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Die Gartenkunst — 14.1912

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Staehle, ...: Die Gartenkunst in ihrer Stellung zum Kunst- und Kulturleben unserer Tage: Vortrag
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Engelhardt, Walter von: Korreferat zum Vortrag des Herrn Stähle-Hildesheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0234

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XIV, 15

DIE GARTENKUNST.

227

sie ihr Geschäft mit Zuhilfenahme der Technik als
Massenproduktion. Damit geht natürlich der Original-
wert des Erzeugnisses mehr und mehr verloren. Da
auch die Gartenkunst in weitem Maße in ihr Betätigungs-
gebiet Erzeugnisse des Kunsthandwerkes einbezieht in
Ausschmückungsstücken aller Art, so wird auch sie
von dieser leidigen Tatsache getroffen. Auch sie muß
unter dem Mangel der Frische des Kunstgedankens
mitunter leiden. Ich gedenke hier ganz besonders
der zeitgemäßen künstlerischen Ausgestaltung neuer
Friedhöfe, auf denen eine versöhnende Friedhofs-
stimmung durch die leider oft noch so minderwertige
Grabsteinware abgeschwächt wird. Hier kann nur
eines helfen und das ist die Stärkung eigener Kraft,
die allen denen, die am Garten mithelfen zu bauen
und zu verschönen, neue Anregung geben kann, das ist
die Betonung individueller Kunst, die sich innerhalb
der durch die Zeitforderung gesteckten Grenzen frei
entfalten muß.

In der Raschlebigkeit unserer Zeit finden wir des
Weiteren ein Symptom, das gar leicht eine Vertiefung
und Weiterbildung von Kunstgedanken hemmt. Der
Sensationshunger ist geradezu eine Volkskrankheit ge-
worden. Von einem Extrem geht es zum andern.
Das Bestreben blendend zu wirken schließt eine Ver-
innerlichung des Kunstausdruckes aus. Trotz allen
Strebens ernster Künstler, trotz all ihrer Einsicht, da-
mit der Kunst und dem Kulturfortschritt nicht gedient
zu haben, bleiben so oft die Konzessionen an die
Sensation nicht aus. Nicht daß wir uns eine Wieder-
kehr der gemütlichen Zeit der alten Postkutsche
wünschen möchten, aber doch eine geläuterte Einsicht,
daß wahre Kunst nicht nach äußeren Effekten zu
spähen braucht. Im Grunde genommen kommt es
doch immer darauf an, daß wir, um kunstausübend und
kunstverständig zu sein, auf den Boden einer gesunden
Lebensanschauung uns stellen müssen, aus der ein
richtiges Bemessen des Wertes oder Unwertes des
Menschenwerkes hervorgeht. Dann werden wir nie zu
hoch von materiellen, immer höher aber von geistigen
Gütern halten, dann wird auch die Gartenkunst auf
dem rechten Wege bleiben.

Die Übertreibung der Lebensansprüche führt gar
schnell von der Höhe einer Kunstperiode hinab in
seichte unfruchtbare Gebiete. Ist der Boden der Na-
türlichkeit verlassen, dann schwindet auch damit das
Gefühl für wahre Kunst. Denken wir nun daran, wie
auf die Glanzperiode der italienischen Renaissance-
Gartenkunst und ihrer Nachblüte eine Zeit folgte, die
in spielerischen Effekten sich nicht genug tun konnte.
Im Interesse unserer Gartenkunst müssen auch wir
wünschen, daß unser heutiges Geschlecht der Ver-
suchung, in Üppigkeit zu verweichlichen, zu widerstehen
vermag. Nur dem, der sich selbst seine Existenz
erarbeitet und täglich seine Kräfte in den Dienst der
Menschheit stellt, dem wird die Kunst zu einem unent-
behrlichen Lebensgewinn, der pflegt einen beständigen
Umgang mit ihr. Es kann daher nicht genug auf die

Notwendigkeit einer Einfachheit in der Gartenkunst
hingewiesen werden, die, wie ich es Ihnen schon aus-
führte, aus dem Zweck und einer vernünftigen Lebens-
anschauung heraus entsteht.

Es ist ein gewaltiges Ringen feindlicher und freund-
licher Mächte um das Gedeihen der Moderne. Wir,
die wir die Entwickelung der Gartenkunst im letzten
Jahrzehnt verfolgt haben, gedenken der Kämpfe, die
es gekostet hat, Moderne zu werden. Bei der immer
deutlicheren Reliefbildung unserer Zeit wurden es immer
mehr derer, die Verständnis für ein Neuwerdendes der
Gartenkunst erhielten und immer mehr erweitert sich
dieser Kreis zu einem geschlossenen Vorgehen gegen
die minderwertige Qualität unkünstlerischer Erzeugnisse,
gegen alle diejenigen, die nicht aus Liebe zu ihrem
Berufe arbeiten, auch gegen die, die unserer Zeit
fremde Empfindungen unterschieben wollen.

Lassen Sie uns hoch und wichtig von unserer
edlen Kunst denken, damit unser Wirken und Mühen
Anteil gewinnt an der Förderung unserer kunstschaffenden,
lebenswarmen und lebensfrohen Zeit, damit das Ziel
einer einheitlichen Kulturperiode näher und näher rückt
und jeder einzelne unseres Volkes, die zivilisierte
Menschheit ganz allgemein in den Werken der Garten-
kunst Lebensbereicherung und Lebenserquickung findet.

Korreferat zum Vortrag des Herrn Stähle-Hildesheim.

W. v. Engelhardt, Düsseldorf.

M. H. Wir danken unserm Redner für die treff-
lichen Worte, die er zu uns gesprochen, Worte die
getragen waren von einem selten zuversichtlichen Op-
timismus. Die Neigung, vornehmlich die besten Seiten
der Dinge und Ereignisse hoffnungsfroh ins Auge zu
fassen und jeden Fortschritt in gesunder Richtung
dankbar zu begrüßen, scheint mir eine unerläßliche
Bedingung zu sein für jeden, der die Weiterentwicke-
lung unseres Lebens, seine Ausgestaltung und Durch-
bildung mit der Tat zu fördern gewillt ist. Wem die
Fähigkeit mangelt, mit frohem Auge die dunkeln
Schatten des Tages zu durchleuchten, die trüb und
dicht lagernden Wolkenschichten träg-stumpfer Sinn-
lichkeit, blasierter Resignation mit mutigem Blick zu
durchdringen ■— wem diese Fähigkeit mangelt, von
dem können wir nicht erwarten, daß er Werte schafft,
die uns fördern und dem Ziele näher bringen; denn
ihm fehlt die vorwärtsdrängende Zielstrebigkeit. Ich
glaube hierin mit unserm Redner übereinzustimmen,
und ich hoffe, wir werden uns auch dann Verständnis
entgegenbringen, wenn wir neben der anerkannten Da-
seinsberechtigung und Fruchtbarkeit des Optimismus
der Wichtigkeit seiner Revision gedenken und prüfen,
ob dieser Optimismus allein imstande ist, das künst-
lerische Wollen unserer Zeit ans Ziel zu führen, oder
ob noch ein Anderes hinzukommen muß, um die
Richtung künstlerischen Wollens und die Art
künstlerischen Schaffens mit zu beeinflussen. „Im
 
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