Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 8.1906

DOI Artikel:
Winkler, Fr.: Rußlands berühmteste Gärten des 18. Jahrhunderts, [2]: ein Beitrag zur Geschichte der Gartenkunst in Russland
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0147

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
136

DIE GARTENKUNST

VIII, 7

mirska, die Branickischen, Potockischen, Ogins-
kischen, der Borchsche u. a. Den mir vorliegen-
den Beschreibungen nach, waren viele dieser Gärten
mit verschwenderischer Pracht ausgestattet. Orangerien
und Treibhäuser spielen in diesen polnischen Gärten schon
eine wichtige Rolle. Wir können aus dem oben genannten
Grunde hier nicht auf alle die vielen interessanten Einzelheiten
dieser Gärten eingehen, wir haben sie auch des Raumes
wegen nur flüchtig streifen können.

Aus allen diesen Mitteilungen haben wir ohnehin zur
Genüge ersehen, dafs die Gartenkunst schon frühzeitig
in Rufsland, und wie wir gesehen haben, auch in Polen

vieler Hinsicht nur bedauert werden kann, denn der grofse
hygienische Wert grofser Parkanlagen in den Städten ist
erst in der neueren Zeit voll gewürdigt worden. Die
Summen, die heute von unseren grofsen und kleinen
europäischen Hauptstädten zur Anlage und zum Unterhalte
von öffentlichen Anlagen und Schmuckplätzen aufgewendet
werden, sind ganz bedeutende. Heute sind es namentlich
die ihre Aufgabe vollerfassenden Stadtverwaltungen, die
sich die Pflege der Gartenkunst ganz besonders angelegen
sein lassen. Was in Gartenanlagen heute in West-
europa in jeder einzelnen Stadt geleistet wird, mufs den
wahren Naturfreund mit Freude und Stolz erfüllen.

Ansicht der neuen Scbaukäuser im Palmengarten zu Frankfurt a. M. (von Südwesten).

eine hohe Stellung einnahm, und dafs es auch bei uns
Gartenkünstler gab, die, wie z. B. der obenerwähnte Fold-
marschall Tschernischeff, ähnlich wie in Deutschland
Fürst Pückler-Muskau ca. 100 Jahre später mit Feuer-
eifer tätig waren und zur Förderung des Gartenwesens
ihrer Zeit aufserordentüch viel beigetragen haben.

Die Gartenkunst kann somit im Anfange unseres Jahr-
hunderts in Rufsland ihr 200jähriges Jubiläum feiern. Das
gilt auch von allen obengenannten'kaiserlichen Gärten, die
ja alle heute noch bestehen, und die in mancher Hinsicht
bedeutend,verbessert und erweitert wurden, so dafs eine
genaue Schilderung unserer berühmten Hofgärtcn"5gewifs
auf allseitiges lnteresse~gegenwärtig rechnen dürfte.

Ob und wieweit die obenbeschriebenen, dem hohen
russischen Adel angehörigen Parkanlagen heute noch
existieren, ist mir leider nicht bekannt. Anzunehmen ist
freilich, dafs davon nicht mehr alle vorhanden sind, denn
wie in allen europäischen Grofsstädten hat auch in Petersburg
Grund und Boden an Wert bedeutend zugenommen,' so dafs
mancher dieser einstigen Prunkgärten in der Residenz
der. Erweiterung der Stadt zum Opfer gefallen ist, was in

Unsere heutige Geschmacksrichtung hat in dieser Be-
ziehung mit all dem pomphaften Beiwerk füherer Zeit auf-
geräumt. Unsere modernen Parks, öffentlichen Volks- und
Landschal'tsgärten sind zumeist das Resultat gründlicher
Naturstudien, sie sind in erster Linie neben den ästhetischen
auch den wirklichen Bedürfnissen unserer Zeit angepafst.

Von den öffentlichen Anlagen in den Städten Rufs-
lands mufs gesagt werden, dafs die in den beiden
Hafenstädten Riga und Ilelsingfors vollkommen auf
der Höhe der Zeit stehen. Sie gelten für ganz Rufs-
land als mustergültig. St. Petersburg selbst hat aufser
dem obengenannten Kaiserl. Sommergarten und dem von
E. Regel angelegten Alexandergarten fast nichts an
öffentlichen Gartenanlagen aufzuweisen. Besser steht es
hiermit in Moskau und Kiew. Im allgemeinen steht die
Hauptmasse der Bevölkerung in den innerrussischen
Städten diesen gemeinnützigen Unternehmungen noch sehr
passiv und verständnislos gegenüber. „Reformen" wären
auch hier angebracht.
 
Annotationen