Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 6. HEIDELBERGER 1864.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Der Entwurf einer Strafprozessordnung für das Königreich
Würtemberg*
Das Jahr 1863 hat auf dem Gebiete der Gesetzgebung über
Strafverfahren vielfache beachtenswerthe Leistungen gebracht, deren
Benützung und Prüfung um so mehr nothwendig wird, jemehr man
annehmen darf (?), dass diese Arbeiten aus Erfahrungen über die
Wirksamkeit der bisher in einzelnen Staaten geltenden Gesetze
hervorgegangen sind. Von neuen Strafprozessordnungen in Deutsch-
land liegen vor: die Strafprozessordnung vom 28 Oktober 1863 für
Kurhessen, die Strafprozessordnung vom 4. November 1863 für
Bremen, und die Strafprozessordnung für Lübek vom 29. December
1862. In der Schweiz ist eine, wegen mehreren Eigenthümlichkeiten
die sie enthält, beachtungswürdige Strafprozessordnung vom 5. März
1863 für den Kanton Solothurn in Wirksamkeit getreten. Von den
in den deutschen Staaten bearbeiteten Entwürfen der Strafprozess-
ordnung liegen vor: der für Hamburg (Mein Aufsatz in dem Ge-
richtssaal. 1863. S. 102), der für Oesterreich und der für
Baden veröffentlichte. Der letzte ist bereits in beiden Kammern
Gegenstand von Verhandlungen geworden; da er von der Stände-
versammluug angenommen wurde, so steht seiner Verkündung als
Gesetz kein Hinderniss im Wege. In der Schweiz ist ein (nicht
auf Einführung von Schwurgerichten) berechneter Entwurf einer
Strafprozessordnung für St. Gallen bereits revidirt vorgelegt. Der
neueste Entwurf einer vollständigen Strafprozessordnung ist der für
Würtemberg veröffentlichte. Er soll Gegenstand einer eingehen-
den Beurtheilung in diesem Aufsatze werden. Im Königreiche
Baiern ist der Strafprozess durch das Gesetz von 1848 geregelt,
neben welchem jedoch die Strafprozessordnung von 1813 in vielen
Punkten fortbesteht, was zu manchen Irrungen und Conflikten führt,
da manche nur aus dem Charakter des damaligen, auf geheimes schrift-
liches Inquisitionsverfahren im Gesetzbuche von 1813 erklärbare
Bestimmung nicht zu dem neuen, auf andere Principien gebauten
Strafverfahren passt. Als im Jahr 1861 die Kammern in der Lage
waren, über den vorgelegten Entwurf des Strafgesetzbuchs zu be-
rathen, benützten sie mit Recht die Gelegenheit, dass durch das
Einführungsgesetz manche durch Erfahrung als nachtheilig nach-
gewiesene Lücken ergänzt wurden; auf diese Art ist das erwähnte
Einführungsgesetz (worüber Risch, Professor in Würzburg, einen
guten Commentar, Würzburg 1862, veröffentlicht hat) auch für das
Strafverfahren wichtig, indem es bedeutende Vorschriften überVer-
LVII. Jahrg. 2. Heft. 6
 
Annotationen