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Die Gartenkunst — 8.1906

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Hoemann, Reinhold: Neuzeitliche Bestrebungen auf dem Gebiete der Gartengestaltung: Vortrag gehalten auf der Nürnberger Hauptversammlung der D.G.f.G. am 19. August 1906
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VIII, 11

DIE GARTENKUNST

207

Zeit- und Streitfragen.

Neuzeitliche Bestrebungen auf dem Gebiete der
Gartengestaltung.

Vortrag gehalten auf der Nürnberger Hauptversammlung der
D. G. f. G. am 19. August 1900
von

B. Hoemann, Düsseldorf.

Wie auf allen Gebieten der Kunst und des Kunst-
gewerbes, so setzte auch bei der Gartenkunst, und zwar
erst in den letzten Jahren, eine Reformbewegung ein,
deren Ziel es war, Rückständiges zu beseitigen, neues
vollwertiges Gutes aber an dessen Stelle zu bringen.

Diese neuzeitlichen Bestrebungen einmal in Zusammen-
hang, in ihrem Wesenszuge kurz zu betrachten, ist der
Zweck meiner heutigen Ausführungen.

Bis zum Einsetzen dieser Reformbewegungen galt für
die Gartengestaltung im grolsen und ganzen jene Auf-
fassung für die allein richtige, welche Meyer in seinem
bekannten Werke „Die schöne Gartenkunst" niedergelegt
hatte. Trotzdem in Fachkreisen zuweilen in Wort und
Tat ein Streben zu merken war, welchos dahin ging, sich
von dorn Schema, welches fast überall auf Grund der in
jenem Werke schulmäfsig niedergelegten Lehren sich ent-
wickelt hatto, zu befreien, so waren diese Bestrebungen
doch von einem durchschlagenden Erfolge nicht begleitet.

Der erste wirklich kräftige und wirkungsvolle Hieb
gegen diese Schablone wurde von einem Nichtgärtner, dem
Maler und Kunstliteraten Professor Schultze-Naumburg
geführt. Was dieser Mann uns in seinem Werke „Kultur-
arbeiten. Band II. Gärten" gab, dafs war nach meiner
persönlichen Auffassung allerdings eine Kulturarbeit, und
zwar eine von frischem, lebendigem Geiste durchwehte.
Wer die ernste, eine gesunde Entwickohing echten wahren
Kunstsinnes und Kunstverständnisses erstrebende Zeitschrift
„Der Kunstwart" von Avenarius, eine Zeitschrift, deren
Studium ich jedem von Ihnen warm empfohlen möchte,
kannte, dem waren Bruchstücke dieser Ausführungen
Schultze-Naumburgs längst nicht mehr neu. Schultze-
Naumburg erkannte, wie ein irre geleiteter Geschmack
auch in unseren Gärton nur allzu oft wahre und edle
Schönheit ausrotteto, er machte daher den Vorsuch, zurück-
zuführen zu jenem Schönen, was er verloren glaubte.
Schultze-Naumburg sagt, die Anlage eines Gartons ist
eine architektonische Aufgabe, er nennt ihn die ver-
menschlichte Form der freien Natur, or stellt den Garten
dar als die Erweiterung des Wohnhauses mit dem Zweck,
dort draussen Aufenthaltsorte zu schaffen, die einer ganz
ausgesprochenen Bestimmung dienen. Es ist Ihnen auch
bekannt, dafs Schultze-Naumburg in seinem Werk nur
die architektonische Anlage dos Gartens behandelt, für
„die botanische Anlage", wie or sich ausdrückt, ein
weiteres Werk versprechend. Leider ist dieses Werk bis

heute nicht erschienen. Den Park schliefst Schultze-
Naumburg ebenfalls noch aus, läfst die Frage seiner Ge-
staltung völlig offen. Es erscheint mir nicht nötig, Ihnen
einen Auszug dessen zu geben, was Schultze-Naumburg
lehrt, ich setze voraus, dafs jeder von Ihnen das köstliche
Buch gelesen hat. Ich meine, wir schulden dem Manne
grolsen Dank, dafs or uns und dem grofsen Publikum,
jedem der sehen will, wieder zeigte, welch hohe Schön-
heit dem architektonischen Garten innewohnen kann.

Wir schulden ihm gleichen Dank dafür, dafs er mit
so durchgreifendem Erfolge jene albernen Schoufslichkeiten
eines irregeleiteten Geschmackes brandmarkte. Möchten
seine Worte immer noch weiter hinausdringen, denn auch
heute noch lassen sich solch scheufsliche Lauben, Zement-
pfützen, Grotten, Schlängolwege usw. leider noch als die
oft üblicho Form der Gartengestaltung finden, auch heute
noch werden die Sünden tagtäglich begangen, gegen die
das Werk predigt.

Nächst Schultze-Naumburg war os Lichtwark-
Hamburg, welcher in seinen Gartengedankeu ähnliche
Tondenzen interessant zu besprechen wufste. Lesen wir
einmal in seinem Werkchen „Makartbouquet und Blumen-
straufs", wie er seinen Berliner Freund den in regel-
mäfsigen Zweckformen aufgeschlossenen Garten des Marsch-
bauorn bewundern läfst, wie weist er da so feinfühlend
wieder auf die reichliche oder richtige Verwendung der
Blume hin. Blumen, insbesondere unsere prächtigen
Sommorblumen, gehören in den Hausgarten der deutschen
Frau, und Blumen fehlton in jenen kleinen I lausgärten
mit den Schlängelwegen, der Rasenanlage und der so-
genannten landschaftlichen Bepflanzung, welcho diese
Richtung verdammt, fast ganz.

Ich nenne weiter als Förderer des regelmälsig-tek-
tonisch gegliederton Gartens H. Muthesius, auf dessen
verschiedene Schriften Kollego Heicke im vergangenen
Jahro Sie bereits aufmerksam machte. Was Muthesius
vom regelmäi'sigen Garten sagt, kann man ebenfalls fastWort
für Wort unterschreiben. Muthesius leitet unsere Blicke
nach England hinüber. Schauen wir also einmal in die
Gärten unserer Nachbarn. Wir sehen dann, dafs bei den
Engländern schon vor uns die architektonischen Garten-
formen wieder Aufnahme fanden, der moderne englische
Garten ist der architektonische. Wichtiger aber als diese
Beobachtung ist für uns eine andere. Wir sehen in Eng-
land in jedem besitzenden Manne, in jedem, der ein Haus
und damit einen Garton sein eigen nennt, einen Garten-
und Pflanzenfreund und -Kenner. Tausende und Tausende
von Laien zeigen dort das regste Interesse und volles
Verständnis für alle Gartenfragen, dort arbeitet der Laie
gemeinsam mit dem Fachmann an dem Ausbau seines
Gartens. Der Engländer hat eine wahrhaftige Liebe zur
Gartenkunst, in Vorwendung der Blume im Garten, ins-
besondere der Staude ist er ein Meister.

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