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Janssen: Johann Friedrich Böhmer’s Lehen.
seine Regesten, sein Frankfurter Urkundenbuch , seine Fontes sind
bahnbrechende Arbeiten von grösstem Werthe, und für die Wissen-
schaft ist es wohl ohne Frage ein Glück, dass er durch die Ver-
bindung mit dem Freiherrn von Stein und dem Unternehmen der
Monumenta Germaniae auf diese Wege geführt wurde, aber er selbst
hielt noch lange an der Absicht grosser darstellender Werke fest,
durch welche er auf die Ansichten der Zeitgenossen bedeutend ein-
zuwirken hoffte. Uns können seine Arbeiten vollkommen genügen,
aber seinen Absichten und Wünschen genügten sie nicht. Er er-
innert in dieser Hinsicht an Lappenberg.
Was aber seine Lebensrichtung, seine Gesinnung betrifft, so
war sie sehr entschieden und lebhaft vaterländisch, und dieses
Vaterland konnte er sich nur in der Form von Kaiser und Reich
denken. Er war anfangs so wenig conservativ, dass er Sand’s
That enthusiastisch begrüsste; später aber konnte er sich mit den
liberalen Bestrebungen in keiner Form befreunden.
Seinen Standpunkt hat ei' niemals aufgegeben, aber die Briefe
der letzten Jahre enthalten Aussprüche, welche seine klare Einsicht
zeigen, dass sein Weg zu keinem Ziele führe, nur könne er keinen
andern mehr einschlagen. Diese Stimmung spricht sich z. B. aus
in den Worten (3, 377): »Fickers Reichsfürstenstand that mir
web, weil ich daraus entnahm, dass die Zerfahrenheit der deutschen
Reichsverfassung doch noch grösser war, als ich mir schon vorge-
stellt hatte.« Und manche andere Stelle liesse sich beibringen.
Einen jungen Freund, der ihm eine Schrift widmen will, warnt er
3, 198: »Es ist schön in der Jugendzeit, wenn auch nicht ohne
Grundsätze und Gesinnung, doch ohne Partei sein zu dürfen, und
dadurch den Achtbaren in allen Parteien menschlich näher zu ste-
hen.« Er ist weit entfernt, Andern für seine Richtung gewinnen
zu wollen, deren Unfruchtbarkeit er schmerzlich empfindet. Der
Schwärmerei für das alte Reich entsprang auch seine Hinneigung
zur katholischen Kirche, die bestärkt wurde durch die Vertiefung
in die altdeutsche Kunst, und den Künstlerkreis, in welchem er in
Rom lebte. Damals war er ganz überwiegend diesen Interessen
zugethan; hauptsächlich durch den Freiherrn von Stein ist er den
historischen Arbeiten zugeführt. Er hatte eine tiefe Abneigung
gegen die Reformation, als die Ursache der Spaltung Deutschlands,
aber der Glaube seiner eifrigen Freunde fehle ihm. Darin steht er
gerade so da wie Gentz, so unähnlich übrigens beide sind. Als
sein Freund Hübsch ihn drängt katholisch zu werden, antwortet
er ihm die merkwürdigen Worte (3, 352): »Sonst weisst Du ja
wohl, was für ein unschuldiges Leben ich führe, und weisst auch
wohl was das heisst, im neunzehnten Jahrhundert leben.« Ueber-
baupt, so leidenschaftlich in seinem Gefühl Böhmer einer bestimm-
ten Parteirichtung zugethan war, so wenig liess er sich je dadurch
den Blick trüben; wie er 2, 341 schreibt: »Ich mache die Augen
gern auf.« So spricht er sich auch 1845 an Hurter 2, 400 sehr
Janssen: Johann Friedrich Böhmer’s Lehen.
seine Regesten, sein Frankfurter Urkundenbuch , seine Fontes sind
bahnbrechende Arbeiten von grösstem Werthe, und für die Wissen-
schaft ist es wohl ohne Frage ein Glück, dass er durch die Ver-
bindung mit dem Freiherrn von Stein und dem Unternehmen der
Monumenta Germaniae auf diese Wege geführt wurde, aber er selbst
hielt noch lange an der Absicht grosser darstellender Werke fest,
durch welche er auf die Ansichten der Zeitgenossen bedeutend ein-
zuwirken hoffte. Uns können seine Arbeiten vollkommen genügen,
aber seinen Absichten und Wünschen genügten sie nicht. Er er-
innert in dieser Hinsicht an Lappenberg.
Was aber seine Lebensrichtung, seine Gesinnung betrifft, so
war sie sehr entschieden und lebhaft vaterländisch, und dieses
Vaterland konnte er sich nur in der Form von Kaiser und Reich
denken. Er war anfangs so wenig conservativ, dass er Sand’s
That enthusiastisch begrüsste; später aber konnte er sich mit den
liberalen Bestrebungen in keiner Form befreunden.
Seinen Standpunkt hat ei' niemals aufgegeben, aber die Briefe
der letzten Jahre enthalten Aussprüche, welche seine klare Einsicht
zeigen, dass sein Weg zu keinem Ziele führe, nur könne er keinen
andern mehr einschlagen. Diese Stimmung spricht sich z. B. aus
in den Worten (3, 377): »Fickers Reichsfürstenstand that mir
web, weil ich daraus entnahm, dass die Zerfahrenheit der deutschen
Reichsverfassung doch noch grösser war, als ich mir schon vorge-
stellt hatte.« Und manche andere Stelle liesse sich beibringen.
Einen jungen Freund, der ihm eine Schrift widmen will, warnt er
3, 198: »Es ist schön in der Jugendzeit, wenn auch nicht ohne
Grundsätze und Gesinnung, doch ohne Partei sein zu dürfen, und
dadurch den Achtbaren in allen Parteien menschlich näher zu ste-
hen.« Er ist weit entfernt, Andern für seine Richtung gewinnen
zu wollen, deren Unfruchtbarkeit er schmerzlich empfindet. Der
Schwärmerei für das alte Reich entsprang auch seine Hinneigung
zur katholischen Kirche, die bestärkt wurde durch die Vertiefung
in die altdeutsche Kunst, und den Künstlerkreis, in welchem er in
Rom lebte. Damals war er ganz überwiegend diesen Interessen
zugethan; hauptsächlich durch den Freiherrn von Stein ist er den
historischen Arbeiten zugeführt. Er hatte eine tiefe Abneigung
gegen die Reformation, als die Ursache der Spaltung Deutschlands,
aber der Glaube seiner eifrigen Freunde fehle ihm. Darin steht er
gerade so da wie Gentz, so unähnlich übrigens beide sind. Als
sein Freund Hübsch ihn drängt katholisch zu werden, antwortet
er ihm die merkwürdigen Worte (3, 352): »Sonst weisst Du ja
wohl, was für ein unschuldiges Leben ich führe, und weisst auch
wohl was das heisst, im neunzehnten Jahrhundert leben.« Ueber-
baupt, so leidenschaftlich in seinem Gefühl Böhmer einer bestimm-
ten Parteirichtung zugethan war, so wenig liess er sich je dadurch
den Blick trüben; wie er 2, 341 schreibt: »Ich mache die Augen
gern auf.« So spricht er sich auch 1845 an Hurter 2, 400 sehr