München (1 6.—1 8. Jahrhundert)
Schließung der Manufaktur ergangen. Die verschiedenen Versuche auf Hebung der alten
Kunststätte — der Düsseldorfer Akademiedirektor Lambert Krabe schlägt als Allheilmittel
Kopien nach Gemälden berühmter Meister vor —, das Abwägen der Gründe, von Manfred
Mayer mit ausführlicher Breite behandelt, dürfen füglich übergangen werden. Die verwik-
kelten finanziellen und politischen Verhältnisse machen das Weiterführen eines Unterneh-
mens, das zudem im Zeitgeschmack kaum noch Verständnis, geschweige denn eine Stütze
findet, schlechterdings zur Unmöglichkeit. Das Manufakturgebäude am Rindermarkt geht
am 19. Oktober 1799 in den Besitz des Kaufmannes Vitus Fleckinger über. Sentigny und
Chedeville werden beauftragt, die noch auf den Gezeugen befindlichen Arbeiten — Götter-
mahl, Achilles unter den Töchtern des Lycomedes, Porträt der Gemahlin des Kurfürsten
Max Joseph IV. — im Laufe von spätestens drei Jahren zur Fertigstellung und Ablieferung
zu bringen. Sentignys Atelier schließt am 15. Februar 1802 endgültig die Pforten. Der
71jährige Meister tritt in den Ruhestand; sein Ableben erfolgt 1810 in München. Chedevilles
Werkstatt verbleibt bis 1818 noch im Betrieb, sein letzter Wandteppich, „Achill unter den
Töchtern des Lycomedes", trägt die Jahreszahl 1818 — der Meister stirbt am 17. Febr. 1820
im Alter von 80 Jahren. Die Wirker werden zum Teil pensioniert, zum Teil in anderen
Staatsstellen untergebracht, zum Teil — die jüngsten — mit mehrjähriger Unterstützung
auf einen neuen Broterwerb verwiesen. Über ihr weiteres Geschick, das schwerlich der Bild-
wirkerei noch diente, schweigen die Akten. Von Interesse ist lediglich die Eingabe Max Istas
(3. März 1803), der dem Kurfürsten eine von ihm in den Feierstunden gefertigte Arbeit
überreicht, die allerdings keinen sonderlichen Beifall findet — er soll ,,den werth des Glases
und der Fassung" angeben. Im übrigen äußert sich das Schreiben in wenig freundlichen
Worten über die Tätigkeit Chedevilles — „ein bejahrter, für die Kunst abgestorbener Mann"
— und stellt schließlich das Ansuchen, ihm (Ista) die Weiterführung der Manufaktur als
Privatunternehmen zu übertragen. Die „dankbaren Thränen" des Wirkers finden kein Ver-
ständnis, das Gesuch wird abgewiesen. Hinsichtlich der privaten Arbeiten der beiden Mei-
sterwirker Sentigny und Chedeville sind wir nur äußerst mangelhaft unterrichtet. Die ein-
zige Notiz (1774), die ich finden konnte, handelt von einem „großen Crucefix von Hotliss
(Hautelisse) welches derselbe (Sentigny) außer seiner arbeitszeit gemacht"122) und „5 Bild
Hautelisarbeit" ohne nähere Angabe. Die Möbelwirkerei scheint auch zu Beginn des 19. Sä-
kulums nicht vernachlässigt worden zu sein. In einem Berichte Chedevilles vom
23. April 1800 ist die Rede von den „anbepfohlenen und auch bereits schon eingelieferten
30 kleinen Stücke an Tabouretten und Banquetten"123).
Augsburg nahm unter den Städten Südbayerns (Schwaben und Neuburg) als ehemalige
Freie Reichsstadt und Handelsmetropole überragenden Ausmaßes einen besonderen Rang
ein, wohl geeignet wandernde flämische Wirker zur Ansiedlung zu verlocken. Die Rech-
nungsauszüge des Augsburger Stadtarchives124) bringen seit 1516 zahlreiche Hinweise auf
flämische Wandteppiche; wo von Wirkern die Rede ist, handelt es sich jedoch ausschließ-
lich um kaiserliche Textilienverwalter. Nicht anders verhält es sich hinsichtlich der Aus-
züge, die Professor Strieder (München) dem Fuggerarchiv entnahm und mir liebenswür-
digerweise zur Verfügung stellte (1550—1604). Marx Fugger z. B. gibt 1573 das von ihm ge-
wünschte „stuckh dapeceria" nicht einem ortsansässigen Wirker in Auftrag, er betraut viel-
mehr den bekannten Willem Pannemaker, „tappecier zu Brüssell", mit der Durchführung,
erlebt allerdings hinsichtlich der geldlichen Abwicklung keine Freude usw.
Der Wandteppich (H. 1,35 m, L. 2,25 m) mit dem Allianzwappen der Augsburger ehr-
baren Geschlechter Junge und Mannlich — in einem Blattkreuz einem Millefleursgrund auf-
gelegt, Bordüre mit Ranken, Emblemen, Putten — im Besitze von Professor Dr. Pringsheim
(München) erinnert in dem Hauptteil ganz an die Erzeugnisse Tournais um 1530. Die Rah-
mung will nicht recht zu dem Millefleursgrund passen. Um ein deutsches Erzeugnis dürfte
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Schließung der Manufaktur ergangen. Die verschiedenen Versuche auf Hebung der alten
Kunststätte — der Düsseldorfer Akademiedirektor Lambert Krabe schlägt als Allheilmittel
Kopien nach Gemälden berühmter Meister vor —, das Abwägen der Gründe, von Manfred
Mayer mit ausführlicher Breite behandelt, dürfen füglich übergangen werden. Die verwik-
kelten finanziellen und politischen Verhältnisse machen das Weiterführen eines Unterneh-
mens, das zudem im Zeitgeschmack kaum noch Verständnis, geschweige denn eine Stütze
findet, schlechterdings zur Unmöglichkeit. Das Manufakturgebäude am Rindermarkt geht
am 19. Oktober 1799 in den Besitz des Kaufmannes Vitus Fleckinger über. Sentigny und
Chedeville werden beauftragt, die noch auf den Gezeugen befindlichen Arbeiten — Götter-
mahl, Achilles unter den Töchtern des Lycomedes, Porträt der Gemahlin des Kurfürsten
Max Joseph IV. — im Laufe von spätestens drei Jahren zur Fertigstellung und Ablieferung
zu bringen. Sentignys Atelier schließt am 15. Februar 1802 endgültig die Pforten. Der
71jährige Meister tritt in den Ruhestand; sein Ableben erfolgt 1810 in München. Chedevilles
Werkstatt verbleibt bis 1818 noch im Betrieb, sein letzter Wandteppich, „Achill unter den
Töchtern des Lycomedes", trägt die Jahreszahl 1818 — der Meister stirbt am 17. Febr. 1820
im Alter von 80 Jahren. Die Wirker werden zum Teil pensioniert, zum Teil in anderen
Staatsstellen untergebracht, zum Teil — die jüngsten — mit mehrjähriger Unterstützung
auf einen neuen Broterwerb verwiesen. Über ihr weiteres Geschick, das schwerlich der Bild-
wirkerei noch diente, schweigen die Akten. Von Interesse ist lediglich die Eingabe Max Istas
(3. März 1803), der dem Kurfürsten eine von ihm in den Feierstunden gefertigte Arbeit
überreicht, die allerdings keinen sonderlichen Beifall findet — er soll ,,den werth des Glases
und der Fassung" angeben. Im übrigen äußert sich das Schreiben in wenig freundlichen
Worten über die Tätigkeit Chedevilles — „ein bejahrter, für die Kunst abgestorbener Mann"
— und stellt schließlich das Ansuchen, ihm (Ista) die Weiterführung der Manufaktur als
Privatunternehmen zu übertragen. Die „dankbaren Thränen" des Wirkers finden kein Ver-
ständnis, das Gesuch wird abgewiesen. Hinsichtlich der privaten Arbeiten der beiden Mei-
sterwirker Sentigny und Chedeville sind wir nur äußerst mangelhaft unterrichtet. Die ein-
zige Notiz (1774), die ich finden konnte, handelt von einem „großen Crucefix von Hotliss
(Hautelisse) welches derselbe (Sentigny) außer seiner arbeitszeit gemacht"122) und „5 Bild
Hautelisarbeit" ohne nähere Angabe. Die Möbelwirkerei scheint auch zu Beginn des 19. Sä-
kulums nicht vernachlässigt worden zu sein. In einem Berichte Chedevilles vom
23. April 1800 ist die Rede von den „anbepfohlenen und auch bereits schon eingelieferten
30 kleinen Stücke an Tabouretten und Banquetten"123).
Augsburg nahm unter den Städten Südbayerns (Schwaben und Neuburg) als ehemalige
Freie Reichsstadt und Handelsmetropole überragenden Ausmaßes einen besonderen Rang
ein, wohl geeignet wandernde flämische Wirker zur Ansiedlung zu verlocken. Die Rech-
nungsauszüge des Augsburger Stadtarchives124) bringen seit 1516 zahlreiche Hinweise auf
flämische Wandteppiche; wo von Wirkern die Rede ist, handelt es sich jedoch ausschließ-
lich um kaiserliche Textilienverwalter. Nicht anders verhält es sich hinsichtlich der Aus-
züge, die Professor Strieder (München) dem Fuggerarchiv entnahm und mir liebenswür-
digerweise zur Verfügung stellte (1550—1604). Marx Fugger z. B. gibt 1573 das von ihm ge-
wünschte „stuckh dapeceria" nicht einem ortsansässigen Wirker in Auftrag, er betraut viel-
mehr den bekannten Willem Pannemaker, „tappecier zu Brüssell", mit der Durchführung,
erlebt allerdings hinsichtlich der geldlichen Abwicklung keine Freude usw.
Der Wandteppich (H. 1,35 m, L. 2,25 m) mit dem Allianzwappen der Augsburger ehr-
baren Geschlechter Junge und Mannlich — in einem Blattkreuz einem Millefleursgrund auf-
gelegt, Bordüre mit Ranken, Emblemen, Putten — im Besitze von Professor Dr. Pringsheim
(München) erinnert in dem Hauptteil ganz an die Erzeugnisse Tournais um 1530. Die Rah-
mung will nicht recht zu dem Millefleursgrund passen. Um ein deutsches Erzeugnis dürfte
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