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Die Gartenkunst — 8.1906

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Heicke, C.: Die Nachahmung der Natur in der Gartenkunst, [2]: Vortrag gehalten auf der Nürnberger Hauptversammlung der D.G.f.G. am 19. August 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0246

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VIII, 12

DIE GARTENKUNST

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mehr wie bei allen anderen Anlässen vor kleinlichen
Effektstückchon gehütet worden. Mehr noch als bei der
Anordnung des Pflanzenmaterials müssen wir bei Wasser
und Gestein danach trachten, frei von allen Kleinlichkeiten
und Überladungen der Sache einen Zug ins Grofse und
durch Betonung der wesentlichen Züge Ruhe und Selbst-
verständlichkeit zu geben, sodal's Bedenken gegen die Zu-
lässigkoit an dem betreffenden Orte gar nicht auf-
kommendürfen. Realistisch, aber nicht naturalistisch
mufs in solchen Fällen die Losung sein und es
mufs mehr als sonst zum Grundsatz gemacht werden,
dafs die Natur, wie wir sie draufsen antreffen, nur
den Ausgangspunkt unserer Schöpfungen bilden darf,
woran wir anknüpfen, um unter Beobachtung dessen, was
wir als Gesetzmäl'sigkeit erkannt haben, weiter zu bauen
und eine eigene Schöpfung zu entwickeln, anstatt jode
scheinbare Laune und Inkonsequenz, die uns im Verlauf
von Uferlinien oder im Aufbau von Felsen in der Natur
aufstöfst, zum Vorbild zu nehmen und getreulich nach-
zumachen.

Wenn danach verfahren wird, dann hat man nicht
nötig ängstlich nach Motivierungen zu suchen, um die
Berechtigung solcher Schöpfungen darzutun, wie es z, B.
Encke getan hat, der in dem Bericht zu seinem Volks-
park an der Luxemburgorstrafse in Cöln sagt:

„Die Herstellung künstlicher Felsen grenzt leicht an
das Spielerische. Aber auch da, wo sie schön und natur-
wahr wirken, haftet ihnen leicht der Gedanke des Unwahren,
der Dekoration an. Diesem unangenehmou Beigeschmack
soll der Grundgedanke entgegenwirken, welcher für alle
Felsondarstollungen im Park mafsgebond sein soll, die geo-
logischen Gestaltungen, soweit es ohne allzu grofse Koston
angängig ist, lehrhaft vor Augen zu führen."

Ich meine zu solchen etwas gezwungenen Begrün-
dungen brauchte man nicht zu greifen; ich halte vielmehr
dafür, dal's, wenn Gesteinspartien hergestellt sind unter
Beobachtung dessen, was ich über die Vorbildlichkeit der
Natur vorhin gesagt habe, auch solche Anlagen ihre
künstlerische Berechtigung in sich selbst tragen, sofern sie
schön sind und nicht offensichtlich gegen die Naturwahr-
heit verstol'son.

Von dieser Auffassung vermag mich auch der boi einigen
Kunstschriftstellern gehörte Einwand nicht abzubringen,
dal's solche Darstellungen nicht höher zu bewerten seien
als die Darbietungen im Wachsfigurenkabinett und im
Panoptikum. Ich sollte meinen, dafs eine solche Kritik
nur da berechtigt sei, wo Gestein mit künstlichen Mitteln,
Zement, Trafs u. dgl. vorgetäuscht, nicht aber da, wo
unter Beobachtung der naturgoschichtlichon Schichtung
und Lagerung aus echtem Material ein solcher Aufbau
hergestellt ist. Und was ich hier über das Gostein und
seino Verwendung sage, das hat sinngemäl's auch für
Wasseranlagen im Landschaftsgarten seine Geltung.

Ich könnte in ähnlicher Weise Sie auch noch, mit
entsprechenden Erörterungen Uber Wegeführung, Rason-
und Wiesonanlagen, Aufbau der Gehölzpartien unterhalten,
ich will mir das abor heute versagen.

Zum Schlufs aber noch eins: In gowissom Grade

gelten meine Worte, die ich über die falsche Auffassung
von der Naturnachahmung gesagt habe, nicht nur für den
landschaftlichen Park, sondern auch für den sogenannten
rchitoktonischen Garten. Auch bei ihm darf nicht gegen
die Naturwahrheit, wie ich sie verstanden haben will,
verstofsen werden, wenn wir nicht stilwidrig vorfahren
wollen. Die Naturgesetze können ungestraft auch da nicht
aufser acht gelassen werden. Dadurch wird die Frage, inwie-
weit sich die Gartonanlagen durch, die architektonische Gesetz-
mäl'sigkeit der Bauwerke beeinflussen lassen müssen, nicht
berührt. Ich möchte nur die Unterscheidung zwischen
Gartenanlagen in natürlichem Stil und solchen in archi-
tektonischem Stil fallen gelassen wissen. Ich meine: es
gibt nur einen Stil der Architektur und einen Stil des Gartens,
und der Einflufs des ersten auf den letzten darf auch da,
wo der Garten an Gebäude heranrückt, nicht gröfser sein,
als auch der Einflufs der Architektur auf die Malerei ist.
wenn sie in Gestalt von Wand- und Deckengemälden zur
Verschönerung von Innenräumen beiträgt. Solche Ge-
mälde haben zweifellos Rücksicht auf Ort und Zweck zu
nehmen und dem in ihrer ganzen Auffassung, Kompo-
sition und Durchführung Rechnung zu tragen. Sie werden
anders ausfallen als Staffeleibilder, die ohne Rücksicht auf
irgend welchen architektonischen Einflufs entworfen und
gemalt werden, aber sie werden immer Gemälde bleiben
und die wesentlichen Grundzüge der Malerei nie verleugnen
dürfen.

Der Maler wird in solchen Fällen seino Komposition
zwar in enger Fühlungnahme mit dem Baumeistor ent-
worfen, ohne sich aber das geringste von seiner künst-
lerischen Selbständigkeit nehmen zu lassen.

Solche Grenzgebiete, in denen die einzelnen Künste
viele Berührungspunkte haben und sich beeinflussen,
gibt es zwischen allen Künsten, sie haben da gegenseitig
aufeinander Rücksicht zu nehmen, aber sie dürfen sich
doch nio matoriell vermischen und ihre Selbständig-
keit, d. h. ihren Stil aufgoben. Das hat zuzeiten
nur die Architektur von der Gartenkunst gefordert — aber
meiner Ansicht nach sehr mit Unrecht.

Halte man sich immer vor Augen, dal's die Natur-
nachahmung, soweit sie goübt wird, nio Zweck,
sondern nur Mittel zum Zwock sein darf, dafs das
Naturstudium für den Gartenkünstler höher steht,
als jede schulmäl'sigo Unterweisung, dal's Ver-
stösse gegen die Naturwahrhoit den Gonufs be-
einträchtigen, dal's Naturwahrheit wohl unum-
gängliche Vorbedingung dos Genusses, niemals
abor sein Inhalt sein darf.

Haiton wir ferner immer fest daran, dal's der End-
zweck unserer Arbeit nicht die Wiedergabe wirk-
licher Naturbilder, sondern die künstlerische
selbständige Wiedergabo der Eindrücke von
solchen auf unsere Phantasie ist, dann werden wir
an der Betätigung unserer schönen Kunst allezeit nicht
nur selbst Genufs und Befriedigung haben, sondern auch
anderen Freudo und Gonufs boroiten.
 
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