
Wozu Gartenstädte an den Peripherien von Darmstadt?
Die Stadt mit dem kleinen alten Quartier im Südosten
des Schlosses, die Stadt mit ihren nach französischem
Muster angelegten Quadratblöcken im Westen, die Stadt
mit geraden breiten Straisen, eine Stadt, wo weite Privat-
gärten die Häuser in den vornehmen Bezirken umgeben,
wo die Natur nicht zwischen die Hausmassen gezwängt,
sondern in weiten Flächen weise erhalten wurde, wo
alle sonstigen Dinge fehlen, welche dem Seelenleben
nachteilig werden könnten und wo endlich eine freigebige
Natur am Saume der Stadt Gesundung und Erquickung
ausstreut — wozu braucht dieser Ort, in dem man also
nicht so leicht nervös werden kann, den Ruf in seinen
stillen Strafsen zu hören: Hinaus aufs Land! — zur

gäbe betraut, die Felder, Gärten und Wiesen in eine Garten-
vorstadt umzuwandeln, die Fläche nach einem einheitlichen Be-
bauungsplane zu gliedern, originelle Häusergruppen in mo-
dernem Stil darauf erstehen zu lassen und mit Gartenanlagen
entsprechend zu umrahmen. Herr Prof. Olbrich hat in Aus-
führung dieses Auftrags einen Entwurf ausgearbeitet und diesen
mit einem erläuternden Vortrag in einer Versammlung der
Gartenstadtvereinigung vorgelegt. Der Text dieses Vortrags
und eine Skizze des Entwurfes sind uns von dem Verfasser
freundlichst zur Veröffentlichung in der Gartenkunst überlassen
worden. H.

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