Napoleon III.: Histoire de Jules Cösar.
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unterscheiden sollte, noch nicht gefunden. Wenn der Kaiser mit
diesen Fragen sein Werk begonnen hätte, so hätte er hiemit einen
hinreichend frühen Anlauf genommen. Weil wir von der Ansicht
ausgehen, dass die Zeit der Gracchischen Bewegungen ein im ge-
schichtlichen Zusammenhänge begründeter Ausgangspunkt der Ge-
schichte Cäsar’s ist, drum ist unseres Erachtens hier der Ort, auf
unsere Andeutung zurückzukommen, dass der Auszug aus der römi-
schen Geschichte bei seiner verhältnissmässigen Ausführlichkeit ein
Interesse der Kritik gegenüber errege, die eine lohnende Gelegen-
heit habe, der Benutzung der Quellen darin nachzuspüren.
Nun finden wir, was z. B. die drei ersten Capitel betrifft, wo
die römische Gesellschaft sich constituirt hat, dass es mit der
Forschung sehr einfach von Statten geht, und über die Fussangeln
der historischen Ungewissheiten geschickt hinweggeschritten wird.
Hauptgewährsmann ist Dionysius. Alle constitutiven Elemente der-
späteren Gesellschaft werden ziemlich voraussetzungslos, gedeckt
durch den Schild der Parallele mit den Angelsachsen im eilften
Jahrhundert, als die Normannen hinüberkamen, S. 3, in die Dar-
stellung heraufgenommen, und die Nachfrage nach der Rechtmässig-
keit durch die Erklärung beantwortet: „Nous avons adoptes celles
(nämlich les opinions) qui nous ont semble les plus probables,“ S. 4
Anm. Nach dieser Entdeckung glaubten wir darauf verzichten zu
dürfen, an Forschungen zu appelliren, die den Anspruch haben wür-
den, mit Schwegler und Ampäre zu wetteifern. Wie gesagt, der
hohe Verfasser hat seinen Standort nicht da genommen, wo ihn
der Gelehrte nimmt, und darum wird seinem Pre'cis nicht mit den
Voraussetzungen eines Gelehrten begegnet werden dürfen. Nichts
desto weniger ist auch sein Standpunkt kritischer Natur; nur haftet
seine Kritik vorzugsweise an gewissen Parteihäuptern und deren
politischer Richtung. Ohne es zu sagen, gibt er zu verstehen, dass
es ihm genüge, für classisch geltende Resultate wie namentlich die
von Mommsen und anderen deutschen Gelehrten in ihren Haupt-
zügen zn adoptiren. Selbst Ampäre*), dessen Forschungen Gre-
gorovius ein so hohes Lob zollt**), tritt dahinter zurück.
Wir wenden uns zu seinem sechsten Capitel, S. 201, welches
die Geschichte des siebenten Jahrhunderts mit seinen Aufständen,
t Bürgerkriegen, Niedermetzelungen und Aechtungen erzählt. Der
Blick des Verfassers hat die Ursache davon in dem Verluste des
Gleichgewichts zwischen dem Patriotismus der Aristokratie und dem
gesunden Sinn des Volks erkannt. Den zeitlichen Anfang des Unter-
ganges bezeichnet mit energischen Worten Sallust in seinen Fragmen-
ten (Lib. I. frgm. 12. ed. Gerlach): „Postquam remoto metu Punico
simultates exercere vacuum fuit, plurumae turbae, seditiones et ad
postremum bella civilia orta sunt, dum pauci potentes, quorum in
*) Histoire romaine ä Rome.
**) Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, Bd. I. S. 29.
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unterscheiden sollte, noch nicht gefunden. Wenn der Kaiser mit
diesen Fragen sein Werk begonnen hätte, so hätte er hiemit einen
hinreichend frühen Anlauf genommen. Weil wir von der Ansicht
ausgehen, dass die Zeit der Gracchischen Bewegungen ein im ge-
schichtlichen Zusammenhänge begründeter Ausgangspunkt der Ge-
schichte Cäsar’s ist, drum ist unseres Erachtens hier der Ort, auf
unsere Andeutung zurückzukommen, dass der Auszug aus der römi-
schen Geschichte bei seiner verhältnissmässigen Ausführlichkeit ein
Interesse der Kritik gegenüber errege, die eine lohnende Gelegen-
heit habe, der Benutzung der Quellen darin nachzuspüren.
Nun finden wir, was z. B. die drei ersten Capitel betrifft, wo
die römische Gesellschaft sich constituirt hat, dass es mit der
Forschung sehr einfach von Statten geht, und über die Fussangeln
der historischen Ungewissheiten geschickt hinweggeschritten wird.
Hauptgewährsmann ist Dionysius. Alle constitutiven Elemente der-
späteren Gesellschaft werden ziemlich voraussetzungslos, gedeckt
durch den Schild der Parallele mit den Angelsachsen im eilften
Jahrhundert, als die Normannen hinüberkamen, S. 3, in die Dar-
stellung heraufgenommen, und die Nachfrage nach der Rechtmässig-
keit durch die Erklärung beantwortet: „Nous avons adoptes celles
(nämlich les opinions) qui nous ont semble les plus probables,“ S. 4
Anm. Nach dieser Entdeckung glaubten wir darauf verzichten zu
dürfen, an Forschungen zu appelliren, die den Anspruch haben wür-
den, mit Schwegler und Ampäre zu wetteifern. Wie gesagt, der
hohe Verfasser hat seinen Standort nicht da genommen, wo ihn
der Gelehrte nimmt, und darum wird seinem Pre'cis nicht mit den
Voraussetzungen eines Gelehrten begegnet werden dürfen. Nichts
desto weniger ist auch sein Standpunkt kritischer Natur; nur haftet
seine Kritik vorzugsweise an gewissen Parteihäuptern und deren
politischer Richtung. Ohne es zu sagen, gibt er zu verstehen, dass
es ihm genüge, für classisch geltende Resultate wie namentlich die
von Mommsen und anderen deutschen Gelehrten in ihren Haupt-
zügen zn adoptiren. Selbst Ampäre*), dessen Forschungen Gre-
gorovius ein so hohes Lob zollt**), tritt dahinter zurück.
Wir wenden uns zu seinem sechsten Capitel, S. 201, welches
die Geschichte des siebenten Jahrhunderts mit seinen Aufständen,
t Bürgerkriegen, Niedermetzelungen und Aechtungen erzählt. Der
Blick des Verfassers hat die Ursache davon in dem Verluste des
Gleichgewichts zwischen dem Patriotismus der Aristokratie und dem
gesunden Sinn des Volks erkannt. Den zeitlichen Anfang des Unter-
ganges bezeichnet mit energischen Worten Sallust in seinen Fragmen-
ten (Lib. I. frgm. 12. ed. Gerlach): „Postquam remoto metu Punico
simultates exercere vacuum fuit, plurumae turbae, seditiones et ad
postremum bella civilia orta sunt, dum pauci potentes, quorum in
*) Histoire romaine ä Rome.
**) Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, Bd. I. S. 29.