Nr. 4. HEIDELBERGER 1864.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Sophokles von Donner.
(Schluss.)
Und aus dem folgenden Zwiegespräch des Chors und der Elektra
die Worte des Chors in der Erwiederung der Elektra Vs. 243ff.
Der Chor.
Ich bin gekommen, Tochter, um dein Wohl zugleich
Und meins bekümmert. Sprech’ ich denn das Rechte nicht,
So möge dein Wort gelten; denn dir folgen wir.
Elektra.
Erröthen muss ich, Frauen, schein’ ich euch zu sehr
Von meines Jammers Uebermass bewältiget.
Doch weil Gewaltthat also mich zu handeln zwingt,
\rergebt mir: denn wie möchte wohl ein edles Weib
Des Hauses Unglück sehen und nicht also thun?
Und dieses muss ich jeden Tag und jede Nacht
In neuer Fülle mehr erblüh’n als welken sehn.
Mir wird von meiner Mutter, ihr, die mich gebar,
Gelohnt mit bitterm Hasse nur; im eignen Haus
Wohn’ ich mit ihnen, die den Vater mordeten,
Zusammen, ihnen unterthan, und sie allein
Bestimmen, ob ich darben, ob empfangen soll.
Und welche Tage, glaubet ihr, verleb’ ich wohl,
Wenn ich Aegisthos sitzen seh’ auf jenem Thron,
Dem Thron des Vaters, sehe mit Gewänden ihn,
Die dieser trug, bekleidet, und am Hausaltar
Trankopfer spenden, wo er ihn ermordete?
Und wenn ich dann der Frevel höchsten sehen muss,
Im Lager meines Vaters ihn, den Mörder selbst,
Mit meiner Unglücksmutter, darf ich Mutter noch
Die Freche nennen, die mit ihm das Lager theilt,
Die sonder Scham dem fluchbeladnen Manne sich
Gesellt, von keiner Rachegöttin Zorn geschreckt,
Nein, wie belachend, was sie Böses ausgeübt,
Wenn ihr zurückkehrt jener Tag, an welchem einst
Sie meinen Vater tückevoll ermordete,
Festreigentänz’ anordnet und den rettenden
Gottheiten Lämmer als ein Monatsopfer bringt.
LVII. Jahrg. 1. Heft.
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JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Sophokles von Donner.
(Schluss.)
Und aus dem folgenden Zwiegespräch des Chors und der Elektra
die Worte des Chors in der Erwiederung der Elektra Vs. 243ff.
Der Chor.
Ich bin gekommen, Tochter, um dein Wohl zugleich
Und meins bekümmert. Sprech’ ich denn das Rechte nicht,
So möge dein Wort gelten; denn dir folgen wir.
Elektra.
Erröthen muss ich, Frauen, schein’ ich euch zu sehr
Von meines Jammers Uebermass bewältiget.
Doch weil Gewaltthat also mich zu handeln zwingt,
\rergebt mir: denn wie möchte wohl ein edles Weib
Des Hauses Unglück sehen und nicht also thun?
Und dieses muss ich jeden Tag und jede Nacht
In neuer Fülle mehr erblüh’n als welken sehn.
Mir wird von meiner Mutter, ihr, die mich gebar,
Gelohnt mit bitterm Hasse nur; im eignen Haus
Wohn’ ich mit ihnen, die den Vater mordeten,
Zusammen, ihnen unterthan, und sie allein
Bestimmen, ob ich darben, ob empfangen soll.
Und welche Tage, glaubet ihr, verleb’ ich wohl,
Wenn ich Aegisthos sitzen seh’ auf jenem Thron,
Dem Thron des Vaters, sehe mit Gewänden ihn,
Die dieser trug, bekleidet, und am Hausaltar
Trankopfer spenden, wo er ihn ermordete?
Und wenn ich dann der Frevel höchsten sehen muss,
Im Lager meines Vaters ihn, den Mörder selbst,
Mit meiner Unglücksmutter, darf ich Mutter noch
Die Freche nennen, die mit ihm das Lager theilt,
Die sonder Scham dem fluchbeladnen Manne sich
Gesellt, von keiner Rachegöttin Zorn geschreckt,
Nein, wie belachend, was sie Böses ausgeübt,
Wenn ihr zurückkehrt jener Tag, an welchem einst
Sie meinen Vater tückevoll ermordete,
Festreigentänz’ anordnet und den rettenden
Gottheiten Lämmer als ein Monatsopfer bringt.
LVII. Jahrg. 1. Heft.
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