Ir. 26.
HEIDELBERGER
1864.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Die Idee der Unsterblichkeit von Johannes Hub er. München, 1864.
Verlag der J. J. Lentner’sehen Buchhandlung (E. Stahl).
Alte und neue Zeit, Wissen und Glauben, Philosophie und
Religion haben sich mit der Idee der Unsterblichkeit vielfach be-
schäftigt und diese je nach ihrem Standpunkte theils verschieden
aufgefasst, theils auf der einen Seite vertheidigt, auf der andern
dagegen mit gleicher Energie geläugnet. Dass man den Körper
des gegenwärtigen Lebens, so wie das zu ihm gehörige sinnliche
Leben, wie es sich in Zeit und Raum offenbart, nach dem Tode
nicht behält, dass dieses sinnliche Leben ein Ende nimmt, der
Körper im Gährungs- und Fäulnissprocesse sich auflöst, sind That-
sachen, welche nicht geläugnet werden können. Von einer so ge-
nannten sinnlichen Unsterblichkeit kann also überall nicht die Rede
sein. Was ist es denn nun, was eigentlich nach dem Tode fort-
dauern, unsterblich sein soll? Jedenfalls nur das, was wir in uns
als den Geist und das Geistige bezeichnen und von dem Leiblichen
und Sinnlichen unterscheiden. Dieser Geist, dieses Geistige ist von
jeher in doppeltem Sinne genommen worden, in dem uns nahelie-
genden, individuellen Sinne, nach welchem es sich um die Fort-
dauer des einzelnen Geistes handelt, im allgemeinen objectiven oder
absoluten, nach welchem die Idee der Unsterblichkeit nicht als die
Fortdauer des Einzelnen, sondern als die Fortdauer des Geistes an
sich, abgesehen von seiner individuellen Erscheinung, angesehen
wird.
Kant wies in seiner Kritik des menschlichen Geistes die Gren-
zen desselben nach. Mit Scharfsinn zeigte er in allen Erkenntniss-
bestrebungen das: Bis hieher und nicht weiter. Wenn er das Ding
in der Erscheinung und das Ding an sich unterschied, die alleinige
Erkennbarkeit des ersten , die Unerkennbarkeit des zweiten nach-
wies, so war er ferne davon, das Ding an sich zu einem Nichts
machen oder in das Ich und die Erscheinungswelt, von Vorstellungen
im Ich umwandeln zu wollen. In ähnlicher Weise verfuhr er auch
mit den Ideen Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Wenn er auch
die Unmöglichkeit ihrer theoretischen Demonstrirbarkeit zeigte, wenn
er nachzuweisen versuchte, dass die vermeintliche, auf das Wesen
der individuellen menschlichen Seele sich beziehende Erkenntniss
durch Paralogismen oder Fehlschlüsse zu ihrer angeblichen Gewiss-
heit gelange, die Beweise für das Dasein Gottes unhaltbar seien,
so war er weit davon entfernt, deshalb die Ideen Gott, Freiheit und
Unsterblichkeit zu läugnen, die Nichtexistenz derselben als irgend
LVII. Jahrg. 6. Heft. 26
HEIDELBERGER
1864.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Die Idee der Unsterblichkeit von Johannes Hub er. München, 1864.
Verlag der J. J. Lentner’sehen Buchhandlung (E. Stahl).
Alte und neue Zeit, Wissen und Glauben, Philosophie und
Religion haben sich mit der Idee der Unsterblichkeit vielfach be-
schäftigt und diese je nach ihrem Standpunkte theils verschieden
aufgefasst, theils auf der einen Seite vertheidigt, auf der andern
dagegen mit gleicher Energie geläugnet. Dass man den Körper
des gegenwärtigen Lebens, so wie das zu ihm gehörige sinnliche
Leben, wie es sich in Zeit und Raum offenbart, nach dem Tode
nicht behält, dass dieses sinnliche Leben ein Ende nimmt, der
Körper im Gährungs- und Fäulnissprocesse sich auflöst, sind That-
sachen, welche nicht geläugnet werden können. Von einer so ge-
nannten sinnlichen Unsterblichkeit kann also überall nicht die Rede
sein. Was ist es denn nun, was eigentlich nach dem Tode fort-
dauern, unsterblich sein soll? Jedenfalls nur das, was wir in uns
als den Geist und das Geistige bezeichnen und von dem Leiblichen
und Sinnlichen unterscheiden. Dieser Geist, dieses Geistige ist von
jeher in doppeltem Sinne genommen worden, in dem uns nahelie-
genden, individuellen Sinne, nach welchem es sich um die Fort-
dauer des einzelnen Geistes handelt, im allgemeinen objectiven oder
absoluten, nach welchem die Idee der Unsterblichkeit nicht als die
Fortdauer des Einzelnen, sondern als die Fortdauer des Geistes an
sich, abgesehen von seiner individuellen Erscheinung, angesehen
wird.
Kant wies in seiner Kritik des menschlichen Geistes die Gren-
zen desselben nach. Mit Scharfsinn zeigte er in allen Erkenntniss-
bestrebungen das: Bis hieher und nicht weiter. Wenn er das Ding
in der Erscheinung und das Ding an sich unterschied, die alleinige
Erkennbarkeit des ersten , die Unerkennbarkeit des zweiten nach-
wies, so war er ferne davon, das Ding an sich zu einem Nichts
machen oder in das Ich und die Erscheinungswelt, von Vorstellungen
im Ich umwandeln zu wollen. In ähnlicher Weise verfuhr er auch
mit den Ideen Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Wenn er auch
die Unmöglichkeit ihrer theoretischen Demonstrirbarkeit zeigte, wenn
er nachzuweisen versuchte, dass die vermeintliche, auf das Wesen
der individuellen menschlichen Seele sich beziehende Erkenntniss
durch Paralogismen oder Fehlschlüsse zu ihrer angeblichen Gewiss-
heit gelange, die Beweise für das Dasein Gottes unhaltbar seien,
so war er weit davon entfernt, deshalb die Ideen Gott, Freiheit und
Unsterblichkeit zu läugnen, die Nichtexistenz derselben als irgend
LVII. Jahrg. 6. Heft. 26