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720 Weidenhammer: Die landwirtschaftliche Thierzucht.
der Resultate gedenken, zu welchen Hr. Weidenhammer durch
seine mehrjährigen Untersuchungen gelangte.
Es ist als erwiesen zu betrachten, dass der Ursprung der
Hauptrassen unserer Hausthiere sich ebenso weit zurück in vor-
geschichtliche, geologische Perioden verfolgen lässt, als wie die
Existenz von Gattungen und Arten. Rütimeyers geniale For-
schungen haben gezeigt wie verschiedene Arten im Laufe
der Zeit sich zu einer verschmelzen; denn die drei von den Be-
wohnern der Pfahlbauten gezüchtigten Arten von Bos sind in die
eine, von uns benutzte Art, Bos taurus, übergangen. In neuester
Zeit hat man ferner beweisende Thatsache für die fruchtbare Paa-
rung verschiedener Arten erhalten. Steht auch eben diese Paarung
vielfach als ein durch den Menschen herbeigeführtes Experiment
da, so ist die Möglichkeit Beweis genug: dass auch in der Natur
Verhältnisse eintreten können, unter denen zu verschiedenen Arten
gerechnete Individuen sich paaren.
Ebenso wie neue Arten und Rassen entstehen die zur Zeit
noch uns als Bastarde erscheinen, während sie nach langen Jahren
zu selbstständigen Gruppen geworden: ebenso sterben fortwährend
alte Arten und Rassen aus. Unter den mannigfachen Beispielen
bietet der Ur eines der bekanntesten; einst Deutschland bis zur
Ostsee bewohnend, jetzt auf den Bialowiczer Wald beschränkt.
Taucht bei der Betrachtung der unzähligen Abarten unserer
Hausthiere unwillkürlich der Gedanke auf: dass hier natürliche
Einflüsse im Verein mit künstlich hergestellten ihre Geltung aus-
übten: so kann uns nach Darwins Entwickelungen nicht mehr
zweifelhaft bleiben, dass ebenso die wildlebenden Thiere — wenn
auch nicht so schnell — den Einflüssen ausgesetzt sind, aus denen
die Variation hervorgeht. Wechsel oder Charakter des Wohn-
ortes, Kampf um das Dasein und andere Ursachen mehr haben
schliesslich die Variation, den Uebergang der Arten in andere zur
nethwendigen Folge.
Mit grosser Klarheit bespricht der Verfasser alle Ursachen und
erläutert solche durch Beispiele, welche bei unsern Hausthieren die
Veränderungen herbeiführen. Aber alle diese Forschungen führen
ihn stets zu dem Schluss: dass aus keiner der Erscheinungen in
der Lebewelt eine Berechtigung zu finden ist, dass die Arten und
die Gattungen fest normirte Typen seien. Wie der gegenwärtige
Zustand der Organismen die natürliche Folge anderer vorherge-
gangener sein muss, ebenso trägt dieser gegenwärtige Zustand den
Keim gewisser anderer Veränderungen in sich, welche die Zukunft
zur Reife bringen wird.
Die Ausstattung der kleinen lehrreichen Schrift ist eine sehr gute.
G. Leonhard.
 
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