Eichstätt (16. Jahrhundert)
Wasser aus dem Brunnen, neben ihm sitzt der Adler in ähnlicher Haltung wie in dem vor-
erwähnten Teppichfragment (die Flügel sind nicht überschnitten, sondern gespreizt). Die
übrigen Apostel — Paulus mit zwei Schwertern, Thaddäus mit der Keule, die er wie einen Spa-
zierstock unter den Arm klemmt, Bartholomäus mit dem Schindermesser, Matthias mit der
Lanze, Matthäus mit der Hellebarde, Jakobus d. J. mit dem Pilgerstab, Jakobus d. Ä. mit
dem Schwerte, Andreas mit dem Schrägkreuz, Petrus mit dem Schlüssel, Simon mit der
Säge, Thomas mit dem Winkelmaß — sind unbeholfen in Gruppen geordnet, die in den
Verschneidungen, dem Hintereinander, eine gewisse Tiefenwirkung anstreben. In den Lüf-
ten schwebt als Halbfigur der Heiland, begleitet von einem unruhig gewundenen Spruch-
band: „Ite • inorbem • vniversum ■ et ■ predicante (!)■ dicetes." Eine Sternenwolke umgibt
das scharfgeknickte Wolkenband, aus dem der Christuskörper herauswächst. Bemerkens-
wert ist die Durchbildung des Hintergrundes. Die Berge sind von dem Bunt der rauten-
förmigen Blüten gleichsam übersponnen, reizvoll erhöht durch zapfenartige, grüne Bäum-
chen, die durchaus nicht wie Natur, sondern wie ein zugehöriges sinnfälliges Ornament
wirken. Auf den Höhen der Berge bauen sich feste Schlösser, von denen das eine (rechts)
geradezu hochgotisch wirkt, während das andere (Mitte) den fränkischen Charakter des
endenden 15. Jahrhunderts deutlich erkennen läßt. Die Wolken liegen, schillernden gewun-
denen Schlangenleibern gleich, auf tiefem Blau. Die Stilisierung ist gegenüber dem 1519
datierten großen Walpurgateppich erheblich fortgeschritten. Würde die Werkstatt, unbe-
einflußt von dem Leben der Außenwelt, noch einige Jahrzehnte fortbestanden haben, so
hätte sie zweifelsohne Erzeugnisse gezeitigt, in verblüffender Ähnlichkeit mit den bäuer-
lichen Wirkereien Schwedens und Norwegens, Arbeiten, die in erster Linie aus der Umbil-
dung der Technik, dem Verluste der alten Tradtion, erst in zweiter aus der Freude an bun-
ten, harmonisch zusammengestellten Farben, die keinen freien Raum dulden, resultieren.
In der Farbenstimmung wesentlich ruhiger — Mattrot, Schieferblau, Weißgrün, Grau-
grün, Stumpfrot — gibt sich der Stammbaum des englischen Königshauses, zugleich der
heiligen Walpurga, der in zwei Teile getrennt, sich auf die Fürstlich öttingen-Waller-
steinsche Sammlung (Abb. 225. H. 1,02 m, L. 1,32 m) und das Bayerische Nationalmuseum
(H. 1,03 m, L. 0,73 m) verteilt. Das Gefüge (5 Kettfäden) ist gröber; als Material dienen
Wolle, Leinen und Goldfäden; in den Gesichtern finden sich wiederum Stilstichlagen. Jede
Figur wird durch ein Schild charakterisiert: S. Richardus („rex ' anglie • prius ■ dux ■ sve-
vie • pat • ") und seine Gemahlin („wuneheidis allia • wuna ■ regina ■ mater"), die Eltern der
Heiligen, sitzen in reichen Brokatgewändern neben dem englischen Wappen. Aus der Brust
des Paares wachsen Zweige, die in einer Blüte enden mit St. Walpurga in rotbraunem Non-
nenkleid mit Buch, Ölflasche und Äbtissinnenstab. Ähnlich wie in der Votivwirkerei halten
Engel schwebend die Krone über der Gloriole ihres Hauptes: „S. Walpurga ■ abbatissa •
heidenhemensis". Links von König Richard stehen der heilige Offo, in vollem Krönungs-
ornat mit Reichsapfel und Zepter — „offo ■ rex • anglie ■ fr ■ matris • s ■ richardi" —,
St. Wilibrord in Bischofstracht und St. Benedikt in der Kutte mit Gefäß und Krummstab.
Gotisches gelbgrünes Gerank mit roten Blüten überspinnt den Grund. Neben St. Walpurga
wächst aus dem Blütenkelch die Halbfigur des heiligen Willibald im Bischofsgewand. Ein
breiter Schriftbalken läuft, ähnlich wie in dem älteren und jüngeren Walpurgabehang, quer
über den Teppich: HEG ■ EST ■ GENERACIO • QVERENCIN • DVM ■ QVERENCIV • "
Das Münchener Fragment — die rechte Seite — schließt sich unmittelbar an. Entspre-
chend den unteren drei Figuren zur Linken stehen rechts: der heilige Bonifazius im
Bischofskleid mit graugrüner Kasula, St. Deodatus in rotem, blau gefüttertem Mantel und
Solus (Sola), der Abt von Solnhofen, in ähnlicher Haltung wie Deodatus; als Halbfigur,
links von Walpurga, erscheint der heilige Wunebald in grauvioletter Kutte. Die Legende des
oberen Schriftbalkens fährt fort: FACIEM • DEI • IACOB. Verschiedentlich hat die Wir-
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Wasser aus dem Brunnen, neben ihm sitzt der Adler in ähnlicher Haltung wie in dem vor-
erwähnten Teppichfragment (die Flügel sind nicht überschnitten, sondern gespreizt). Die
übrigen Apostel — Paulus mit zwei Schwertern, Thaddäus mit der Keule, die er wie einen Spa-
zierstock unter den Arm klemmt, Bartholomäus mit dem Schindermesser, Matthias mit der
Lanze, Matthäus mit der Hellebarde, Jakobus d. J. mit dem Pilgerstab, Jakobus d. Ä. mit
dem Schwerte, Andreas mit dem Schrägkreuz, Petrus mit dem Schlüssel, Simon mit der
Säge, Thomas mit dem Winkelmaß — sind unbeholfen in Gruppen geordnet, die in den
Verschneidungen, dem Hintereinander, eine gewisse Tiefenwirkung anstreben. In den Lüf-
ten schwebt als Halbfigur der Heiland, begleitet von einem unruhig gewundenen Spruch-
band: „Ite • inorbem • vniversum ■ et ■ predicante (!)■ dicetes." Eine Sternenwolke umgibt
das scharfgeknickte Wolkenband, aus dem der Christuskörper herauswächst. Bemerkens-
wert ist die Durchbildung des Hintergrundes. Die Berge sind von dem Bunt der rauten-
förmigen Blüten gleichsam übersponnen, reizvoll erhöht durch zapfenartige, grüne Bäum-
chen, die durchaus nicht wie Natur, sondern wie ein zugehöriges sinnfälliges Ornament
wirken. Auf den Höhen der Berge bauen sich feste Schlösser, von denen das eine (rechts)
geradezu hochgotisch wirkt, während das andere (Mitte) den fränkischen Charakter des
endenden 15. Jahrhunderts deutlich erkennen läßt. Die Wolken liegen, schillernden gewun-
denen Schlangenleibern gleich, auf tiefem Blau. Die Stilisierung ist gegenüber dem 1519
datierten großen Walpurgateppich erheblich fortgeschritten. Würde die Werkstatt, unbe-
einflußt von dem Leben der Außenwelt, noch einige Jahrzehnte fortbestanden haben, so
hätte sie zweifelsohne Erzeugnisse gezeitigt, in verblüffender Ähnlichkeit mit den bäuer-
lichen Wirkereien Schwedens und Norwegens, Arbeiten, die in erster Linie aus der Umbil-
dung der Technik, dem Verluste der alten Tradtion, erst in zweiter aus der Freude an bun-
ten, harmonisch zusammengestellten Farben, die keinen freien Raum dulden, resultieren.
In der Farbenstimmung wesentlich ruhiger — Mattrot, Schieferblau, Weißgrün, Grau-
grün, Stumpfrot — gibt sich der Stammbaum des englischen Königshauses, zugleich der
heiligen Walpurga, der in zwei Teile getrennt, sich auf die Fürstlich öttingen-Waller-
steinsche Sammlung (Abb. 225. H. 1,02 m, L. 1,32 m) und das Bayerische Nationalmuseum
(H. 1,03 m, L. 0,73 m) verteilt. Das Gefüge (5 Kettfäden) ist gröber; als Material dienen
Wolle, Leinen und Goldfäden; in den Gesichtern finden sich wiederum Stilstichlagen. Jede
Figur wird durch ein Schild charakterisiert: S. Richardus („rex ' anglie • prius ■ dux ■ sve-
vie • pat • ") und seine Gemahlin („wuneheidis allia • wuna ■ regina ■ mater"), die Eltern der
Heiligen, sitzen in reichen Brokatgewändern neben dem englischen Wappen. Aus der Brust
des Paares wachsen Zweige, die in einer Blüte enden mit St. Walpurga in rotbraunem Non-
nenkleid mit Buch, Ölflasche und Äbtissinnenstab. Ähnlich wie in der Votivwirkerei halten
Engel schwebend die Krone über der Gloriole ihres Hauptes: „S. Walpurga ■ abbatissa •
heidenhemensis". Links von König Richard stehen der heilige Offo, in vollem Krönungs-
ornat mit Reichsapfel und Zepter — „offo ■ rex • anglie ■ fr ■ matris • s ■ richardi" —,
St. Wilibrord in Bischofstracht und St. Benedikt in der Kutte mit Gefäß und Krummstab.
Gotisches gelbgrünes Gerank mit roten Blüten überspinnt den Grund. Neben St. Walpurga
wächst aus dem Blütenkelch die Halbfigur des heiligen Willibald im Bischofsgewand. Ein
breiter Schriftbalken läuft, ähnlich wie in dem älteren und jüngeren Walpurgabehang, quer
über den Teppich: HEG ■ EST ■ GENERACIO • QVERENCIN • DVM ■ QVERENCIV • "
Das Münchener Fragment — die rechte Seite — schließt sich unmittelbar an. Entspre-
chend den unteren drei Figuren zur Linken stehen rechts: der heilige Bonifazius im
Bischofskleid mit graugrüner Kasula, St. Deodatus in rotem, blau gefüttertem Mantel und
Solus (Sola), der Abt von Solnhofen, in ähnlicher Haltung wie Deodatus; als Halbfigur,
links von Walpurga, erscheint der heilige Wunebald in grauvioletter Kutte. Die Legende des
oberen Schriftbalkens fährt fort: FACIEM • DEI • IACOB. Verschiedentlich hat die Wir-
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