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Die Gartenkunst — 8.1906

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Virchow, Ernst: Wilhelmsmühle in alter und neuer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0057

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VIII, 3

DIE GARTENKUNST

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gäbe; ihr wurde Vetter während 30
Jahren gerecht, ihr diente Fintel-
mann und ihr zu dienen wird hoffent-
lich auch mir recht lange beschieden
sein.

Mein ganzes Streben wird es sein
und bleiben, zu erhalten, was Wilhelms-
höhe heute so auszeichnet: die durch
den Kurfürsten Wilhelm I. von Hessen
zur Natur gewandelte künstle-
rische Schöpfung.

Diesem Grundsätze entsprechend,
treten die natürlichen Szenerien des
Parkes bis in die unmittelbare Nähe
des Schlosses heran, und die regel-
mäfsigen Blumenbeete und Ausschmük-
kungen beschranken sich auf einen
eng begrenzten Raum; letztere sind,
angemessen den gewaltigen Verhält-
nissen des Schlosses, massig und in
kräftigen Farben gehalten. So sehen
wir an der Rampe des Schlosses
Rabatten mit 1600 Bavaria-Begonien
weithin leuchten. Das grofse Teppich-
beet vor dem Schlofs hat, unter seinen
22000 Pflanzen 7500 Alternanthora
amoena, 6000 Antonnaria tomentosa
nötig.

Aber durch diese Massenwirkung
der Farben vermag das staunende
Auge nicht abgelenkt zu werden von
dem so überwältigend großartigen,
vornehm und harmonisch wirkendem
Bilde, welches sich hinter dem Schlosse
am Abhänge des Habichtswaldcs ent-
wickelt. Meisterhaft ist seine Gliede-
rung, staunenerregend die riesigen

Baumgruppen, entzückend die so ge- Die Kaskaden nach Abtrieb der Pichten 1904,

schickt an den richtigen Platz ge-
setzten beiden Architekturstücke und wirkungsvoll krönt nierischen Projekte Rechnung zu tragen, aber ich glaube,
das gewaltige Oktogon die Achse des Bildes. Was würde er empfand die Unzweckmäfsigkeit eines Ausbaus dieses
wohl Landgraf Karl, was sein phantastischer Guernieri zu Projektes, und so begnügte er sich damit, zu beiden
diesem Bilde gesagt haben? Wir können jedenfalls froh Seiten der Kaskaden eine eng gepflanzte Fichtenreihe her-
sein, dal's wir von dieser Stelle nur die schroffen Kon- zustellen. Diese Fichten wuchsen, trotzdem sie nur
turen des Karischen Baues in angemessener Ferne und in 75 cm Abstund hatten, zu Bäumen von 38—42 m heran,
wirkungsvoller Einrahmung durch die Baumriesen sehen. sie reckten ihre Aste bis an die Kaskaden 10 m hin und
Wie ich vorher sagte, wurde das Guernierische Projekt schlössen dieselben mit dem Oktogon in ihre dichten
nur sehr verstümmelt zur Ausführung gebracht, so dal's dunkelgrünen Wände ein. I)as war ein. einzig dastehendes
es beim Abschluß der Bauzeit 1714 keinen Anspruch auf packendes Bild — und (Meli etwas ganz anderes als
eine in sich harmonisch abgeschlossene Schöpfung machen Landgraf Karl einst plante.

konnte; im Gegenteil, das wuchtige Steinmassiv des Ich glaube nicht, dal's im Verlaufe der nun folgen*
Oktogons mit einem Durchmesser von 70 m erdrückte den Spanne Zeit bis zum Jahre 1878, also innerhalb von
schier die schmalen Kaskaden unter sich, — dieselben sind 100 Jahren, jemand an Guernieris so ganz andere Pläne
nämlich nur 17 m, an den Bassins 28 m breit. Dal's gedacht hat, im Gegenteil — je älter die Bäume wurden,
ein Mann wie Landgraf Wilhelm IX., welcher, wie ange- um so mehr gewöhnte man sich daran, dieses Bild als
deutet, Wilhelmshöhe zu einem Edelsteine umschuf, diesen das von ihm gewollte zu betrachten.

Zustand nicht ertragen konnte, ist begreiflich. Gewiß hat Im Jahre 1878 hatte die Herrlichkeit schweren Schaden

er auch erwogen, wie weit es möglich wäre, dem Quer- gelitten, an 4 Stellen waren Bäume gefallen und hatten
 
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