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Die Gartenkunst — 8.1906

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Schneider, Camillo: Landschaftliche Gartengestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0196

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viii, 9

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183

Die erste und klarste „natürliche Forderung" lautet
dahin, dafs wir an einem bestimmten Orte nur solche
Naturvorbilder zugrunde legen dürfen, deren Gedeihen und
Erhaltung unter den obwaltenden Umständen gesichert
erscheint. Denn es ist einleuchtend, dafs wir mit unserem
Pflanzenmaterial nur dann den gewünschten Effekt er-
zielen, wenn es sich in bester Weise entwickeln kann.
Wir prägen mithin die Grundlinien, die Massen, welche
die landschaftlichen Charaktere zum Ausdruck bringen, aus
Gehölzen, denen die örtlichen Bedingungen vor allem, die
klimatischen, zusagen. Auf den Boden können wir nur bis zu
einem gewissen Grade — denn es kostet meist viel Geld —
verändernd einwirken, wir können seine Zusammensetzung,
seinen Nährstoff- und besonders auch seinen Feuchtigkeits-
gchait regulieren. Das Klima können wir nicht beein-
flussen. Das Nächstliegende ist in jedem Falle, dafs wir
uns auf den Vegetationscharakter der Umgebung stützen,
sofern derselbe eine für unsere Zwecke brauchbare künst-
lerische Steigerung zuläfst; werden wir doch sehr oft
direkt an ihn anknüpfen müssen, wenn er in unserem
Terrain selbst in Erscheinung tritt. Innerhalb einer aus-
geprägten Landschaft, wie etwa der Kieferwaldungen in
Berlins nächster Umgebung, ein völlig abweichendes
Naturmotiv aus einer anderen Gegend (etwa einen mittel-
deutschen Laubwald aus Eiche, Rüster, Heinbuche usw.)
durchzuführen, ein solches Vorhaben würde an den
Schwierigkeiten der Bodenverhältnisse scheitern. Immer-
hin wäre seine Ausführung denkbar, und ich glaube nicht,
dafs man vom künstlerischen Standpunkte etwas dagegen
einwenden könnte. Sofern nur der Park grofs genug ist,
dafs innerhalb seiner Grenzen diese anderen Waldcharaktere
zum Ausdruck kommen. Etwas ähnliches hat ja übrigens
Puckler in Muskau getan.

Natürlich ist es viel billiger — und die Geldfrage
spielt bei einer grofsen Anlage bei uns stets die ent-
scheidende Rolle — wir bleiben beim Grundmotiv des
Kiefernwaldes. Dies führen wir dann gleichsam durch
Stilisierung über sich selbst hinaus und durchspinnen
das Ganze mit den uns heute zu Gebote stehenden brauch-
baren Elementen aus ähnlichen Vegetationsformen anderer
Erdteile. Durch Wechsel in den Pflanzungen, Ersatz der
heimischen Arten durch ihre verwandten Auslandsformen,
können wir, ohne oder mit ganz wenig Beeinflussung der
Bodenverhältnisse, total verschiedene Wirkungen hervor-
rufen. Eine Anlage in diesem letzten Sinne ist meines
Wissens bisher noch nirgends durchgeführt worden. Doch
linden wir z. B. in Ohlsdorf ganze Partien aus fremden,
dort ausgezeichnet gedeihenden Nadelhölzern aufgebaut,
die ganz eigenartig in ihrem machtvoll geschlosseneu
Hervortreten wirken. Ich erinnere ferner an die bekannten
Weinheimer Sequoia-Wälder, die für uns ebenfalls höchst
lehrreich sind.

Wir können alle unsere heimischen Arten durch eben-
bürtige Fremdlinge ersetzen, sehr oft sogar durch schönere
und vor allem auch schnellwüchsigere. Anstatt nun aber
zu dem Richtigen zu greifen, werden uns immer wieder
die billigen Thuja vorgesetzt, jene Lebensbäume, die nur
in seltenen Fällen sich mit Glück verwenden lassen und

für unsere Landschaft so gar nicht bezeichnend sind.
Doch ich will mich auf dendrologische Einzelheiten dies-
mal nicht einlassen. Davon später, und dann mit Beispiel
und Gegenbeispiel im Bilde.

Bei Pflanzungen gilt immer: Vom Besten das Beste.
Nicht als ob wir die teuersten und seltensten Sachen
nehmen sollten. Kein Gedanke. Die allorgewöhnlichsten
genügen, sofern wir nur beste Exemplare pflanzen. Wir
sehen ja heute so selten eine Hasel, eine Hockenkirsche,
einen Fliederbusch oder gar einen malerischen Hollunder
in wirklich charakteristischer Entwickelung in den Anlagen.
Alles wird zunächst so gepflanzt, dafs es sich überhaupt
nicht naturgemäfs auswachson kann, und dann wird es so
ol'i noch total vorschnitten. Wenn wir die Pflanzung
künstlerisch reformieren wollen, was ja unbedingt nötig
ist, dann müssen wir mit den heimischen Sachen an-
fangen. Wer rocht verschiedene Baumtypen in ganz vor-
züglicher Entwickelung studieren will, der bleibe mal ein
paar Sommertage in Muskau, da kann er sehen und beur-
teilen lernen, was man mit ei nem Baume dort erreichen kann,
wo wir heute gern Gruppenkonglomerate zu pflanzen pflegen.

Wenn wir nun wieder, oder eigentlich überhaupt erst
beginnen, unsere Heimat gründlich auf ihre Vegetations-
charaktere hin durchsehen, dann mufs ganz von selbst
eine andere, künstlerische und dabei naturgemäfse Pflanz-
weise bei Gehölzen wie Kräutern Platz greifen. Dann
fällt jede Regel, jede Schablone. Jeder findet andere, ihn
besonders fesselnde, seiner künstlerischen Anschauungs-
weise zusagende Vorwürfe und baut danach seine Anlagen
individuell auf.

Sciion viele Male habe ich betont, wie bedeutungsvoll
der im Berliner Viktoriaparke von Mächtig unternommene
Versuch ist, eine bestimmte Naturszenerie — hier also
einen Wasserfall eines mitteldeutschen Gebirges — künst-
lerisch durchzuführen. Warum schreiten wir nicht ganz
energisch weiter auf diesem Wege'' Oder sind wir etwa
schon irgendwo darüber hinausgelangt'? Ich sah nichts
ähnliches. Immer ist man bei der alten Weise stehen
geblieben, „allgemeine" Natur, wenn ich so sagen soll, zu
machen. Man hat eine Art Ideallandschaft konstruiert, die
aber in keiner Weise künstlerisch wiedergegebene Natur
ist, sondern weder Natur noch Kunst. Seitdem ich
Muskau genau kenne, bin ich tiberzeugt, dafs weder
G. Meyer noch seine direkten Schüler — Mächtig aus-
genommen — Pückler je erreicht oder übertroffen haben
in grofszügig angelegten landschaftlichen Anlagen. In
neuerer Zeit tritt Willy Lange wieder warm für das
Studium der Natur ein. Ich will ihn nur kurz erwähnen,
da ich seine Bestrebungen später einmal sehr ausführlich
kritisch zu würdigen gedenke.

Meine Zeilen sollen heute damit schliefson, dafs ich
nochmals einen warmen Appell an Alle richte, die sich
dazu berufen fühlen, ihre Meinungen über das Wesentliche
der landschaftlichen Gartengestaltung zu äufsern. In Kürze
werde ich zu spezielleren Dingen Stellung nehmen, um
von neuem zu einer lebhaften Besprechung anregen.

Camillo Karl Schneider.
 
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