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Bauer, Strafgeectzcntwurf für Hannover.

damit der ganze Begriff der Milderung weg. Denn die
Strafmilderungsgründe sind ja immer durch das Gesetz be-
stimmt, und der Richter darf nur aus gesetzlichen Gründen
von der pogna oriAnar/a ab weichen (Reffs Vers. S. 25o fg.)!
Milderungs- und Schärfungsgründe — im Gegensatz der Min-
derungs- undStraferhühungsgründe — sind vielmehr beson-
dere, außerhalb der allgemeinen Vorschrift gelegene, ge-
setzliche Gründe, aus welchen der Richter ausnahmsweise
von der pogna o/'g^/za/va abweichen darf; und zu diesen ge-
hören doch wohl Jugend (Art. 102.) , Greisenalter und unver-
schuldete langwierige Untersuchungshaft (Art. io3.)! Dafsder
Richter hier verpflichtet ist, diese Gründe anzuwenden,
ändert an dem Begriffe des richterlichen Milderungsrechts
nichts. Denn auch der Art. 112, wenn er recipirt wäre,
würde ja den Richter verpflichten, wegen vieler und wich-
tiger Milderungsgründe von der ordentlichen Strafe abzuwei-
chen, und unter das mühmmn herabzugehen. Allein wer denkt
sich wohl unter dem richterlichen Milderungsrechte ein blofses
Recht, eine blofse Befugnifs, wie wenn es lediglich von sei-
nem Gutdünken abhinge, ob er es zur Anwendung bringen
wolle oder nicht? Sein Recht ist zugleich eine Pflicht,
wogegen das Milderungsrecht des Regenten , wie es nun ein-
mal besteht, weniger eine Pflicht, als ein blofses Recht ist. Geht
man dagegen von des Verfs. Ansicht aus, so könnte selbst das
Zusammentreffen vieler und wichtiger mildernder Umstände
(Art. 112) nicht mit dem Namen eines Milderungsgrundes be-
zeichnet werden. Denn, wenn der Richter auf eine mildere
Strafe als die pogna o/g(zna/'za und das mmZ/nnm erkennt, so
ist ja auch diese mildere Strafe nach Art. 112. eine gesetz-
liche, folglich das Zusammentreffen von mildernden Um-
ständen— kein Milderungsgrund, sondern nur ein Grund, aus
welchem der Gesetzgeber selbst die pogna org?ü:ar:'a her-
abgesetzt hat. Der Verf. hat diesemnach — um die etwas
weitläufigen Untersuchungen über den Art. 112. zu schliefsen,
die aber durch die hohe Wichtigkeit des Gegenstandes ent-
schuldigt werden (S 5y.) — seine Hauptargumente für den
Art ii2. auf eignen Ansichten von der Begnadigung, von der
Verwirkung der Strafe, und vom richterlichen Milderungsrechte
gegründet, die schwerlich gerechtfertigt werden dürften.
Der §. 6. ( S. 5g — q8.) enthält einen interessanten, sehr
empfehlungswerthen Aufsatz über die Abschaffung der Todes-
strafe, worin der Verf. mit Mittermaier und Andern zu
dem Resultate kommt, dafs die Humanität schon ihren grofsen
Triumph feiere, wenn man die Todesstrafen auf die schwer-
sten Verbrechen beschränke, die Qualificationen bei derselben
abschaffe, und dem Richter gestatte, beim Zusammenflüsse
 
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