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Die Gartenkunst — 8.1906

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Beitz, Georg: Rücksichtsnahme auf die Friedhofsbetriebserfordernisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0185

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172 DIE GARTENKUNST VIII, 9

meinwesen besteht aber nicht darin, dafs er der Ruhe- Grundstück nicht zu haben, so ist, auch hierin die Auf-
platz,so nd ern dal's er der Beordigungsplatz ist. Es sichtsbehiirde nachsichtig, die Ungunst mul's jedoch durch
ist dies ein durchaus wesentlicher Unterschied. Nicht die Pestsetzung eines entsprechend längeren Beerdigungsturnus
Ruhe der Toten ist das zunächst Wichtige, sondern das öffent- ausgeglichen werden.

liehe Interesse gipfelt in den Mal'snahmen bis er zur Ruhe Über die Vorschriften bezüglich der Entfernung müssen
gelangt, d. h. begraben ist. Später kommen dann die An- dio Kommunen im eigenen Interesse weit hinausgehen und
forderungen privater Natur, die in ihrer Summe aber auch von vornherein den Einflufs des Friedhofes auf den Be-
ganz erheblich sind, z. B. Gräborbesueh durch die Ange- bauungsplan berücksichtigen.

hörigen, Wiederausgraben zwecks Beisetzung in andere Wenn der Friedhof auch einzelne Gewerbe, wie Stein-
Gräber, Gräerbepflanzungen. Aufbauen und Abreü'son von hauerei und Gärtnerei bzw. Blumenbinderei zur Ansiede-
Denkmälcrn, Beseitigung der sich in unglaublicher Weise lung in seiner Nähe voranlafst, so hindert ein grofser
anhäufenden Überreste von Kränzen u. dgl. Kurz und FYiedhof die Besiedelung seiner Umgebung doch ganz er-
gut, der Friedhof einer Grol'sstadt ist eine Stätte lebhaften heblich. Die Behinderung geschieht zum Teil dadurch,
Betriebes und dieser Betrieb stellt Forderungen, die bei dals viele Leute sich durch seine Nähe abschrecken lassen,
der Anlage des Friedhofes berücksichtigt worden müssen, noch mehr aber, insofern der grol'se und unteilbare Land-
ehe man an die künstlerische Verschönerung herantritt, komplex dio Führung der Strafsenzüge orschwert. Der
Ein allgemeines Schema für die Erfüllung dieser Friedhof inufs also soweit hinaus gelogt worden, dass er
Betriebserfordernisse läfst sich natürlich nicht aufstellen dio Entwickelung wesentlicher Stadtteile später nicht
wegen ihrer grofsen Verschiedenheit. Zwischen dem F>ied- unmöglich macht.

hol' einer Gemeinde von 2—3000 Seelen und dem einer Ferner ist zu berücksichtigen die Zugänglichkeit.

Gemeinde mit der lOOf'achen oder gar noch höheren Meines Erachtens müfsten dio Stral'sen, die zum Friedhofe

Seelcnzahl liegt eine unendliche Fülle von Abstufungen, führen, stets zu den bestgepflegton der Stadt gehören.

Dio Beerdigungsziffer, die nach Lage und Boden ver- Zwischen, dieser Zugänglichkeit und der oben verfochtenen

schiedone Frist bis zur möglichen Wiederbelegung der Abgelegonheit muis die richtige Lösung bzw. der richtige

Gräberfelder und besonders auch die gerade im Friedhofs- Mittelweg gefunden werden. Sehr zweckmäfsig ist es,

wesen sehr grofse und eingewurzelte Verschiedenheit der wenn der Friedhof auf zwei oder mehr Wegen zu er-

Ortsgebräuche, vorlangen für jeden einzelnen Fall eine reichen ist, denn bei den vielfachen Arbeiten an modernen

besondere Lösung. Die Absicht des Verfassers ist daher, Strafsen sind Absperrungen nicht gerade selten. Zu bo-

auch nur Anregungen und gewisse Anhaltspunkte zu geben, achten ist bei den Abmessungen dieser Zugangsstral'sen

Abhängig von diesen Betriebserfordernissen ist jedoch alles, die grol'se Unrogelmäfsigkeit des FYiedhofsverkehrs, die

Z. B. die Wahl des Grundstückes und seiner Ein- aufsorordentlichon und plötzlichen Steigerungen an Go-

friedigung, dächtnistagen, wie Allerheiligen und Allerseelen, oder bei

die Art und Gestaltung des Zu- und Einganges, besonderen Anlässen. Liegen auf der Stral'se Strafsen-

die Führung und Breite der Wege, bahngeloiso, so mul's mindestens auf einer Seite der Ge-

die Anlage, Gröfse, Abgrenzung usw. der verschiedenen leise soviel Raum sein, dal's Leichenzüge und Strafsen-

Gräberklassen und Gräberfelder, bahnverkehr sich gegenseitig nicht behindern. Richtiger

die Anzahl, Art und Lage der notwendigen Baulich- und besser noch ist, wenn dio Gröfse des Friedhofes dies

keiton, rechtfertigt, die Anlage eines Parallelweges zur Stral'se,

die Ausdehnung und Lago der Friedhofsgärtnerei und der ausschliesslich für die Leichenzüge vorbehalten ist.

schließlich das Mals der Verschönerung des Friedhofes Das hier unter Figur 1 als Beispiel angegebene Stral'sen-

und die Wahl des Stils, in dem diese geschehen soll. profil ist das der Aachenorstrafse zu Köln, dio den Zugang

Die landespolizeilichen Vorschriften, die bei der Wahl zu dem Hauptfriedhof (Friedhof Köln-Melaten) bildet. Diese
dos Grundstückes zu beachten sind, sind nur gering und mächtige Stral'se, im ganzen 44 m breit, vermag am Tage
werden auch nicht einmal streng durchgeführt. Sie be- Allerheiligen (1. November j und "oft auch bei sogenannten
stehen darin, dal's eine Entfernung des Friedhofes von grofsen Beerdigungen den Verkehr kaum zu fassen,
mindestens 35—40 m von den Ortschaften und genügende
Verwesungskraft des Bodens verlangt wird. Empfohlen
wird, dio Friedhöfe möglichst hoch und nördlich der Ort-
schaft anzulegen, letzteres damit die bei uns vorherrschen-
den Winde nicht die Friedhofsluft, dio nach meiner Er-
fahrung aber viol besser ist, als dio Stadtluft, nach
dem Orte treiben. Diese Vorschriften bedeuten eigentlich eine
Einschränkung überhaupt nicht, um so weniger da, wenn im
Norden ein passendes Grundstück nicht vorhanden ist, die Fig. 1.
Anlage auch im Westen genehmigt wird. Die Verwesungs-
kraft dos Bodens ist abhängig von seiner Durchlüftung, Mit der Ausbildung der Zugangsstral'sen eng zu-
dem fiefen Stand des Grundwassers und manchmal auch sammen hängt die Ausbildung der FYiodhofseingänge. Der
von dem Kalkgehalt. Ist ein in dieser Beziehung günstiges eben erwähnte Friedhof Köln-Melaten (Gröfse 337000 qm)
 
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