Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0020
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Frühes Mittelalter bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts

ersten Episode begrüßt Abraham — weißes Kleid, roter Mantel —, in einem architektoni-
schen Gehäuse sitzend, in der Linken ein leeres Spruchband, die Rechte zum Segen erhoben,
die göttliche Erscheinung, die in einer Art liegender Mandorla schwebt28). Rechts nehmen
die drei Engel in weißen Gewändern mit rotem bzw. gelbem Mantel —• der dritte in der
Tracht eines Diakons trägt eine gelbe, rot gemusterte Dalmatika mit rotem Überwurf —
Aufstellung. In der zweiten Episode vollzieht sich die Bewirtung der Engel (Abb. 2a). Dies-
mal sitzt Sara abseits in dem Architekturgehäuse, mit der Bereitung und Darreichung der
Speisen beschäftigt. Abraham empfängt aus ihrer Hand Brot und Wein. Die drei Engel las-
sen sich am reich gedeckten Tische nieder. Der stilisierte Baum trennt die Episode von der
dritten Szene, dem Gang zum Opfer. Abraham schreitet mit zurückgewandtem Haupte vor-
auf, in den Händen Fackel und Schwert. Isaak wandert hinterdrein, auf der schmächtigen
Schulter ein mächtiges Bündel Scheite. Den Abschluß bildet der den Esel führende Knecht.
Wiederum trennt der stilisierte Baum die Episode von der vierten Szene, dem Opfer. Abra-
ham schwingt, hoch aufgereckt, in der Rechten das Schwert, die Linke krallt sich in das
Haar des knienden Knaben. Zu Füßen des Baumes steht ein Opfertier, zu Häupten schwebt
der Bote des Ewigen im Halbkreis. Im letzten zweifellos monumentalsten Bilde durchbohrt
der schildbewehrte St. Michael mit der Lanze den Drachen (Abb. 3). Abschließend erscheint
rechts ein breiter Mäander in Blau und Grün, Rot und Gelb getönt. Die trennenden und be-
gleitenden Schriftbalken glossierten mit mehrfachen Wirkfehlern in lateinischer Sprache den
jeweiligen Vorgang. Der Stil ist streng zeichnerisch, die Figuren sind wie flache Reliefs fries-
artig aneinander gereiht, die Handlung ist gleichsam erstarrt. Die Modellierung, insbeson-
dere die Wiedergabe der Gewänder, ist fast durchgängig durch ein System von Linien
ersetzt, das mit den Körperformen keinerlei Zusammenklang erstrebt, das ausgesprochen
hartornamental wirkt, in dem die starken Hauptkurven durch dünne Parallellinien unter-
strichen werden, das in der Fältelung des Tischtuches am der Tafel der Engel in den
Formen geradezu versteinert. Lassen sich Tiefenandeutungen, wie bei dem Tisch, oder aus-
gesprochene Bewegungen nicht umgehen, so hilft sich der Zeichner durch Umklappen der
Teile in die Fläche. Die Abkehr von der Wirklichkeit, die abstrakte Härte, wird durch die
Wahl der Farben vertieft und unterstrichen. Der Bart Abrahams ist blau und weiß ge-
teilt, der Körper des Esels ist rot, das eine Hinterbein gelb; die dunklen Gewänder sind
weiß gesäumt; das Weiß der Kleider hebt sich gespenstig von dem Grün des Hintergrundes
usw. Eine unmittelbare Verbindung mit Werken der Wand-, Buch- oder Glasmalerei läßt
sich m. E. nur beziehungsweise konstruieren, insofern, als die Eigentümlichkeiten des
übertrieben linearen sächsischen Stiles aus der Mitte des 12. Jahrhunderts deutlich er-
kennbar sind. H. Schmitz29) plädiert für das erste Drittel des 12. Säkulums und zieht zum
Vergleiche das um 1100 geschriebene, aus dem Kloster Altenzelle stammende Psalterium
der Leipziger Universitätsbibliothek30) und die nur unvollkommen erhaltenen Malereien in
Idensen bei Wunstorf (Petruslegende, um 1130), sowie verschiedene Plastiken, wie die
Äbtissinnengräber in Quedlinburg und die um 1120 entstandene Kreuzesabnahme der
Mönche des Klosters Abdinghof (Externsteine im Teutoburger Wald), schließlich die
Bronzereliefs der Bernwardtür am Hildesheimer Dom (1015) und eine Reihe weiterer
Beispiele zum Vergleiche heran. Die Ausführungen des Autors verfolgen im wesentlichen
den Zweck, das allgemeine Milieu zu skizzieren.

Schärfer legt sich Max Creutz fest31), der den Paderborner (um 1100) und den noch
früheren Abdinghofer Tragaltar der Werkstatt des Rogkerus von Helmarshausen — der
vermutliche Verfasser der Schedula diversarum artium —32) zuschreibt, diese Werke
wiederum stilistisch mit dem Halberstädter Abrahamsteppich in Verbindung bringt und
schließlich seine Ausführungen durch die angebliche Übereinstimmung der in der Sche-
dula des Theophilus angegebenen Farbenmischungen stützt.

6
 
Annotationen