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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0258
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Eichstätt (16. Jahrhundert)

Größenverhältnissen der knienden Nonnen und der Schutzheiligen, etwa 1 : 2V2 — durch-
aus gewahrt.

Verkörpert der Votivteppich die Stimmung der drei unteren Episoden des großen Wal-
purgabehanges, so atmet die Wirkerei (H. 0,91 m, L. 0,71 m, Titeltafel des Textteiles) mit
den beiden weiblichen Heiligen, wiederum im Bayerischen Nationalmuseum, den warmen
goldgelbroten Ton der „Überführung des Sarkophages" (7. Szene). Das Material (Wolle
und weiße Leinenfäden) ist durch Seide bereichert; die Textur (6 Kettfäden) ist etwa die
gleiche. Den Hintergrund bildet ein Brokat in stumpfen gelblichen, gelbbraunen und roten
Nuancen, aus dem das Rot und Weiß der Blumen strahlt, in der Wirkung den geknüpften
sogenannten Belutschistan-Teppichen verwandt. Links steht die heilige Katharina auf dem
streng stilisierten Blumengrund in geschwungener, noch steif gotischer Haltung, im Nacken
das Schwert, in der linken Hand die Palme, während die rechte das moosgrüne, schach-
brettartig — weiß und graugelb — hinterfütterte Gewand rafft. Das eigenartige Quadrat-
muster des Kleides kehrt als Hintergrundabschluß wieder in einem Holzschnitt —
St. Ursula, Nürnberg, um 1450 —, der der Werkstatt des Katharinenklosters nahesteht56).
Ein schmaler schieferblauer Stab trennt die Figur von dem Hochkant, das St. Apollonia —
ziegelroter Mantel, graublaues Kleid — vorbehalten ist, die eine riesenhafte Hufschmied-
zange mit einem nicht minder klotzigen Zahn vor sich streckt, während sie, gleichgültigen
Gesichtes, in dem aufgeschlagenen Buch, das die Linke hält, zu lesen scheint. Die Blumen,
der Heiligen zu Füßen, sind fein und zart stilisiert, sie erinnern an den eng detaillierten
Millefleurs-Fond der Wirkereien von Tournai und Brüssel. Die lang wallenden Haare der
beiden Märtyrerinnen, durch dunkelbraune Konturen gerahmt, verzichten auf jede Model-
lierung; sie fließen in breiter stumpfbraungelber Flut.

In der Tönung dem Brokathintergrund verwandt, jedoch wesentlich bestimmter im Ent-
wurf, mit viel Weiß in der Innenzeichnung des Granatapfelmusters, gibt sich ein Teppich
im Bayerischen Nationalmuseum, den B. Kurth als fränkisch bezeichnet und in die Mitte
des 15. Jahrhunderts versetzt57), den Herzog Luitpold58) mit mehr Recht als Eichstätter
Arbeit anspricht. Dem Teppichmuster ist ein weißer, braun detaillierter, schwarz kontu-
rierter Adler aufgelegt, von einem Spruchbande — „misericordias • dni • ineternum • can-
tabo" — umschlungen Unter dem Adler knien als winzige Figürchen St. Ursula mit Pfeil
und Buch und St. Agnes mit dem Lamm; über dem Adler schwingen sich vier noch kleinere
musizierende Engel; zwischen den beiden oberen Himmelsboten ist ein winziges Rund-
medaillon mit dem sitzenden Jesuskind mit Kreuz und Marterwerkzeugen eingefügt, dar-
unter Johannes der Täufer, auf den der Heilige Geist — als Taube —, das Sinnbild gött-
licher Erleuchtung, niederfliegt. Gewiß der Gesamtcharakter des nur 89 cm hohen Be-
hanges ist ausgesprochen gotisch, ein Archaismus, der sich in manchen Eichstätter Arbeiten
geltend macht; für die Werkstatt des Walpurgaklosters bestimmend erscheint die typische
Farbengebung, die sich namentlich in den Gewändern der Kleinfiguren — Stumpf-Grün,
Matt-Blau — treffend äußert.

Bleiben wir bei der Farbenstimmung des Katharina-Apollonia-Behanges, so schließt sich
folgerichtig das in der Textur ziemlich gleichwertige Antependium mit der Aussendung der
Apostel im Bayerischen Nationalmuseum zu München an, das außer Wolle und Leinen auch
Metallfäden verwendet und die Gesichtskonturen nicht in Wirkereitechnik, sondern im Stil-
stich wiedergibt, ein Verfahren, das sich vielleicht aus der Schwierigkeit der Durchführung
der nur 1,02 m hohen, 1,86 m langen Arbeit erklärt (s. farbige Wiedergabe hinter Tafel 224).
Die Handlung ist ins Freie, in eine hügelige Landschaft verlegt. Die Apostel treten zumeist
paarweise auf, zum Teil durch ihre Attribute gekennzeichnet. Links steht Johannes der
Täufer im härenen Kleid, mit merkwürdig gespreizter Beinhaltung, im Arme das Lamm.
Zu äußerst rechts schöpft Johannes, der Evangelist, in rotem, grün gefüttertem Mantel,

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