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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0260
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Eichstätt (16. Jahrhundert)

kerin den Versuch gemacht, die Gesichter zu individualisieren, das stumpfe Starren der
dünnbewimperten Augen in einen charaktervollen Ausdruck zu wandeln. Gelungen ist er
ihr bei dem knochigen Asketenhaupt des St. Wunebald und dem schmalen Kopf des hei-
ligen Benedikt.

In der Anordnung der Genealogie der St. Walpurga nah verwandt, ist der auf Schloß
Wallerstein verwahrte, 1527 datierte Behang (H. 0,61 m, L. 1,18 m) mit der Sippe Christi.
Textur und Material stimmen in beiden Teppichen überein, nur mit dem Unterschiede, daß
von der Verwendung von Metallfäden Abstand genommen wurde. Aus blumigem, in der be-
kannten Weise stilisiertem Rasen, wachsen Ranken, die den Grund überziehen und das
Gerippe abgeben für Halbfiguren, die den Blüten entwachsen: in der oberen Reihe „iudas
tadeus", „alpheus", „maria salome", , Joachim", „anna", „sebedeus", ,.maria cleop . ..", in
der unteren Reihe „simon", „cleophas", „salomo", „stollonvs" (?). Im Gegensatz zu dem
Rasenflor zeigen die Blätter der Ranken, die Schrägstellung der Figuren, das Bestreben,
dem Naturalismus weiter entgegenzukommen, Anschluß an die Formen der Zeit zu suchen;
das gotische Moment tritt zurück.

Wesentlich stärker nach dem alten Prinzip arbeitet ein inzwischen verschollenes Rück-
laken59) — 1896 mit der Sammlung Kuppelmayr versteigert—, das in fünf Bildern Episoden
aus der Geschichte des Heilandes (H. 0,74 m, L. 2,25 m) schildert, oben von einem breiten
Arabeskenbande gefaßt. Die steifen Gestalten stehen auf der typischen Eichstätter Flora
gegen dunklen Grund.

Zweifelhaft erscheint mir die Zuschreibung einer sehr fein gewirkten Seidenborde im
Berliner Schloßmuseum — Maria mit Kind und zwei Engeln, Eichenlaub um den Stab ge-
wunden —, die Herzog Luitpold60) Eichstätt zuschreibt, die m. E. aber Nürnberger Er-
zeugnis ist.

Unsicher ist ferner die Provenienz eines in Seide gewirkten Kaselkreuzes in St. Walpurga
zu Eichstätt. Die drei Enden des Kreuzesstammes decken die Symbole der Evangelisten
Johannes (Adler), Matthäus (Löwe mit farbigen Flügeln) und Johannes (Engel), Spruch-
bänder mit den Namensinschriften haltend. Zweidrittel des Längsbalkens ist dem Gekreu-
zigten vorbehalten, zu dessen Füßen Maria im lichtblauen, sternbesäten Mantel und schwar-
zen Gewand sowie Johannes im moosgrünen Oberkleid Aufstellung nehmen. Im unteren
Drittel weilt St. Walpurga in graugrünem Gewand in einer Betkapelle; ihr zu Füßen liegt
die Krone, das Zeichen der königlichen Abkunft. Die Heilige hält ein rot eingebundenes
Brevier, auf dem das bekannte Ölfläschchen steht. Die Arbeit zeigt deutlich die Abhängigkeit
von der Seidenstickerei des beginnenden 16. Jahrhunderts. Die Farben sind sehr zart und
subtil. Der Entwurf steht turmhoch über den Kartons der Bildteppiche der Eichstätter
Werkstatt; die Technik ist ungleich vollendeter. An die Bild Wirkereien des St. Walpur gaklo-
sters erinnert letzten Endes nur die Flora, die den gleichen stark stilisierten rautenartigen
Charakter der Blätter und Blüten zeigt, der sich aber ebenso zwanglos aus dem kleinen
Maßstab erklärt — der Längsbalken ist nur 17 cm breit —■, der eine Detaillierung, den
natürlichen Formen entsprechend, schlechterdings unmöglich macht. Die matten gebro-
chenen Farben, das tiefe Dunkelbraun bis Schwarz, erinnern an die Eichstätter Bildwir-
kereien um 1520, die Zeitspanne, der das Kaselkreuz nahe steht. Ob es sich um eine Eich-
stätter Arbeit handelt, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden; die größere Wahrschein-
lichkeit spricht für das technisch höher entwickelte Nürnberg.

Der sogenannte Luitgerbehang, ein Grabteppich, datiert 1522, der nach altem Brauch die
Ruhestätte des Grafen Luitger von Graisbach schmückte61), ist in Webereitechnik durch-
geführt, gewirkt sind lediglich die aufgenähten Spruchbänder mit stilisierten Blümchen an
den Enden der Zeilen, die aller Wahrscheinlichkeit nach in der Klosterwerkstatt von
St. Walpurga entstanden.

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