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Die Gartenkunst — 8.1906

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Lux, Joseph August: Alte Gartenplastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0188

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VIII, 9

DIE GARTENKUNST

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zu Spiel und ganz vergessen, dal's wir an diesen barocken Garten-
lockeren Schöpfungen noch viel zu lernen haben. Wenn wir heute
Abenteuern die verloren gegangene Gartenkunst wieder finden, wenn
angetan, wir imstande sein wollen, unseren Hausgärten jenen be-
galant und strickenden Zauber, jene Anmut, die sie einst, vor hundert
zierlich, in und zweihundert Jahren besafsen, zu geben, wenn wir
Tanzschritt- öffentliche Garten- und Parkanlagen schaffen wollen, die
oder Me- wahrhaft einen Genul's für den Stadtmenschen und eine
nuettbewe- Vermehrung der städtischen Schönheit bedeuten sollen,
gung, alsbe- dann müssen wir unser Auge zu allererst wieder zum
ziehungs- Verständnis jener einsamen und aus Mangel an Bewunde-
reiche Alle- rung und kennerhaftem Verständnis darbenden Schönheit
gorion höfi- erziehen, die in den alten barocken Gärten, wenn auch in
scherLiebos- etwas verwilderten und verwahrlosten Zügen, aufbewahrt
feste.Jupiter ist. Der Tag, an dem diese Entdeckung gemacht sein
ist nicht der wird, wird ein Tag der Freude und der Trauer sein.

Donnerer, Denn er wird uns bei allem Glück über das wieder-
sondern der gefundene Göttergeschenk mit einer tiefen Beschämung
Amphitryon über unsere heruntergekommene Kultur erfüllen, die es
des Moliere, zuwege brachte, dal's wir uns mit den traurigen Karika-
die Musen turen, die unsere meisten Villen- und öffentlichen Stadt-
gleichen den gärten darstellen, zufriedenstellen konnten.
Hofdamen An den barocken alten Gartenschöpfungen mag uns
aus der Zeit die Erkenntnis aufgehen, dal's der kleine Raum grpfs aus-
Lüdwig sehen kann, wenn er streng architektonisch behandelt ist.
XIV., die IHe geschnittenen Laubwäpde, die gerade Linien ergeben,
Götter* dürften das Beispiel dafür geben, wie man städtische
spräche der Anlagen herstellt, dal's sie mitten in der lärmenden Grofs-
Olympier stadt eine

ist Monsieur grüne Insel
und Madame! Wenn die abendlichen Schatten über bilden und
die Gärten sinken, und die lärmenden Kinder, die Dienst- das Gefühl
mädchen, die Soldaten und Liebhaber verschwunden sind, der Bnt-
dann mag es einen dünken, als bewegton sich diese rücktheit
steinernen Gebilde und wandelten die Kieswoge auf und gewähren,
nieder, in Puderperrücke und Reifrock, die Wasser plät- Edle Plasti-
schem als melodische Begleitung zum sanften, tändelnden ken, Denk-
Liebesgeflüster, leise klirrt der hegen, Seufzer sterben im mäler,Brun-
verschwiegenen Dunkel der liebestrunkenen Nacht, und neu, Teiche
wenn je ein verspätetes Liebespaar Arm in Arm go- mögen darin
schlungen zwischen den Laubwänden auftaucht, dann würdig auf-
umkleiden es die schlummernden Stimmungen dieser ge- gestellt
heimnisvollen Gärten mit ihrer ganzen Zauberkraft, um! werden,
man mag ein Ewig-Menschliches mit der vergänglichen Nicht nur
Form einer längst entschwundenen Zeit umkleidet sehen, den öffent-
die an diesem Orte lobendig wird. So mag man noch liehen Gär-
ferne Mächte in der Gegenwart nachfühlen, und die Wiedel'- ton, auch
erstehung eines Geistes fühlen, den wir längst verschollen den Haus-
und begraben wähnten. Sicherlich, der Geist, der in gärten dürf-
dioson alten, barocken Gartensehöpfungen lebt, wird wieder ton sie das
seine Auferstehung feiern. Nicht die Götterpose, nicht die beherzigens-
mytholigischen Allüren, nicht der Reifrock oder die Puder- werte Bei-
perücke, überhaupt nicht, was zeitlich, oder was Modo ist, spiel vorAu-
und daher rasch hinwolkelnder Vergänglichkeit unterworfen, gen rücken,
sondern die ewig menschlichen Grundprinzips, die, auf die wie man den
materielle Umgebung angewendet, Kunstprinzipe heifson, Raum ergie-
dio zwar auf Zeiten vergossen werden, aber eigentlich nie big ausniit-
verloren gehen können. Wir haben nun freilich heute zen kann.
 
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