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1fr. δ. HEIDELBERGER 1864.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Graf Johann Kapodistrias. Mit Benutzung handschriftlichen Materials
von Dr. Karl M endelss ohn B artholdy. Berlin 1864.
Verlag von E. B. Mittler fy Sohn.
An der Grenzscheide des achtzehnten und neunzehnten Jahr-
hunderts stehen bedeutende Staatsmänner, denen die Geschichts-
schreibung bisher noch nicht die gebührende Aufmerksamkeit zu-
gewandt hat. Ueber Nesselrode, Pozzo di Borgo, Talleyrand, Metter-
nich und Kapodistrias haben wir nur wenige und keine erschöpfende
Monographieen. Der Grund liegt darin, dass es stets schwer bleiben
wird, forschend und prüfend in das Gebiet einzudringen auf dem
sich jene Männer vorzugsweiso bewegten, solange die Grossmächte
ihre diplomatischen Archive vor dem Auge der Gelehrten ver-
schlossen halten. Verhältnissmässig am Günstigsten stellten sich die
Aussichten bei einer Monographie über den Grafen Kapodistrias.
Denn als Kapodistrias Präsident von Griechenland wurde, trat er
aus der dumpfen und verborgenen Sphäre diplomatischer Kabinets-
arbeit heraus in freie Luft, und die Akten seiner Präsidentschaft
liegen offen da vor der ganzen Welt. In der Γενική έφημ,εςις της
"Ελλάδος, dem griechischen Staatsanzeiger, hat man das klarste
Bild von Allem, was während der Verwaltung Kapodistrias’ in
Griechenland geschehen ist. Und damit auch der Einblick in die
geheimeren Triebfedern nicht fehle, so gewährt die 1839 in Genf
von Betant veröffentlichte „Correspondance du comte J. Capodistrias“
einen wichtigen Aufschluss über die Art, wie Kapodistrias selbst
seine Aufgabe ansah, und das Geleistete beurtbeilte. Nimmt man
dazu die an anderen zerstreuten Orten gedruckten, sowie die in
Korfu befindlichen ungedruckten Briefe des Grafen, ferner seine
Depeschen und Noten in dem Archiv von Korfu, und stützt man
sich, was die diplomatischen Beziehungen anbelangt, auf den in den
„Blaubüchern“, im Portfolio, in den Neuesten Staatsakten, sowie
auf den in der Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts von Ger-
vinus gegebenen aktenmässigen Stoff, so dürfte man wohl im Stande
sein, ein richtiges und quellenmässiges Urtheil über jenen Staats-
mann zu fällen. Die zahlreichen anderen historischen Quellen zwei-
ten und dritten Ranges müssten freilich auch berücksichtigt werden.
Denn das subjective Urtheil der Zeitgenossen und der Nachwelt
hat immer einigen Werth, selbst wenn es sich in der unhistorischen
Form von Pamphleten, Zeitungen und Reisebeschreibungen Kund gibt.
Das erste Buch der vorliegenden Schrift enthält die Periode
von J. Kapodistrias’ Geburt bis zu seiner Ankunft in Nauplia.
LVH. Jahrg. 1. Heft. 5
 
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