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Die Gartenkunst — 8.1906

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Rettich, Heinrich: Bricht der vom Stuttgarter Gemeinderat zum Studium neuerer Friedhofsanlagen bestellten Komission, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0113

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102

DIE GARTENKUNST

VIII. 6

Unter anderem erwecken darin E>utzende ' verschiedener
v\rten exotischer Koniferen in wahren Prachtexemplaren
die Bewunderung der sachverständigen Besucher. Dabei
ist jede aufdringliche wissenschaftliche Markierung und
künstliche Systomisierung diskret vermieden worden, so
dals der frische Eindruck des Naturparks überall ungetrübt
erhalten blieb. Gegen eine derartige Verbindung dos
Angenehmen mit dem Nützlichen wird selbst derjenige
sich nicht lediglich ablehnend verhalten können, dem im
übrigen die I Uenstbarmachung des Friedhofs für botanische
Zwecke zu weitgehend erscheint. Wenn man Uberhaupt
mit der gärtnerischen Ausschmückung solcher Anlagen
sich einverstanden erklärt, so ist in der Tat nicht ein-
zusehen, warum nicht auch die Verschiedenheit der Arten
und Varietäten nutzbar gemacht werden soll, um möglichst
wechselvolle landschaftliche Bilder zu erzielen. Dabei
mufs noch speziell darauf hingewiesen werden, dafs der
Hamburger Friedhof bei allem Aufwand für seine schön-
heitliche Ausgestaltung gleichwohl unter den günstigsten
finanziellen Bedingungen verwaltet wird.

3. Wir sind in der Einteilung des neuen Friedhofs
nunmehr so weit gekommen, dafs wir eine Anzahl in
natürlicher.Regellosigkeit ausgemessener Beerdigungflächen
erhalten haben, die jeweils einzeln für sich ein durch
Hauptwege und Baumsäume getrenntes Teilganzes bilden.
(Abb. 5.) In welcher Weise sollen nun diese Teilfriedhöfe
tatsächlich in Benutzung genommen, wie sollen die anfallen-
den Toten in sie verteilt worden, und wie kann bei dieser
Verteilung der bis jetzt erzielte oder gewahrte landschaftliche
Charakter am ehesten auch weiterhin erhalten werden ?

Von diesem Stadium der Anlage ab erscheint neben
den Pflichten und dem Aufwand der Gemeinde auch die
Geltung des Einzelnen, des Privaten, ja, es kann diese
ausschliefslich maßgebend und die Mitwirkung der Ver-
waltung auf die blofse Restriktion des übertriebenen, des
Unschönen,.oder des ganz unmöglichen Wollens des ersteren
beschränkt werden. Es wird sich aber zeigen, dals die
Verwaltung sich damit keineswegs begnügen darf, sondern
dals sie allen Anlal's und die dankbarste Gelegenheit hat,
auch hier noch fördernd einzugreifen nach dem Endziel
möglichster landschaftlicher Verschönerung der Anlage.
Es ist indessen notwendig, auch hier zunächst eine Be-
merkung allgemeiner Natur voranzuschicken.

Auch die radikalste Gleichmacherei wird auf unseren
Friedhöfen eine Auszeichnung dos Geistes nicht unter-
drücken wollen. Der Wunsch, das Verehrungswürdige
hervorzuheben, dem Verdienstvollen in sichtbarer Weise
Dank zu bezeigen, wird nicht so bald aus den Herzen
der Menschen vertrieben werden können. Und wie es in
unabsehbarer Zeit nicht verhindert werden kann, dafs der-
jenige, der die .Mittel besitzt, sich eine bessere Wohnung
beschafft als der ärmere Nebenmensch, so wird man
weiterhin auch nicht verhindern können, dafs der Reiche
für die Erinnerung an seine Angehörigen mehr aufwendet
als der Arme. Jedenfalls hat die heutige Verwaltung mit
der Verschiedenheit der Bedürfnisse auch auf diesem Ge-
biete zu rechnen; ihre besondere Aufgabe dabei besteht
darin, diese Bedürfnisse so zu lenken, dafs.das zum ge-

meinsamen Besten gesteckte Ziel eines landschaftlich schön
ausgestatteten Friedhofs möglichst erreicht wird.

Der reiche Mann hat auf unseren Friedhöfen seine
Mittel bisher einmal durch die Wahl des Begräbnisplatzes,
dann durch die Pracht des Grabmonuments hauptsächlich
zum Ausdruck gebracht. Beide Wege werden ihm auch
in Zukunft offen bleiben, aber gleichzeitig mit einer Be-
schränkung und mit einer Erweiterung. In München, ins-
besondere auf den alten Friedhöfen, waren bisher die
teuersten Grabplätze die sogenannten Arkadengrüfte, ähn-
lich wie dies in kleinem Mal'sstabe auf unserem Prag-
friodhof zutrifft. In unabsehbarer Flucht reihen sich auf
dem Münchener Südfriedhof an der inneren Seite der
Kirchhofsmauer die Grabstätten nebeneinander. Unten die
separierten Sargkeller, Grüfte genannt, oben die dazu ge-
hörenden Denkmäler, welche durch den Arkadenbogen
eine gewisse architektonische Umrahmung erhalten, im
übrigen aber ausnahmslos als mehr oder weniger an die
dahinterliogende Mauer angeklebt erscheinen. In den
Münchener Arkadendenkmälern stecken bekanntlich Hundert-
tausende von Kunstwerten. Reichtum zugleich und Kunst-
sinn haben hier grolsartige Leistungen geschaffen, und
der Eindruck, den. die Kommission von ihrem Gang durch
diese Arkaden gewonnen hat, war ein überwältigender.
Bs sollte ihr erst später zum Bewufstsein kommen, warum
das Geschaute gleichwohl auch Eindrücke des Einerlei,
des Gekünstelten, des Protzentums, . schlielslich Gefühle
des Unbefriedigtseins und der Ermüdung auslöste.

. Andere Bemittelte hinwiederum verzichten auf die
Arkadengrüfte und wählen Plätze, die dadurch ihre Aus-
zeichnung und ihren Preis erhalten, dafs sie unmittelbar
an den Wegen liegen. Je nachdem diese Wege wiederum
Haupt- oder Nebenwege sind, und je nachdem mehr oder
weniger Platz erworben wird, ergeben sich hier zahlreiche
Abstufungen des Aufwands. Dabei ist die teuerste Lage
diejenige unmittelbar am Weg, einmal wohl der bequemen
Zugänglichkeit weisen, vermutlich aber noch mehr des-
halb, weil hier das Grabmonument am meisten in die
Augen fällt. Derartige Anordnungen finden sich auf
allen Friedhöfen, auch auf den hiesigen. Auf einein der
neuen Münchener Friedhöfe ist noch eine kleine Anzahl
qualifizierter Grabstätten dadurch geschaffen worden, dafs
man die Einsegnungshallc unterkellerte und in diesem
Gewölbe Sargnischen anlegte, die durch einen Rundgang
zugänglich gemacht wurden und Licht erhalten. In diese
Nischen wird nach dem Muster südländischer Friedhöfe
der Sarg eingeschoben und alsdann die Öffnung mit einer
Platte verschlossen, die neben der Aufschrift beliebige
künstlerische Ausgestaltung durch Reliefdarstellungen zu-
läfst. Der Eindruck, den der Besucher dieser unterirdischen
Beisetzun,ü,-sstätte empfängt, ist ein unheimlicher. E>ie
Gruft bedingt Ausschliefslichkoit, jedenfalls Beschränkung
auf die Familie: als Massengruft wie in München wirkt
sie direkt widerwärtig und ungeheuerlich; das Weilen und
die Erinnerung am Grab ist in diesem halbdunkeln Massen-
sargkeller einfach undenkbar. Die Anlage soll denn auch
blols aus Zweckmäl'sigkeitsgründen erfolgt sein, damit der
grofse Raum, den die Aussegnungshalle einnimmt, nicht
 
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