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Die Gartenkunst — 8.1906

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Olbrich, Joseph Maria: Projekt für eine Gartenvorstadt am hohlen Weg bei Darmstadt, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0049

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VIII, 3

DIE GARTENKUNST

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keit, diese Passade höhnt noch obendrein den, der ver-
dammt ist, tagtäglich durch das gipsbekränzte Tor zu
treten, um in dieser Karikatur von Wohnlichkeit nach dos
Tages Arbeit seine Familie wieder zu finden. Das Ver-
gessen der Natur Iii ist es zu, sich leichter mit diesen Gri-
massen abzufinden, ein beklagenswertes Resultat der
Grol'sstadtkultur. Das Geniefsen der Natur aber erzeugt,
die Kräfte, sich gegen eine solche Verkümmerung des
Wohnens immer wieder aufzulehnen, bis die Stunde ge-
kommen ist, in welcher der Entschluls gefafst wird, für
genau gleiche Opfer sich und seiner Familie das eigene
Dach zu richten. Man empfindet dann erst deutlich und
greifbar die einst erträumten Wohltaten, sieht, wie die ge-

bewufster Männer eine weite Perspektive in dem Gebiete
der Stadterweiterung. Bs ist diesen Männern nicht darum
zu tun, Gartengelände gut zu verkaufen, denn das hätte
längst geschehen können, es ist ihnen auch nicht darum zu
tun, sich selbst so bequem als möglich anzusiedeln und da-
durch ohne Nachbarrücksicht vielleicht eine zukünftige Stadt-
einheit zu zerstören. Es liegt ihnen vor allem daran, die
Schönheiten dieses Geländes in einem guten Bebauungs,
plan festzuhalten und weiter im Ausbau zu betonen. Da-
durch aber geht dieser Wunsch weit über Sonderinter-
essen hinaus und trifft in das Schwarze der Allgemein-
heit. Diese Allgemeinheit, im besonderen das ganze Ge-
meinwesen, das mir wirtschaftlich am stärksten und in

Übersichtsplan des nordöstlichen Teils von" Dannstadt mit dem Gelände der Gartenstadt am hohlen Weg.

liebte Natur bis an die Fenster der Arbeitsstube dringt, seiner Organisation am einfachsten erscheint, deren Bürg-
sieht unter Obstbäumen und Blumen die Kinder erwachsen schatten doch im Grunde nichts anderes sind, als von
und j fühlt die Freiheit, die eine eigene Scholle verleiht. gleichem Interesse der Mitglieder getragene Genossen-
Deutsches Empfinden in schönstem, höchstem und treuestom schalten, diese Allgemeinheit hat das Recht und auch die
Glanz wird „Heimat" genannt. Heimat ist aber nicht die Aufgabe, an dieser Ansiedelungstätigkeit mitzuarbeiten.
Gabe nüchterner, spekulativer Rechner, sondern das Haus, Weder die Selbsthilfe der Grundeigentümer noch die
der Garten, die Sonne, der Himmel, zusammen eine ge- Pflichten der öffentlichen Organe werden in diesem Falle
liebte Einheit. Wenn einmal erst diese Evolutionen das getrennt arbeitende Träger solcher Aufgaben sein, sondern
Einfamilienhaus völlig ausgebildet haben, dann werden die Absichten beider werden sich in der Erledigung solcher
auch die angebahnten Reformen, die das jetzt übliche ausgesprochener Stadtfragen tangieren müssen. Die rasche
Etagenhaus zu einem wirklichen Wohnhause umwandeln Bevölkerungszunahme Darmstadts ist nur ein Zeichen
wollen, verstanden und gewürdigt werden. Die Gründe, unter vielen anderen, die überall erkennbar sind. Sie
die unaufhaltsam in der Entwickelung eines Gemein- drängen unaufhaltsam zu einer rationellen Bodenpolitik
wesens lebendig wirken und von denen ich vorhin nur der Gemeinde, deren Vorteile in wirtschaftlicher, sozialer,
Teile eines weitverzweigten Systems herausgegriffen hygienischer und moralischer Beziehung laut genug dafür
habe, sie drängen besonders dort zu einer Tat, wo gute sprechen. (Schlufs folgt.)
Vorbedingungen vorhanden sind. In dem Gelände am
hohlen Weg eröffnet sich durch den Willen einiger ziel-

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