Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 8.1906

DOI Artikel:
Olbrich, Joseph Maria: Projekt für eine Gartenvorstadt am hohlen Weg bei Darmstadt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0101

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
90

DIE GARTENKUNST

VIII, 5

in eine schmucke Wirtschaft ein. Alles, was zu den all-
gemeinen Bedürfnissen im Haus und Garten gebraucht
wird, ist hier vorzufinden. Von allen Enden der neuen
Stadt, gelangt man leicht dahin, um seinen Bedarf zu
decken. Das Haus des Arztes und die Apotheke, die
Post- und die Telegraphenstelle stehen zu Beginn der
Strafso, die nun weiter nach dem Walde zu führt. In
gleichem Sinne wie früher gliedert sich Weg an Weg,
kreuzt sich Strafse um Stral'se. Inmitten eines Birken-
standes nahe am Walde steht ein schlichtes, einfaches Haus.
Ein einziger stimmungsvoller Raum ist von der Strafso
aus direkt zu betreten, er ist jederzeit geöffnet und gönnt
dem Gast die Ruhe, ein Gebet zu sagen. Überall in
diesem Frieden blüht die Natur. Durch ein Steinportal
an der Mauer der Fasanerie zieht der Weg in dem freien,
hohen Wald, in das frohe Singen und Klingen des
Frühlings. Parallel mit diesem Hauptwog. laufen in
Distanzen von Blocktiefen weitere gleich breite Wege.
Immer entstehen an senkrecht oder schief anlaufenden
Kreuzungsstrafsen Ruhopunkto, beschauliche Stadtbilder;
die Strafsenmassen erweitern sich dann an solchen Stellen
zu reich gegliederten Strafsenplätzen, von wo aus das
Wandern neu beginnen kann. Die Rücksicht auf die ge-
neigten Flächen im Gelände und im besonderen auf den
Wasserablauf, die Rücksicht auf lästige, vorherrschende
Westwinde hat nicht unbedeutend die Strafsenf ührung
beeinflufst, In restloser Weise ist aber der Absicht ent-
sprochen, jedem Hause so viel wie möglich Sonne zu
geben, wie die Arme des Sonnenanbeters sich aufnehmend
gegen das Sonnenlicht richten, so liegen die Hausreihen,
die Gärten, die Strafson, um die Spenden der Himmols-
leuchte, Wärme und Licht vom frühen Ost bis späten West
voll zu erhalten.

So summieren sich alle praktischen Einheiten zu
solchen höherer Ordnung und diese wieder zu einer Ge-
samtheit, die alles menschliche Denken, Empfinden und
Wissen in sich vereint. Aus der Fülle der Details, die
längs der Strafse wie im Garten und an den Plätzen das
Stadtbild aufbauen helfen, nenne ich nur die Hauptteile.
Der Grenzzaun, mannigfaltig in Holz gezimmert, wird mit
natürlichen Heckenumfriedigungon abwechseln, Gartentore,
bald in Stein, bald aus Rosenhecken mit entsprechender
Zier gegen die Strafsen den Absehlufs verleihen. Stral'sen-
tafeln und Kandelaber werden in einfacher Form am
richtigen Platze ihren Zweck erfüllen. Brunnen und Stein-
zeichen werden wichtige Strafsenpunkte betonen und zieren,
schöne, alte Bäume, auch wenn sie mitten in den Bürgor-
steig fallen würden, werden erhalten bleiben, an neuen
Stellen neue Anlagen zu pflanzen sein. Der alte Stein
bruch an der Fasanerie wird alpine Bepflanzung erhalten
und dadurch seine grotesken, jetzt toten Formen zu neuem
Leben, zu neuer Aufgabe erweckt werden. Und wenn
dann schlichte Strafsentafeln die Wegenamen nennen, wie
am Sonnwendstein, am Rosenbogen, Unter den Hecken,
am 7. Brunnenweg, so wird man inmitten der Natur be-
greifen, warum die oft schwer zu verstehenden, der Natur
hier völlig fremd gebliebenen Namen grofser Männer nicht
dazu verwendet wurden.

Von diesen allgemeinen, die Strafse begrenzenden,
zierenden und errichtenden Teilen kehre ich schliefslich
wieder zu Haus und Garten zurück. Hier interessieren
zunächst die mathematischen, die finanziellen Unterlagen.
Es ist angenommen worden, dal's nicht unter 700 Mk.
und nicht über 1200 Mk. Zinsenlast dem Gartenvorstadt-
bürger für Haus und Grund entstehen. Es werden also
die tatsächlichen Werte für das gesamte Objekt zwischen
14 24000 Mk. liegen. Von diesen Summen werden
und '/,, für Grundwerte abzutrennen sein. Das einfache
Haus wird also einen Bauvoranschlag von 10500 Mk.
bis 18000 Mk. nicht überschreiten dürfen. Selbstredend
wird oft diese grundsätzliche Reehnungsbasis. die ja in
Zahlen bereits die Charakteristik des Hauses und dadurch
den gesamten Stadteindruck festlegt, Überschritten werden
können, wenn gröfsere Geldmittel für Grund und Haus
vorhanden sind. Das Haus, welches für einen Durch-
schnittspreis von 18000 Mk. einschl. Zaun und Garten-
anlage schlüsselfertig errichtet werden kann, wird ent-
halten: im Souterrain die Waschküche, den Kohlen- und
Holzkeller, den Vorratskeller und den Weinkeller. Im
Hochparterre: 1 Wohnzimmer 4,60 m breit, 5,60 m lang,
ein Arbeitszimmer, ein Speisezimmer mit nobenanliegendcr
Küche, sowie Vorplatz mit Stiegenhaus; im ausgebauten
.Dachstock 3 Schlafräume, 1 Badezimmer, 1 Mädchen-
zimmer. Unter dem Dache ein Mägdezimmer und den
Bodenraum. In diesem Baupreise ist noch mit ein-
begriffen die vollständige Einrichtung der Wohnstube und
des Arbeitszimmers mit solidgebauten Möbeln. Die Ent-
würfe für ein solches Haus finden Sie zur Einsicht auf-
gelegt. Für bescheidene Bedürfnisse wird sich eine kleinere
Anzahl von Räumen zwockmäfsig erweisen, womöglich
alle in einem Geschofs untergebracht. Um diese Bau-
gesinnung aber auch in breiter Weise ausüben zu können,
wird mancher Paragraph der Bauordnung geändert werden
müssen. Mir erscheint mit dem Beginne dieser An-
siodelungstätigkeit der Moment gekommen zu sein, die
bautechnischen Forderungen dos Einfamilienhauses in
einem besonderen neu ausgearbeiteten Baugesetz festzu-
legen und dadurch endlich die altersschwache, durch fort-
währende Dispensationsgesuche bereits illusorisch ge-
wordene Bauordnung zu ersetzen. Mit gleicher Liebe und
Sorgfalt wird der das Haus umgebende Garten zu be-
handeln sein. Der auffallend grofse Obstbaumbestand in
dem Gelände, der reiche Ertrag zeugen dafür, dal's hier
alle Vorbedingungen für eine rationelle Obstkultur ein-
treffen. Ich möchte den Reiz einer solchen Baumlandschaft
im neuen Stadtbild nicht vermissen, im Gegenteil wünschen,
so viel als möglich gute Obstbaumkulturen zu pflegen und
dadurch die fort und fort erzeugende und nützende Natur
als solche ausgeprägt im ganzen Stadtcharakter zu finden.
Mit den Bäumen worden Anlagen von Strauchobst ab-
wechseln, diese wieder von Blumengärten und Rasen-
flächen sich abtrennen. Die Bestrebungen auf dem Ge-
biete der Gartenkunst und speziell in der Anlage von
Hausgärten werden bim- in des Sinnes vollster Bedeutung
positiven Ausdruck finden können. Eine unendliche Reihe
reizvoller Gedanken wird jeden einzelnen der Gärten ver-
 
Annotationen