Basel
sie entstammen nicht demselben wohl aber einem befreundeten Atelier. Die Lösung der
Gesichtszüge ist bei dem Liebesteppich wesentlich subtiler, die Augen sind nicht in durch-
gehender Linie wiedergegeben, sondern an den Pupillenaußenkanten gebrochen; die Brauen
schwingen in nervösem Zug; der Mund verzichtet auf die Kirsohenform; das Kinn ist bei
dem Jüngling eigenwillig verbreitert. Die Pelzverbrämung des Gewandes ist nicht in Flächen
gelöst, sondern, in der Art der frühen Kupferstiche, stricheiförmig erfaßt; die Gewandfalten
liegen sinngemäßer, dabei im Schema einfacher, der Gesamteindruck ist toniger.
Allen bisher besprochenen Behängen liegen Kartons zugrunde, die sicherlich nicht auf die
Kunstfertigkeit der Heidnischwirkerinnen zurückzuführen sind, die Meistern ihre Entste-
hung verdanken, die eingehendste Kenntnis der ortsüblichen Bildwirkerei besaßen, die ge-
nau wußten, wie die Gewänder, die Blütendolden zu zeichnen waren, um eine Fanbentech-
nik so ausgeprägter Art zu ermöglichen. Die oberrheinische Tafelmalerei gibt uns keinen
Aufschluß. Die Miniaturen kommen nur allgemein zur Beurteilung der Eigenart der Klei-
dung, nicht aber, wie z. B. im Westen, als unmittelbare Vorlagen in Betracht. Um Glasmaler
kann es sich aus den früher erörterten Gründen — Umfassungskonturen usw. — ebenso-
wenig handeln. Es muß m. E. eine Sondergruppe von Heidnischwerkbildzeichnern bestan-
den haben, die eher in der Reihe der Fassadenmaler, vielleicht auch unter den Goldschmie-
den zu suchen ist. Rückschließend von der Sonderheit der Technik, müssen leicht kolorierte
Federzeichnungen zugrunde gelegen haben, die ihre Motive, dem Wesen der Wirkerei an-
gepaßt, gleichzeitigen Stichen, vielleicht auch den flächigen zeichnerischen, nicht male-
rischen Buchillustrationen entlehnten. Die geringe Abwandlung der Figuren beweist zur
Genüge, daß die Zahl der Modelle beschränkt war, daß völlige Neuschöpfungen nur ungern
und selten zur Durchführung gelangten. Burckhardt denkt, von den Trachten ausgehend,
an den Meister der Spielkarten49) und an das oberrheinische Kartenspiel in Stuttgart50),
ohne die endgültige Lösung zu finden. In Gewand und Haltung ähnliche Figuren, z. B. in
den Stichen des Meisters der Weiberlist51), lassen sich mehrfach feststellen; die charakteri-
stische Frische der Tierteppiche findet sich bislang nirgends in so typischer Form. Die ein-
zige Möglichkeit, die eine Klärung bringen könnte, liegt in der eingehenden örtlichen
urkundlichen Forschung, die uns das Bestehen einer oberrheinischen, wohl Basler Teppich-
zeichnerschule verbürgt und erläutert.
Suchen wir an Hand der künstlerischen und technischen Eigenarten nach weiteren Be-
hängen, so kommt als nächstes Stück ein Streifen mit Jungfrauen und Tieren (Abb. 7b,
H. 0,52 m, L. 2,85 m) in der Altertumssammlung Villingen52) in Frage, der, den Trachten
nach zu urteilen, etwa ein Jahrzehnt nach den Basler Tierteppichen entstanden sein
dürfte53). Die Wirkerei gliedert sich in fünf, durch schmale Streifen getrennte rechteckige
Felder. Im ersten Abschnitt sitzt eine Jungfrau am Felsenhang — die Schroffen haben eine
starke Ähnlichkeit mit Baumstümpfen —, eine Quelle sprudelt; zwei Kinder, eins nackt
(rechts), das andere mit einem Heinde bekleidet, dienen als Begleitfiguren. Die drei folgen-
den Rechtecke bringen in verschiedener Farbengebung wiederkehrend ein und dasselbe
Motiv — Mädchen und Löwe (Sinnbild der Stärke und Treue) —, das durch das Spruch-
band:
„ich • wil • di • velt : Ion
und • wil • mich ■ zuo ■ dem • löven • hon •"
glossiert wird. Das letzte Feld zeigt eine Jungfrau, diesmal in stehender Haltung, einen Blu-
menzweig in der Hand, vor ihr einen in der Zeichnung allzu klein geratenen Hirsch. Ran-
kenwerk — in den beiden ersten Feldern Rosa auf Rot, in den drei letzten Abteilungen
Grün auf Blau — deckt den Grund. Der Sinn der Darstellung entspricht den gängigen An-
schauungen des Physiologus und der ihm angegliederten Literatur. Die Jungfrau verzichtet
auf die Freuden der Welt, sie kehrt zur Natur zurück, zur Unschuld des Kindes, symbolisch
Gabel, Wandteppiche III.
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sie entstammen nicht demselben wohl aber einem befreundeten Atelier. Die Lösung der
Gesichtszüge ist bei dem Liebesteppich wesentlich subtiler, die Augen sind nicht in durch-
gehender Linie wiedergegeben, sondern an den Pupillenaußenkanten gebrochen; die Brauen
schwingen in nervösem Zug; der Mund verzichtet auf die Kirsohenform; das Kinn ist bei
dem Jüngling eigenwillig verbreitert. Die Pelzverbrämung des Gewandes ist nicht in Flächen
gelöst, sondern, in der Art der frühen Kupferstiche, stricheiförmig erfaßt; die Gewandfalten
liegen sinngemäßer, dabei im Schema einfacher, der Gesamteindruck ist toniger.
Allen bisher besprochenen Behängen liegen Kartons zugrunde, die sicherlich nicht auf die
Kunstfertigkeit der Heidnischwirkerinnen zurückzuführen sind, die Meistern ihre Entste-
hung verdanken, die eingehendste Kenntnis der ortsüblichen Bildwirkerei besaßen, die ge-
nau wußten, wie die Gewänder, die Blütendolden zu zeichnen waren, um eine Fanbentech-
nik so ausgeprägter Art zu ermöglichen. Die oberrheinische Tafelmalerei gibt uns keinen
Aufschluß. Die Miniaturen kommen nur allgemein zur Beurteilung der Eigenart der Klei-
dung, nicht aber, wie z. B. im Westen, als unmittelbare Vorlagen in Betracht. Um Glasmaler
kann es sich aus den früher erörterten Gründen — Umfassungskonturen usw. — ebenso-
wenig handeln. Es muß m. E. eine Sondergruppe von Heidnischwerkbildzeichnern bestan-
den haben, die eher in der Reihe der Fassadenmaler, vielleicht auch unter den Goldschmie-
den zu suchen ist. Rückschließend von der Sonderheit der Technik, müssen leicht kolorierte
Federzeichnungen zugrunde gelegen haben, die ihre Motive, dem Wesen der Wirkerei an-
gepaßt, gleichzeitigen Stichen, vielleicht auch den flächigen zeichnerischen, nicht male-
rischen Buchillustrationen entlehnten. Die geringe Abwandlung der Figuren beweist zur
Genüge, daß die Zahl der Modelle beschränkt war, daß völlige Neuschöpfungen nur ungern
und selten zur Durchführung gelangten. Burckhardt denkt, von den Trachten ausgehend,
an den Meister der Spielkarten49) und an das oberrheinische Kartenspiel in Stuttgart50),
ohne die endgültige Lösung zu finden. In Gewand und Haltung ähnliche Figuren, z. B. in
den Stichen des Meisters der Weiberlist51), lassen sich mehrfach feststellen; die charakteri-
stische Frische der Tierteppiche findet sich bislang nirgends in so typischer Form. Die ein-
zige Möglichkeit, die eine Klärung bringen könnte, liegt in der eingehenden örtlichen
urkundlichen Forschung, die uns das Bestehen einer oberrheinischen, wohl Basler Teppich-
zeichnerschule verbürgt und erläutert.
Suchen wir an Hand der künstlerischen und technischen Eigenarten nach weiteren Be-
hängen, so kommt als nächstes Stück ein Streifen mit Jungfrauen und Tieren (Abb. 7b,
H. 0,52 m, L. 2,85 m) in der Altertumssammlung Villingen52) in Frage, der, den Trachten
nach zu urteilen, etwa ein Jahrzehnt nach den Basler Tierteppichen entstanden sein
dürfte53). Die Wirkerei gliedert sich in fünf, durch schmale Streifen getrennte rechteckige
Felder. Im ersten Abschnitt sitzt eine Jungfrau am Felsenhang — die Schroffen haben eine
starke Ähnlichkeit mit Baumstümpfen —, eine Quelle sprudelt; zwei Kinder, eins nackt
(rechts), das andere mit einem Heinde bekleidet, dienen als Begleitfiguren. Die drei folgen-
den Rechtecke bringen in verschiedener Farbengebung wiederkehrend ein und dasselbe
Motiv — Mädchen und Löwe (Sinnbild der Stärke und Treue) —, das durch das Spruch-
band:
„ich • wil • di • velt : Ion
und • wil • mich ■ zuo ■ dem • löven • hon •"
glossiert wird. Das letzte Feld zeigt eine Jungfrau, diesmal in stehender Haltung, einen Blu-
menzweig in der Hand, vor ihr einen in der Zeichnung allzu klein geratenen Hirsch. Ran-
kenwerk — in den beiden ersten Feldern Rosa auf Rot, in den drei letzten Abteilungen
Grün auf Blau — deckt den Grund. Der Sinn der Darstellung entspricht den gängigen An-
schauungen des Physiologus und der ihm angegliederten Literatur. Die Jungfrau verzichtet
auf die Freuden der Welt, sie kehrt zur Natur zurück, zur Unschuld des Kindes, symbolisch
Gabel, Wandteppiche III.
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