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Ur. 42. HEIDELBERGER 1864.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
....'■·' .. ' - 1- ■
Orthodoxie und Philosophie. Von Lic. Dr. HendewtrJc, Pfarrer
zu Heiligen-Kreuz. Königsberg in Pr., Wilhelm Koch, 1863.
36 S. gr. 8.
Zu verschiedenen Zeiten waren bis auf unsere Tage die in der
Aufschrift genannten beiden Hauptrichtungen menschlicher üeber-
zeugung von göttlichen Dingen in einem mehr oder minder hefti-
gen Kampfe. Es ist ein solcher Kampf um so erklärlicher, als sich
die beiden streitenden Mächte auf die zwei entgegengesetzten Prin-
cipien religiöser Erkenntniss, die Orthodoxie auf das unbedingte
Glauben an das unfehlbare Ansehn eines Dritten, die Philosophie
auf das Recht der Prüfung durch die Vernunft, frei von jeder vor-
gefasster. Meinung, stützen. Gewiss muss man es als ein erfreu-
liches Zeichen des Fortschrittes in der evangelisch-protestantischen
Kirche betrachten, wenn man immer mehr einsehen lernt, dass das
wahre Lebensprincip des Protestantismus in der Bekämpfung der
auf dem unfehlbar und allein selig machend sein wollenden Auto-
ritätsglauben gestützten über- oder widervernünftigen Dogmen und
in der Nachweisung der mit der Offenbarung der Vernunft, der
Natur und des Gewissens im Einklänge stehenden Grundanschau-
ungen des Christenthums besteht. Denn nicht seiner Wunder,
Weissagungen und unbegreiflichen Mysterien wegen, sondern wegen
der Harmonie seiner Grundlehren mit den Forderungen vorurteils-
losen religiös-sittlichen Denkens und der Resultate einer besonne-
nen, nach dem Ziele der Wahrheit strebenden Speculation verdient
das Christentum die hohe Stellung, die es im Laufe der Zeit dem
Heiden- und Judentum gegenüber erlangt hat. Auch die Her-
fa art’sehe Philosophie hat eine den Bestrebungen der mit ortho-
doxen oder pietistisch-mystischen Phantastereien verquikten kirch-
lichen Reaction entgegengesetzte, durchaus vorurteilslose, die Rechte
der Religionsphilosophie wahrende Stellung eingenommen und H er-
bart selbst hat an vielen Stellen seiner Werke sich mit Entschie-
denheit gegen die ultrakirchlichen Verdunklungsversuche ausge-
sprochen. Er hat vielfach nachgewiesen, dass die alt- und neu-
testamentliche Offenbarung um so tiefer und fruchtbringender er-
fasst wird, je mehr sich ihre Harmonie mit der ewigen Offenbarung
im Gewissen und in der Vernunft des Menschengeistes und in der
Natur der Welt herausstellt.
Der Herr Verfasser der vorliegenden Schrift, Theolog und Phi-
losoph zugleich, sucht das Verhältniss der Orthodoxie, welche
der philosophischen Auffassung des Christenthums entgegenwirkt,
LVII. Jahrg. 9 Heft 42
 
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