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Meyer: Oratoritm Romann. Lagmenta.

591

Wenn wir oben von der Schwierigkeit gesprochen, die wirk-
lichen Reden von den blossen Declamationen oder von den in red-
nerische Form eingekleideten Partheischriften, Memoiren, Libellen
und dergleichen auszuscheiden, so könnte man z. B. bei S al-
les tius wohl fragen, in wiefern ihm der Verf. S. 441 eine Stelle
in seiner Sammlung angewiesen, da dies, wie ausdrücklich be-
merkt wird, nicht wegen der in seinen Geschichten vorkommenden
Reden geschehen ist, die so wenig wie die Heden des Livius für
wirklich so gehaltene Reden gelten können, sondern wegen der
seinen Namen tragenden, und so schon von Ouintilian merkwürdi-
gerweise citirten, offenbar aber von einem Redner des augusteischen
oder des nächstfolgenden Zeitalters des Tiberius verfassten De-
elamatio in Cicero nem, die wir noch besitzen. Wir be-
trachten dieses Machwerk als eine Art von politischer Brochüre,
womit sich vielleicht ein junger Gelehrter oder Rhetor bei Augu-
stus, der auf Cicero’s Wirksamkeit und ruhmvolles Andenken nicht
gut zu sprechen war und beides, so weit als möglich, in einige
Vergessenheit gebracht oder doch jedenfalls geschmälert zu sehen
wünschte, empfehlen wollte, und der darum auch den Styl des
Sallustius, der schon damals viele Verehrer und selbst Nachahmer
gefunden hatte (wie z. B. der unter August lebende Arruntius
über die punischen Kriege in einer dem Sallust ganz nachgebil-
deten 8prache geschrieben hatte) in dieser, mit dessen Namen be~
zeichneten Schrift möglichst nachzuahmen wusste, selbst einen
Quintilian, wie es scheint, darin täuschend: was allerdings hei
einem so scharfsichtigen, den Zeiten der Abfassung so nahe ste-
henden Kritiker zu verwundern ist, da der vorgeschlagene Aus-
weg einer Interpolation schwerlich sich begründen und dadurch
den alten Kritiker von der Täuschung freisprechen lässt. Aber,
fragen wir, gehört ein solches rhetorisches Libell in eine Samm-
lung von Bruchstücken wirklicher Reden? Verneinen wir die
Frage, so möchte man uns selbst Cicero’s Beispiel entgegenhalten,
dessen zweite philippische Bede ja im Ganzen doch auch nichts
Anderes ist, als eine solche, in die Form der Rede eingekleidete,
und nach den Grundsätzen und Regeln einer Rede ausgearbeitete
politische Partheischrift. Anderseits aber hat der Verf. sonst, und
wir können das nur billigen, ähnliche Productionen einer literari-
schen Beredsamkeit, namentlich die Declamationen, von seiner Ar-
beit ausgeschlossen. Nur wenige Ausnahmen bieten sich uns dar.
So ist z. B. S. 537ff. der aus Smyrna gebürtige, dann nach Rom
gekommene und dort zu Augustus Zeiten die Rhetorik lehrende
 
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