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Die Gartenkunst — 8.1906

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Winkler, Fr.: Rußlands berühmteste Gärten des 18. Jahrhunderts, [1]: ein Beitrag zur Geschichte der Gartenkunst in Russland
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0128

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VJII, (i

DIE GARTENKUNST

117

Auch vom Meere aus bietet Peterhof einen überaus
grofsartigen, prächtigen Anblick. Kino tausend Faden
lange Allee führt nach Westen zu dem Lustschlöfschen
Marly und auf der anderen Seite gegen Osten, nach einem
anderen Lustgebäude, Monplaisier am Seestrande.

Eine andere sehr bedeutende Schöpfung Peters des
Grofsen, die noch vor Peterhof in Angriff genommen wurde, ist
das kaiserliche Lustschlofs Katharinenthal bei
Reval. Über die Entstehung von Katharinenthal haben
heute selbst die wenigsten Revalenser eine richtige Vor-
stellung, wir geben daher an dieser Stelle einige kurze
Erklärungen.*)

Nach dem glänzenden Siege über die Schweden bei
Hangö am 27. Juli 1711 liefs sich Peter der Grofse zu-
nächst das noch jetzt erhaltene sogenannte Peterhäus-
chen aufbauen, das in jeder Beziehung unglaublich be-
scheidene Verhältnisse aufweist. Ein kleiner holländischer
Garten ist mit dem Häuschen unmittelbar verbunden.

Von hier aus konnte Peter der Grofse seine Flotte auf
der Reede überschauen, im stolzen Bewufstsein. dafs es
ihm nun endgültig gelungen war, den freien Zugang zum
offenen Meere und den Eingang in den finnischen Meer-
busen zu erkämpfen und in dauernden Besitz zu nehmen.

Nachdem der Zar von dem Ratsherrn Dunten in Reval
das nötige Gelände gekauft, benutzte er einen Aufenthalt
im Sommer des Jahres 1718 dazu, den Bau eines re-
präsentableren Schlosses und die Anlage eines grofsen
Parkes in damaligem Geschmack anzuordnen. Das Palais
wurde im Stile der italienischen Renaissance von dem
Italiener Mischetti erbaut. Der Bau des Schlosses schritt
rüstig vorwärts, und wie sehr sich der Monarch für den
raschen Fortgang des Baues interessierte, ersehen wir da-
raus, dafs der Kaiser im Sommer 1719 den Baueifer der
Leute dadurch anspornte, dafs er selbst das Gerüst be-
stieg, sich ein Schurzfell umbinden liefs und eigenhändig-
einige Ziegelsteine einmauerte.

Der Plan zu dem Parke Katharinenthal ist aller Wahr-
scheinlichkeit nach gleichfalls von dem Architekten Mischetti
entworfen worden.

In den 30 er Jahren des 18. Jahrhunderts leitete der
Franzose Jacques Broquet die Remontearbeiten und
den weiteren Ausbau des Schlosses und seiner Neben-
gebäude. Während seiner Glanzperiode war der Park
mit vielen Bildsäulen, Wasserkünsten, Teichen und Kanälen
geschmückt. Das dazu nötige Wasser lieferte der obere
See, der mit dem Parke durch eine Wasserleitung ver-
bunden war, deren Spuren heute noch nachweisbar sind.

Auch dieser Garten war damals von grofser Berühmt-
heit; er ward zu Ehren von Peters des Grofsen Gemahlin
Katharinenthal benannt und mit grofsem Grundbesitz
bedacht. Während seiner Blütezeit im 18. Jahrhundert
hat dei- Garten viele glänzende Feste erlebt, so z. B. bei
Anwesenheit der Kaiserin Elisabeth, die am 9. Juli 1746
mit grofsem Gefolge in Reval eintraf. Ebenso bei dem

*) Obwohl Herr Gartendirektor G. Kuphaldt bereits eine
Beschreibung dieses schönen Parkes gebracht hat, kann ich
der Vollständigkeit wegen nicht mit kurzen Worten darüber
hinweggehen.

Besuche der Kaiserin Katharina 1764, die mit einer
glänzenden Suite mehrere Tage das Schlots bewohnte.
Der Besuch Katharinenthals durch die Landgräfin von
Hessen-Darmstadt, die mit ihren Töchtern 1773 in Reval
eintraf, ist insofern von Bedeutung geworden, als sich
hier Grofsfürst Paul die vorjüngsto Tochter der Landgräfin
von Hessen zur Gemahlin erkor.

Kaiser Alexander I., der 1804 Katharinenthal besuchte,
liefs das sogenannte Peterhäuschen, das sehr in Verfall
geraten war, wieder so in Stand setzen, wie es ursprünglich
war und wie es noch heut pietätvoll in musterhafter
Ordnung erhalten wird.

Trotz allem aber verlor mit dem Tode Peter des Grofsen
der Park sehr an Bedeutung, seine Glanzzeit war Im-
muner vorbei, ganz besonders deshalb, weil die Kaiserin
Anna, die selbst Reval nie besucht hat, alle Bildsäulen
und Springbrunnen nebst Leitungsröhren nach Peterhof
zur Vervollständigung der dortigen Wasserkünste über-
führen liefs. Trotzdem sind die Bewohner Revals Peter
dem Grofsen zu vielen Dank verpflichtet. Den Revalen-
sern steht der grofse Park, der der Stadt gar keine
Unterhaltungskosten verursacht, da er als Besitz des
Apanagendepartements aus dessen Mitteln in musterhafter
Ordnung gehalten wird, zur freien Benutzung seit vielen
Jahren offen. Der Park wurde auf Kosten derselben Be-
hörde im Jahre 1901 von Herrn Kuphaldt wieder in Stand
gesetzt und teilweise neu angelegt.

Fast gleichzeitig mit dem Katharinenthalschen Parke
wurde von Peter I. noch ein zweiter grofser, im holländischen
Geschmacke gehaltener Park in den Ostseeprovinzen ge-
schaffen. Es ist dies der kaiserliche Garten in Riga,
der bereits um das Jahr 1711 in Angriff genommen wurde.
Auch dieser Garton verkörperte in allen Teilen die Ge-
schmacksrichtung seiner Zeit. Er war mit breiten Alleen,
Laubengängen, Irrgärten, Lusthäusern, sowie auch mit weit
ausgedehnten Fruchtgärten ausgestattet. Einer der ersten
von der Regierung angestellten ausländischen Garten-
meister war der für den kaiserlichen Garten in Riga
berufene Gärtner Michael Schindler aus Runwaldt in
Mähren. Er wurde im Jahre 1722 angestellt. Der kaiser-
liche Garten hat im Laufe der Jahrhunderte von seinem
ursprünglichen Charakter weit mehr eingebüfst, wie der
Katharinenthalsche Park; nur noch ein verhältnismäfsig
kleiner Teil mit einem mächtigen Baumbestand, von dem
eine noch vorhandene Ulme von Kaiser Peter 1. selbst
gepflanzt wurde, läfst seinen alten Charakter und Ursprung
deutlich erkennen.

Im Jahre 1841 ging der Garten nach verschiedenen
Wandlungen in den Besitz der Stadt Riga über, er ist,
was heute Katharinenthal für die Ravalenser ist, gleich-
falls ein gern aufgesuchter Aufenthaltsort der Rigaer
Stadtbevölkerung. Ein grofser Teil des ursprünglichen
Gartens birgt heute die wohlgepflegton und weit aus-
gedehnten Nutzgärton der Rigaer Stadtgartenverwaltung,
die Herrn G. Kuphaldt unterstellt sind.

Hatte bis zu Peters des Grofsen Tod fast ausschliefslich
der architektonische Garten in holländischem Geschmacke
geherrscht, so kam unter der glorreichen Regierung
 
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