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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0021
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Frühes Mittelalter bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts

B. Kurth33) widerspricht der Hypothese m. E. mit Recht. Tatsächlich zeigt die Gegen-
überstellung der Rogkerus zugeschriebenen, ausgeprägt zeichnerisch, wenn auch bewegter
erfaßten (früheren) Arbeiten34) mit den Gestalten des Teppichs eine so weitgehende Ab-
weichung, daß von der Werkstatt des Helmarshausener Meisters als Urheber des Teppich-
kartons keine Rede sein kann, trotz der noch leisen Anklänge an die späte ottonische
Malerei und Plastik. Weder der gelockte wellige Typ der Haare und Bärte des Rogkerus,
noch der Schnitt der Gesichter — Augen, Ohren, Mund — kehren in den Figuren des
Abrahamsteppichs wieder usw. Über die Farbvorschriften der Schedula zu diskutieren,
erübrigt sich. Die Angaben der Schedula sind für die Wandmalerei wesentlich, für die
Bildwirkerei belanglos, schon aus dem einfachen Grunde, weil der Färbereitechnik des
12. Jahrhunderts die komplizierteren Nuancen, die Rogkerus z. B. für das Gesichtsinkarnat
verlangt, überhaupt nicht zur Verfügung standen. Der Wirker hatte sich auf einen fest-
stehenden Farbenzirkel zu beschränken. Es erscheint mehr als fraglich, ob überhaupt den
Wirkerinnen ein tondg genau durchgeführter Karton zur Verfügung stand, oder ob nicht
vielmehr die Freude an der Farbe das allein bestimmende Moment war, wobei natürlich
das Grundprinzip der damaligen Wand- und Buchmalerei immer eine gewisse Dominante
behielt. Tatsache bleibt, daß der Stil des Abrahamsteppichs bereits derart linear erstarrt
ist, daß, selbst ein kärgliches Können des Entwerfers vorausgesetzt, die Entstehungszeit
wesentlich später als die Arbeiten des Rogkerus anzusetzen ist. Gewisse Trachtenüberein-
stimmungen, die B. Kurth anführt — das Gewand der sitzenden Sara und das Kleid der
beiden stehenden Frauenfiguren mit den Schriftbändem in einer Miniatur aus dem Glos-
sarium des Bischofs Salomon von Konstanz um 115835) gehen ziemlich zusammen —,
sprechen für die Entstehung des Teppichs in dem dritten Viertel des 12. Säkulums. Weitere
Parallelen, die die Verfasserin heranzieht — Miniatur aus der Evangelien-Handschrift. Mscr.
A. 94. Staatsbibliothek Dresden, Bibel zu Hamersleben in der Bibliothek des Domgym-
nasiums zu Halberstadt, hinzu käme noch das sogenannte Heinninger Evangeliar im
British Museum, London36), sogenannte Grabfigur Widukinds in Enger bei Herford,
Reliefs der heiligen Grabkapelle zu Gernrode, Grabstein des Erzbischofs Friedrich von
Wettin im Magdeburger Dom, die Stuckapostel der Westempore von Groningen im Berliner
Kaiser-Friedrich-Museum usw. —, zeigen gewisse Berührungspunkte, bei der erstgenannten
Miniatur und der sog. Widukind-Figur stärker ausgeprägte Übereinstimmungen namentlich
in Hinsicht auf die für den Abrahamsteppich charakteristischen Bildungen der Gewänder
und des Tischtuches, den rhombischen Tütenfalten, den im starren Zickzack fallenden
Gewändern; unmittelbar zu verwertende Beweise für einen klaren Schulzusammenhang,
der mit Sicherheit zu der für den Abrahamsteppich benutzten Quelle führt, bringen sie
nicht.

Die Hauptschwierigkeiten, die einer bestimmten Einreihung im Wege stehen, sind eines-
teils in dem minderen Können der Zeichner, andernteils in der ungeübten Technik der
ausführenden Wirkerinnen zu suchen. Der Entwurf erweckt den Eindruck, als sei er nicht
nach einheitlichen Gesichtspunkten komponiert, sondern an Hand von Miniaturenvorlagen
mühsam zusammengestellt. Weitaus am unmittelbarsten verrät den Einfluß einer illu-
minierten Schrift die Gestalt des St. Michael mit dem im Vergleich zu den anderen Ge-
stalten ungewöhnlich kleinen Kopf. Wahrscheinlich handelt es sich um eine glatte Kopie.
Am unklarsten gibt sich die erste Episode, die deutlich in zwei Vorlagen zerfällt: 1. Abra-
ham im Gehäus und die göttliche Erscheinung, ein Motiv, für das es nicht an geeigneten
Vorbildern fehlte, 2. die drei Engel, die in der gequälten Anordnung allzu deutlich die Hem-
mungen verraten, mit denen der Zeichner zu kämpfen hatte. Das Motiv der Gehäus-Figur
wird im zweiten Bilde auf Sara übertragen; Abraham ist wenig glücklich zwischen dem
Hochsitz und den tafelnden Engeln, für die ein klares Vorbild vorhanden gewesen sein

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