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Sallustius. Ed, Jordan und Dietsch.

die Behauptung, er habe sie durch das Bewusstsein des gemein-
samen Verbrechens mehr binden wollen, als eine willkürliche Aus-
legung erscheint. Anstatt nun dicebant oder affirmabant zu
setzen, hat er mit dem Inf. bistor. abgewechselt wie Jug. 32
fuere qui traderent — alio — vendere —pars — agebant. Was ist
nun da Absurdes, Ungereimtes, Unglaubliches? Was wird man sagen
über Cicero pro Domo, ad pont. 34, 92 ; inducis sermonem urbanum
et venustum, me dicere solere, esse me Jovem eundemque dictitare,
Minervam esse sororem meam.«In diesem Falle wäre eine Berichtigung
der Begriffe über’ die sogenannte Sallustiana brevit nicht überflüssig,
wie denn ein fleissiges Lesen des Excurses von Corte zu dieser Stelle
noch manche Irrthümer neuerer Interpreten berichtigen könnte,
wenn sie schon lateinisch verstehen, den historischen Stil zu wür-
digen wissen und den Salust kennen. Einstweilen also behaupten
wir die Unverdorbenheit des Salustianischen Textes an dieser Stelle
und glauben, dass ein gewisser Unwille der kritischen Spürkraft
einigen Eintrag gethan habe.
Aber noch weit mehr liegt eine andere Stelle im Argen, näm-
lich in cap. 53 die Worte: sicuti effeta parentum. Diese
hat unsern Kritiker noch weit mehr in Harnisch gebracht,
denn da heisst es im Rheinischen Museum XXI. S. 316. »Wer ein
lebendiges Bild vor Augen haben will, was moderne Interpretir-
kunst in Ausstattung von Gedankenlosigkeiten, von sprachlichen
Ungeheuerlichkeiten, von logischen Unmöglichkeiten zu leisten im
Stande gewesen, der muss unsern Salust lesen. Ein Beispiel unter
Dutzenden — man muss unwillkürlich an die Mommsischen Dutzend-
könige denken — ist Catil. 53, 5: »ac sicuti effeta parentum, nullis
tompestatibus haud suae quisquam Romae virtute magnus fuit.« Die
Stelle wird dann durch ein eingesetztes vi corrigirt. Diesem Macht-
spruch hat sich dann Herr Dietsch gefügt, dagegen Herr Jordan
hat effeta parente gewagt. Ob diess Verbesserungen des Salust
sind, wollen wir sehen.
Salust hat nach einer sehr allgemein verbreiteten Anschau-
ungsweise Rom mit einer Mutter verglichen. Wie die Mutter Kin-
der gebärt, so erzeugt die Stadt Bürger. Aber durch viele Ge-
burten wird die Mutter geschwächt, und in der Stadt nehmen die
grossen Männer ab. Also der Vergleich ist, wie wir bemerken,
nicht ganz consequent durchgeführt, indem den Geburten die gros-
sen Männer statt der Bürger gegenübergestellt werden. Die drei
Glieder der Vergleichung sind nur in ausdrucksvoller Kürze zu-
sammengezogen. Anstatt zu sagen: die Mutter nach vielen Ge-
burten ist erschöpft, und die Stadt, nachdem sie viele grosse Män-
ner erzeugt hatte, besass keine Kraft mehr, sagt er ganz kurz:
wie zu den Müttern ein durch Geburten abgeschwächtes Weib sich
verhält, so das spätere Rom zu dem frühem, nachdem es keine grossen
Männer mehr erzeugte. Ich sehe in dieser Gegenüberstellung kei-
nen Unsinn. Aber betrachten wir die obige Conjectur. Auf-
fallend ist erstens der Plural parentum, welches mit Voreltern über-
 
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