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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0055
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Basel

, „ich ■ wil ■ uch • bringen • zeessen •
untrw • sond ■ ir ■ gegen ■ mir • vgessen •"

Das letzte Bild schildert die fröhliche Heimkehr. Ein Pärchen sitzt auf dem Erntewagen, ein

Bursche schleppt die letzten Garben heran, der Roßknecht stärkt sich mit tiefem Trunk,

ehe er den Klepper antreibt: .
ene 1 ^ „lond • uch • wol • sin •

kalt • is ■ d' • win ■ "

Der Behang stammt aus dem Schlosse Mileschau in Böhmen, die Vorgeschichte liegt im
Dunkel100). Vergleichen wir die künstlerischen und technischen Eigenarten des Wiener
Ernteteppichs mit den uns bereits bekannten, authentischen Basler Arbeiten, so läßt sich
folgendes feststellen: Für die Komposition dienten Stichfolgen als Vorlage. Die Verbindung
des Ackerns und Kornschneidens illustriert, in allerdings abgewandelter Auffassung, ein
Ulmer Holzschnitt (um 1473) aus dem Boccaccio der Zainerschen Offizin101). Nebenbei be-
merkt zeigen die Ulmer Buchillustrationen noch manche Berührungspunkte mit den Basler
Teppichen. So trägt z. B. die Frau mit Speise und Trank in einem Holzschnitt der lateini-
schen, um 1470 in Ulm entstandenen Ars moriendi den Haarschmuck (umgelegter Zopf)
genau in der gleichen typischen Weise (wattebauschartige aneinander gereihte Strähnen)
wie in den Basler Behängen der gleichen Periode (Ende der sechziger Jahre); die turban-
artigen Kopfbedeckungen finden sich in derselben Form hier wie dort usw.102). Für die
Zuweisung des Wiener Teppichs an die Basler Gruppe spricht die gleiche Art der Durch-
bildung der Gesichter, Hände und Füße — charakteristisch sind die langen Spaltlagen vom
Knöchel zum kleinen Zeh, von der Spanne zum großen Zeh — sowie die Wiedergabe der
Zotteln; geringe Abweichungen zeigt die Bildung des Haares; das Hopfenlaub ist in der be-
kannten Weise in eine dunkle und eine helle Partie zerlegt und durch die Spaltenlage ge-
trennt. Eine technische Sonderheit glaubt B. Kurth103) in der Verflechtung zweier verschie-
denfarbiger Wollfäden zur Erzielung eines mosaikartig aufgeteilten (verzahnten) Musters
— z. B. in dem Hell- und Dunkelrot der Hopfenblüten — zu erkennen; die Verfasserin
findet die gleiche Technik in dem Klagenfurter Bestienteppich und in dem Züricher Frag-
ment (Mädchen mit Liebesknoten) und spricht das Verfahren als typisch oberrheinisch an.
Soweit deutsche Teppiche in Frage kommen, trifft die Feststellung zu; im übrigen kehrt die
gleiche Eigenart auch in den frühen niederländischen Wirkereien wieder; im Laufe des
16. Jahrhunderts vereinfacht sich die Methode, indem der Wirker verschiedenfarbige Seiden
(z. B. weiß und blau für den glitzernden Panzer) auf die gleiche Fliete spult. Abweichend
von der bislang bekannten Basler Technik ist die Wiedergabe der Pferdeleiber. Die wenig
differenzierten Farblagen werden nicht, wie bisher, scharf aneinander gewirkt, sondern
durch Spaltlagen getrennt. ,,A la mode" — dem niederländisch-französischen Kunstkreise
entnommen — lugen die fleischfarbenen kleinen Frauenbrüste keck aus dem Gewirr der
Zotteln. Einen Anklang an die elsässische Bildwirkerei verrät der bunte Blattkranz der
mähenden Wildfrau; die lichtblauen Blätter rahmen rosa Konturen. Vergleichen wir die
Durchbildung des Bodens, — die Ackerkrume stellt Entwerfer und Wirker vor eine neu-
artige Aufgabe — mit dem uns bekannten Blumenrasen, so ist zunächst von einer Ver-
wandtschaft wenig zu verspüren. Auch die blühenden Pflanzen auf dem unbeackerten Teil
ähneln nur entfernt den Gewächsen der Frankfurter (Sigmaringer) Behänge. Der Flecht-
zaun beschränkt sich, abgesehen von der landesüblichen Konstruktion, auf den braunen
Holzton — das Gatter des Minnegartenteppichs schlingt blaugraue und weißgelbe Gerten
ineinander —; abwechselnd entsprießen dem Geflecht rote Blumen und grüne Blätter.
Rhythmus und Schwung der Schriftbänder ist der gleiche wie in den (Sigmaringer) Frank-
furter Behängen; die Sprache der Legenden ist ausgesprochen alemannisch. Stilistisch geht
der Wiener Teppich unbedingt mit den voraufbesprochenen Wildleutestücken zusammen;

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