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Nr. 55. HEIDELBERGER 1866.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Kalmükische Märchen. Die Märchen des Siddhi-kür oder Erzählun-
gen eines verzauberten Todten. Ein Beitrag zur Sagenkunde
auf buddhistischem Gebiet. Aus dem Kalmükischen übersetzt
von B. Jülg. Leipzig 1866. (Druck der k. k. Hof-und Staats-
druckerei in Wien). VI u. 69. Klein-Quart.
Den mehrfachen wichtigen Arbeiten, welche in den letzten
Jahren auf dem Gebiete der orientalischen Märchenlitteratur er-
schienen sind und die in so bedeutendem Maasse zu einer ein-
dringenderen Kenntniss dieses in mehr als einer Beziehung einfluss-
reichen Zweiges der allgemeinen Volksdichtung beigetragen haben,
reiht die vorliegende Uebersetzung des Siddhi-kür sich auf das
erwünschteste an. Auf die Wichtigkeit desselben in genannter
Beziehung und namentlich »für die Erkenntniss der Art wie die
indischen Conceptionen nach dem Abendlande übergingen« hat
Benfey zum Pantschatantra mehrfach hingewiesen; vgl. daselbst
1, 21 f. Zwar hat bekanntlich schon Benjamin Bergmann (Noma-
dische Streifereien unter den Kalmüken, Riga 1804 Bd. I.) eine
Uebersetzung des Siddhi-kür gegeben; jedoch hören wir, was Jülg
in der Einleitung der Textausgabe (S. XIII.) in dieser Beziehung
bemerkt: »Ich glaubte aber auch, sagt er nämlich, eine Ueber-
setzung der Mährchen beifügen zu müssen. Man könnte dieselbe
im Hinblick auf die Bergmann’sche vielleicht für überflüssig halten.
Allein bei genauerer Vergleichung wird man bald gewahr werden,
dass Bergmann häufig sehr ungenau, mehr dilettantenmässig, an
sehr vielen Stellen geradezu falsch übersetzt. Es soll das Berg-
mann keineswegs zum Vorwurf gemacht werden; er besass für
seine Zeit eine tüchtige Kenntniss des Kalmükischen; seine Ueber-
setzung war für jene Zeit ein Meisterwerk und liest sich selbst
heute noch sehr angenehm. Allein philologisch genau ist sie nicht; an
■ vielen Stellen wird ein wesentlich verschiedener Sinn sich ergeben,
^der für die ganze Auffassung von Wichtigkeit ist. Ich habe das
Colorit des Originals, so weit es mit dem Genius der deutschen
Sprache vereinbar schien, beizubebalten gesucht. Es soll die deutsche
Uebersetzung zugleich beim Studium des kalmükischen Textes unter-
stützend und fördernd an die Hand gehen. Wäre sie ohne diesen
Nebenzweck, zugleich das Verständniss des Urtextes zu erleichtern,
gefertigt worden, wenn der Charakter des Originals verwischt werden
sollte oder wenn bloss die deutsche Erzählung als solche zu geben ge-
wesen wäre, so würde sie allerdings anders ausgefallen sein.« Ich
komme was letztem Punkt betrifft, weiter unten noch einmal
LIX. Jahrg. 11. Heft. 55
 
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