Nordschweiz und Oberrhein (16.—17. Jahrhundert)
läge der um 1530 entstandenen Wirkerei dienten augenscheinlich Holzschnittblätter. Die
beiden langen niedrigen Behänge (Abb. 168, H. 0,535 m, L. 2,23 m + 2,12 m) — Beschnei-
dung, Geburt, Heimsuchung usw. bis zur Anbetung der Könige — im Historischen Museum
zu Basel, stammen angeblich aus dem St.-Urban-Kloster (Kanton Luzern).
Abgesehen von den im vorangegangenen Abschnitt bereits erwähnten religiösen Behängen
verdient Beachtung ein Antependium (Abb. 160b, H. 0,90 m, L. 1,50 m) im Berner Histo-
rischen Museum: Vor einer Burgenlandschaft stehen drei Heilige — St. Wolf gang mit
dem Kirchenmodell, ein Chorherr mit einem nackten Kind zu Füßen und St. Blasius (?)
mit der Kerze. Als Vorlage des im dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts entstandenen
Behanges dienten wahrscheinlich Bibel- oder Chroniken-Illustrationen. Klösterlichen Ur-
sprungs ist ferner das 1590 datierte Antependium im Berliner Schloßmuseum (Abb. 169 a,
H. 0,98 m, L. 1,67 m): Vor lichtblauem Grunde stehen die drei Frauen vor dem leeren Grabe,
Salbgefäße in den Händen; ein Engel hält das blutbefleckte Bahrtuch des Auferstandenen.
Archaistische Distelranken mit dem Ordenswappen und der Hausmarke (vom Krummstab
überhöht) einer Zisterzienser-Äbtissin bilden den seitlichen Abschluß. Als Material dient
Wolle; Zeichnung und Technik sind gleichermaßen rückständig; charakteristisch ist die
stickereiartige Wirkarbeit in den Konturen der Distelborte.
Noch primitiver wirkt die Abendmahlszene der New Yorker Sammlung P. W. French &
Co. (Abb. 169b, H. 0,82 m, L. 1,22 m)30). Die Wahrscheinlichkeit liegt vor, daß das Stück,
wie auch der voraufbesprochene Behang, in einem Kloster des Aargaus (Schweiz) ent-
standen ist. In der Art der einfachen Klosterarbeiten, aber weit mehr im Basler Stil, schil-
dert ein kleiner viereckiger (H. 0,59 m, L. 0,57 m) Behang (Wolle, Seide, Gold und Silber),
datiert 1508 (wahrscheinlich aber 1568), der ehemaligen Sammlung Breitmeyer32) die „Ver-
kündigung": Die Madonna kniet hinter dem gotischen Betpult mit schweren Eisenbeschlä-
gen, der Engel, im Haare den Blumenkranz, naht sich mit dem üblichen um den Stab ge-
schlungenen Spruchband — „Ave gracia plena" —; die Wappen der Solothurner Geschlech-
ter Walier und Roll33) stehen zu Häupten des Bildes. Auf dem Plattenfußboden prangt die
Vase mit den Lilien. Eine schmale geschachte Leiste rahmt das Motiv.
Als Beispiele der mehr handwerksmäßig betriebenen Bildwirkerei — Basel nahestehend
— sind zu erwähnen: „Christus bei Maria und Martha" im Berliner Schloßmuseum
(Abb. 170a, H. 0,68 m, L. 0,65 m, Ende des 16. Jahrhunderts). Außer Wolle sind Seide
und der typisch dicke Goldfaden verwandt. Als Arbeiten der Spätzeit — die Vergröberung
macht immer stärkere Fortschritte — sind u. a. zu nennen eine Gastmahlszene, Jakob und
Esau (1589) aus Muri, jetzt in Gries (Abb. 166b, H. 0,60 m, L. 0,61 m), eine Anbetung der
Könige, datiert 1597, im Züricher Landesmusem (Abb. 164b, H. 0,58 m, L. 0,78 m)35),
ferner der mit der Sammlung Dr. Figdor 1930 mitversteigerte Bathsebateppich36) von 1608
und der Sündenfall (Wolle, H. 0,88 m, L. 1,21m), aus dem gleichen Bestände37).
Weit stärker von Flandern beeinflußt, aber noch mit der bekannten vollsaftigen Baseler
Flora ausgestattet, schildert ein Behang im Bayerischen Nationalmuseum — datiert 1551 —
den Empfang der Brüder durch Joseph. Die Szene spielt an der Fallbrücke der Burg, deren
Architektur auf die Abhängigkeit von den Behängen Tournais deutlich hinweist (Abb. 170b).
Dem Salomo-Saba: Ahasver-Esther-Typ steht nahe — also wohl in dem Schweizer-
Elsässer Grenzgebiet entstanden —• ein langer golddurchwirkter Behang (Abb. 171,
IL 0,90 m, L. 2,18 m), datiert 1548, der aus der Sammlung Ikle (St. Gallen) in den Besitz
der Münchener Kunsthandlung L. Bernheimer überging. Säulen rahmen zwei Bilder
— Ahasver und Esther an der Tafel, das Gelage des Herodes, Salome mit dem Haupte
des Täufers —; aus dem etwas steifen Milieu fällt die lebhaft bewegte Gestalt des Dieners
mit dem Weingefäß — zweifellos einem Holzschnitt entlehnt —, die leise an die Arbeiten
des Mittelrheins anklingt.
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läge der um 1530 entstandenen Wirkerei dienten augenscheinlich Holzschnittblätter. Die
beiden langen niedrigen Behänge (Abb. 168, H. 0,535 m, L. 2,23 m + 2,12 m) — Beschnei-
dung, Geburt, Heimsuchung usw. bis zur Anbetung der Könige — im Historischen Museum
zu Basel, stammen angeblich aus dem St.-Urban-Kloster (Kanton Luzern).
Abgesehen von den im vorangegangenen Abschnitt bereits erwähnten religiösen Behängen
verdient Beachtung ein Antependium (Abb. 160b, H. 0,90 m, L. 1,50 m) im Berner Histo-
rischen Museum: Vor einer Burgenlandschaft stehen drei Heilige — St. Wolf gang mit
dem Kirchenmodell, ein Chorherr mit einem nackten Kind zu Füßen und St. Blasius (?)
mit der Kerze. Als Vorlage des im dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts entstandenen
Behanges dienten wahrscheinlich Bibel- oder Chroniken-Illustrationen. Klösterlichen Ur-
sprungs ist ferner das 1590 datierte Antependium im Berliner Schloßmuseum (Abb. 169 a,
H. 0,98 m, L. 1,67 m): Vor lichtblauem Grunde stehen die drei Frauen vor dem leeren Grabe,
Salbgefäße in den Händen; ein Engel hält das blutbefleckte Bahrtuch des Auferstandenen.
Archaistische Distelranken mit dem Ordenswappen und der Hausmarke (vom Krummstab
überhöht) einer Zisterzienser-Äbtissin bilden den seitlichen Abschluß. Als Material dient
Wolle; Zeichnung und Technik sind gleichermaßen rückständig; charakteristisch ist die
stickereiartige Wirkarbeit in den Konturen der Distelborte.
Noch primitiver wirkt die Abendmahlszene der New Yorker Sammlung P. W. French &
Co. (Abb. 169b, H. 0,82 m, L. 1,22 m)30). Die Wahrscheinlichkeit liegt vor, daß das Stück,
wie auch der voraufbesprochene Behang, in einem Kloster des Aargaus (Schweiz) ent-
standen ist. In der Art der einfachen Klosterarbeiten, aber weit mehr im Basler Stil, schil-
dert ein kleiner viereckiger (H. 0,59 m, L. 0,57 m) Behang (Wolle, Seide, Gold und Silber),
datiert 1508 (wahrscheinlich aber 1568), der ehemaligen Sammlung Breitmeyer32) die „Ver-
kündigung": Die Madonna kniet hinter dem gotischen Betpult mit schweren Eisenbeschlä-
gen, der Engel, im Haare den Blumenkranz, naht sich mit dem üblichen um den Stab ge-
schlungenen Spruchband — „Ave gracia plena" —; die Wappen der Solothurner Geschlech-
ter Walier und Roll33) stehen zu Häupten des Bildes. Auf dem Plattenfußboden prangt die
Vase mit den Lilien. Eine schmale geschachte Leiste rahmt das Motiv.
Als Beispiele der mehr handwerksmäßig betriebenen Bildwirkerei — Basel nahestehend
— sind zu erwähnen: „Christus bei Maria und Martha" im Berliner Schloßmuseum
(Abb. 170a, H. 0,68 m, L. 0,65 m, Ende des 16. Jahrhunderts). Außer Wolle sind Seide
und der typisch dicke Goldfaden verwandt. Als Arbeiten der Spätzeit — die Vergröberung
macht immer stärkere Fortschritte — sind u. a. zu nennen eine Gastmahlszene, Jakob und
Esau (1589) aus Muri, jetzt in Gries (Abb. 166b, H. 0,60 m, L. 0,61 m), eine Anbetung der
Könige, datiert 1597, im Züricher Landesmusem (Abb. 164b, H. 0,58 m, L. 0,78 m)35),
ferner der mit der Sammlung Dr. Figdor 1930 mitversteigerte Bathsebateppich36) von 1608
und der Sündenfall (Wolle, H. 0,88 m, L. 1,21m), aus dem gleichen Bestände37).
Weit stärker von Flandern beeinflußt, aber noch mit der bekannten vollsaftigen Baseler
Flora ausgestattet, schildert ein Behang im Bayerischen Nationalmuseum — datiert 1551 —
den Empfang der Brüder durch Joseph. Die Szene spielt an der Fallbrücke der Burg, deren
Architektur auf die Abhängigkeit von den Behängen Tournais deutlich hinweist (Abb. 170b).
Dem Salomo-Saba: Ahasver-Esther-Typ steht nahe — also wohl in dem Schweizer-
Elsässer Grenzgebiet entstanden —• ein langer golddurchwirkter Behang (Abb. 171,
IL 0,90 m, L. 2,18 m), datiert 1548, der aus der Sammlung Ikle (St. Gallen) in den Besitz
der Münchener Kunsthandlung L. Bernheimer überging. Säulen rahmen zwei Bilder
— Ahasver und Esther an der Tafel, das Gelage des Herodes, Salome mit dem Haupte
des Täufers —; aus dem etwas steifen Milieu fällt die lebhaft bewegte Gestalt des Dieners
mit dem Weingefäß — zweifellos einem Holzschnitt entlehnt —, die leise an die Arbeiten
des Mittelrheins anklingt.
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