Basel
3. Die Basler Wirkereien und ihre Ausläufer.
a) Wirkereien mit Fabeltieren, ohne und mit Begleitfiguren.
Liebes - und Wildleute-Teppiche.
Die zweite große Gruppe, die Heidnischwirkereien mit Fabeltieren, mit und ohne Be-
gleitfiguren, sind noch heute in charakteristischen Beispielen vertreten. Zunächst kommen
drei, ursprünglich als fortlaufende Bahn gewirkte Teppiche39) (Abb. 6, H. 0,78 m, L. 6,25 m)
im Historischen Museum zu Basel in Betracht. Die Arbeit ist mittelfein (6 Kettfäden auf den
Zentimeter), als Einschlagmaterial dient lediglich Wolle. Sie stammen aus dem Besitz des
Geschichtsforschers Quiquerez, der sie 1880 in der Nähe von Delsberg (Kanton Bern) von
einem Fuhrmann erwarb40).
Die Behänge sind zweifellos alter oberrheinischer Besitz. Eine Dame im blauen Gewand
mit roten Unterärmeln, auf dem Haupte die Blumenkrone der Jungfrau, führt an einer
Kette ein gehörntes Fabeltier (grün-rot mit gelben Krallen), das sie mit einem Blütenzweige
antreibt. Es folgt ein Jüngling in rotem reichgezattelten Gewand mit blauen Ärmeln, grü-
nen und blauen Beinlingen, gelben und braunen Schuhen, der mit einem Holunderzweig
auf ein seltsames rot-grün-blaues Getier mit charakteristischen Eberzähnen einhaut. Als
dritte Figur erscheint wiederum eine Jungfrau, diesmal im grünen, rot gefütterten Zattel-
kleid, die einen Agleizweig als Peitsche gegen ein basiliskenartiges Ungetüm (blau-rot-gelb)
schwingt, während ihr Partner, die vierte Gestalt, im blauen, rotgezattelten Rock mit hell-
grünen Unterärmeln und grünem Hut, grünem und rotem Beinling, gelben und rosa
Schuhen drohend den Nelkenzweig einem rot-gelben Fabeltier mit Bockshörnern und
Bocksbart entgegenhält. Im letzten Abschnitt findet sich wiederum ein Paar: die Dame mit
rotem, grün gefüttertem Zattelkleid und blauer Zattelhaube, die ein blau-rotes Fabelwesen
an langem braunem Hörne (Einhorn) leitet, der barhäuptige Jüngling in grünem, pelzver-
brämtem Gewand mit roten Unterärmeln, roten und blauen Beinlingen, braungelben und
blauen Schuhen, der als Geißel den Holunderzweig gegen ein rot-blaues Ungetüm mit
Pferdekopf führt. Die Grundfarbe ist ein tiefes Blau, überdeckt von grünem, schmalblätt-
rigem Rankenwerk mit blauen und roten Blüten, belebt von Vertretern der Vogelwelt (Ente,
Falke usw.).
Die Technik des dreiteiligen Behanges weicht, wie der erste Augenschein lehrt, vollkom-
men von den niederländisch-französischen Werkstattgepflogenheiten ab. Es fehlt als typi-
sches Merkmal jedweder Versuch, die Farbenübergänge mit Hilfe von Schraffen zu gewin-
nen. Die Töne sind, zumal in den Gewändern, in langen schmalen Streifen, die sich den
jeweiligen Konturen anpassen, unmittelbar nebeneinander gelegt, sofern nicht Faltenandeu-
tungen, als Striche gesetzt, eine gewisse Loslösung bedingen.
Der typische niederländische Farbenzirkel — Rot löst sich in Weiß, Blau in Weiß, Grün
in Gelb usw. — ist unbekannt, als Lichtnuance dient eine hellere Tönung der dunkleren
Schattenfarbe, d. h. dunkelblau zu hellblau, tiefrot zu mattrot usw. Die in den Bildwirker-
zentren des Westens durchgängig übliche Konturierung der Figuren durch kräftige,
schwarzbraune Umrißlinien fällt fort; wenn Konturfassungen auftreten (bei Blumen und
Gesichtern, den Beinlingen der Herren und den Krallen der Fabeltiere), so dienen sie ledig-
lich koloristischem Effekt — rote Fassung der gelbbraunen Krallen, hellblaue Umrißlinien
der dunkelblauen Blüten —, nicht aber den Zwecken zeichnerischer Zusammenschließung,
bildlicher Klärung. Die Durcharbeitung der Gesichtszüge, das schwierigste Kapitel der Bild-
niswirkerei, erfolgt mit denkbar primitiven Mitteln. Die Augen werden durch ein in gelb-
licher Wolle gezeichnetes Spitzoval gerahmt, die Pupillen als schwarzer Farbenfleck in die
Eckwinkel gesetzt, die Nase wird in einem Linienzug durchgeführt mit angrenzender brau-
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3. Die Basler Wirkereien und ihre Ausläufer.
a) Wirkereien mit Fabeltieren, ohne und mit Begleitfiguren.
Liebes - und Wildleute-Teppiche.
Die zweite große Gruppe, die Heidnischwirkereien mit Fabeltieren, mit und ohne Be-
gleitfiguren, sind noch heute in charakteristischen Beispielen vertreten. Zunächst kommen
drei, ursprünglich als fortlaufende Bahn gewirkte Teppiche39) (Abb. 6, H. 0,78 m, L. 6,25 m)
im Historischen Museum zu Basel in Betracht. Die Arbeit ist mittelfein (6 Kettfäden auf den
Zentimeter), als Einschlagmaterial dient lediglich Wolle. Sie stammen aus dem Besitz des
Geschichtsforschers Quiquerez, der sie 1880 in der Nähe von Delsberg (Kanton Bern) von
einem Fuhrmann erwarb40).
Die Behänge sind zweifellos alter oberrheinischer Besitz. Eine Dame im blauen Gewand
mit roten Unterärmeln, auf dem Haupte die Blumenkrone der Jungfrau, führt an einer
Kette ein gehörntes Fabeltier (grün-rot mit gelben Krallen), das sie mit einem Blütenzweige
antreibt. Es folgt ein Jüngling in rotem reichgezattelten Gewand mit blauen Ärmeln, grü-
nen und blauen Beinlingen, gelben und braunen Schuhen, der mit einem Holunderzweig
auf ein seltsames rot-grün-blaues Getier mit charakteristischen Eberzähnen einhaut. Als
dritte Figur erscheint wiederum eine Jungfrau, diesmal im grünen, rot gefütterten Zattel-
kleid, die einen Agleizweig als Peitsche gegen ein basiliskenartiges Ungetüm (blau-rot-gelb)
schwingt, während ihr Partner, die vierte Gestalt, im blauen, rotgezattelten Rock mit hell-
grünen Unterärmeln und grünem Hut, grünem und rotem Beinling, gelben und rosa
Schuhen drohend den Nelkenzweig einem rot-gelben Fabeltier mit Bockshörnern und
Bocksbart entgegenhält. Im letzten Abschnitt findet sich wiederum ein Paar: die Dame mit
rotem, grün gefüttertem Zattelkleid und blauer Zattelhaube, die ein blau-rotes Fabelwesen
an langem braunem Hörne (Einhorn) leitet, der barhäuptige Jüngling in grünem, pelzver-
brämtem Gewand mit roten Unterärmeln, roten und blauen Beinlingen, braungelben und
blauen Schuhen, der als Geißel den Holunderzweig gegen ein rot-blaues Ungetüm mit
Pferdekopf führt. Die Grundfarbe ist ein tiefes Blau, überdeckt von grünem, schmalblätt-
rigem Rankenwerk mit blauen und roten Blüten, belebt von Vertretern der Vogelwelt (Ente,
Falke usw.).
Die Technik des dreiteiligen Behanges weicht, wie der erste Augenschein lehrt, vollkom-
men von den niederländisch-französischen Werkstattgepflogenheiten ab. Es fehlt als typi-
sches Merkmal jedweder Versuch, die Farbenübergänge mit Hilfe von Schraffen zu gewin-
nen. Die Töne sind, zumal in den Gewändern, in langen schmalen Streifen, die sich den
jeweiligen Konturen anpassen, unmittelbar nebeneinander gelegt, sofern nicht Faltenandeu-
tungen, als Striche gesetzt, eine gewisse Loslösung bedingen.
Der typische niederländische Farbenzirkel — Rot löst sich in Weiß, Blau in Weiß, Grün
in Gelb usw. — ist unbekannt, als Lichtnuance dient eine hellere Tönung der dunkleren
Schattenfarbe, d. h. dunkelblau zu hellblau, tiefrot zu mattrot usw. Die in den Bildwirker-
zentren des Westens durchgängig übliche Konturierung der Figuren durch kräftige,
schwarzbraune Umrißlinien fällt fort; wenn Konturfassungen auftreten (bei Blumen und
Gesichtern, den Beinlingen der Herren und den Krallen der Fabeltiere), so dienen sie ledig-
lich koloristischem Effekt — rote Fassung der gelbbraunen Krallen, hellblaue Umrißlinien
der dunkelblauen Blüten —, nicht aber den Zwecken zeichnerischer Zusammenschließung,
bildlicher Klärung. Die Durcharbeitung der Gesichtszüge, das schwierigste Kapitel der Bild-
niswirkerei, erfolgt mit denkbar primitiven Mitteln. Die Augen werden durch ein in gelb-
licher Wolle gezeichnetes Spitzoval gerahmt, die Pupillen als schwarzer Farbenfleck in die
Eckwinkel gesetzt, die Nase wird in einem Linienzug durchgeführt mit angrenzender brau-
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