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Nr. 31. HEIDELBERGER 1864.
JAHRBÜCHER DER LITERATÜR.

Calvin d’apres Calvin. Fragments extraits des Oeuvres franqaises
du Reformateur, par C. 0. Viguet et D. Tissot. Geneve,
Joel Cherbuliez, 1864, in 8. de XVI et 453 p.
Als die evangelische Allianz im Herbst 1861 ihre vierte all-
gemeine Versammlung in Genf hielt, widmete sie dem Reformator
und der Reformation dieser Stadt eine ganze Sitzung. Die Folge
davon war der Beschluss, das dreihundertjährige Andenken des
Todestags Calvin’s am 27. Mai 1864 zu feiern. Er fand in Frank-
reich, in Deutschland, in England lebhaften Anklang. Dies ward
die Veranlassung des hier anzukündigenden Buches. Calvin ist
weniger gekannt als berühmt: einige bezeichnende Züge, die Härten
seines Charakters besonders, sind in aller Mund; in sein innerstes
Wesen sind nicht sehr Viele eingedrungen. Selten erzählt man
von der persönlichen Schüchternheit, die sich mit seinem unbeug-
samen Muth für die zu vertheidigende Sache paarte; selten von
der Selbstvergessenheit bei der Hingebung an seine Lebensaufgabe.
Wie christlich demüthig der Mann von sich selbst dachte, weiss
mancher nicht, der in ihm nur den Alleinherrscher in Kirche und
Staat erblickt, die ihm eins waren; und doch war für ihn diese
Macht eine unpersönliche, eine Gewalt der Nothwendigkeit, ein Be-
dingniss des Sieges der Wahrheit; in seinem Sinn stand sein Be-
ruf so hoch, seine Person so niedrig, dass er sich, selbst als Werk-
zeug Gottes, nur mit Zerknirschung betrachtete.
Um ein getreues unparteiisches Bild Calvin’s darzustellen, haben
die Verfasser des obengenannten Buches unternommen, Calvin selbst
dem Leser vorzuführen. Eine Auswahl derjenigen Theile oder
Stellen seiner französischen Schriften, in denen das eigenthümliche
Wesen, die Meinungen, der Gedankengang, die Lehre, die Geistes-
gaben, die Schreibart, die Sprache des Mannes am lebhaftesten
ausgeprägt sind, bilden in 450 Octavseiten ein übereinstimmendes
Ganzes, in welchem Freund und Feind den mächtigen Beförderer
der Genfer Umwälzung erkennen werden. Die Auszüge sind in fünf
Abtheilungen zusammengestellt: 1) Autobiographie; 2) Exegese;
3) Dogmatik; 4) Predigt; 5) Einzelne Gedanken. Nachdem, was
30 eben von dem Charakter Calvin’s gesagt worden, wird Niemand
unter dem Titel Autobiographie eine bewundernde Selbstschau er-
warten. Mit kindlicher Einfalt erzält er seinen Lesern in einer
Vorrede die Geschichte seiner Erziehung, der Entwickelung seines
Glaubens und die spätem Erlebnisse. In Briefen an Kirchen, an
Bekannte, an fürstliche Personen rechtfertigt er sich oder lässt auf
LVII. Jahrg 7. Heft. 81
 
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