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908 Scherer: Geschichte der deutschen Sprache.
Wilhel m Scherer, Zur Geschichte der deutschen Sprache. Berlin
1868, S. XVI, 492,
Niemand wird bestreiten, dass das vorliegende Buch das wich-
tigste ist, das seit lange über die deutsche Grammatik erschienen
ist. Es ist in jenem wissenschaftlichen Sinne geschrieben, welcher
nicht nur die äussere Erscheinung klar und sicher aufzufassen und
darzustellen sucht, sondern so tief wie möglich in die letzten Gründe
einzudringen bestrebt ist. In diesem Streben dürfte es auch auf
dem Gebiete der allgemeinen Sprachwissenschaft ein bleibendes
Verdienst beanspruchen, als ein Beitrag zu der Untersuchung über
die Entstehung und Entwicklung der Sprache überhaupt. Um so
erfreulicher ist es, dass nicht eine einzelne Erscheinung oder Er-
scheinungsgruppe den Gegenstand bildet, sondern der ganze Um-
kreis der Laut und Flexionslehre von Scherer neu und erfolgreich
durchgearbeitet worden ist.
Indem der Ref. sich anschickt den Gang dieser Untersuchun-
gen kurz zusammenzufassen, die darin neu aufgestellten Ansichten
hervorzuheben, zu einigem auch, wie dies bei eiuem so grossartig
aufgeiassten und kühn durchgeführten Werke nicht anders sein
kann, einige Bedenken vorzutragen, bemerkt er im voraus, dass er
genöthigt ist, abgesehen von der Begründung der einzelnen An-
sichten Scherers, selbst eine Anzahl seiner neuen und treffenden
Bemerkungen zu übergehen, welche dem Buche als Beispiele oder
sonst nebenbei eingefügt sind. Es wird hier hauptsächlich darauf
ankommen, den Zusammenhang der zu einer festen Kette anein-
andergeknüpften Bemerkungen hervortreten zu lassen.
Der erste Theil des Buches beschäftigt sich mit der Lautlehre
und speciell den drei Gesetzen, welche man als die Haupteigen-
thümlichkeiten dei’ deutschen Sprache bezeichnet hat, dem Ablaut,
der Lautverschiebung, den Auslautsgesetzen. Ersterem bestreitet
Scherer jedoch die specifische Eigenschaft, weil mehrere der ari-
schen Schwestersprachen ihn ebenfalls, wenn auch in weit be-
schränkteren Umfang kennen: dies gilt freilich auch von der
Lautverschiebung, der Senkung der Aspiraten zu den Medien, und
wenigstens zu dem consonantischen Auslautsgesetz. Dass der Ab-
laut nicht auf inneren Gründen, auf der Vorliebe der ersten Bildner
der germanischen Ursprache, wie J. Grimm wollte, sondern auf der
Einwirkung der Flexions- und Bildungssilben beruht, ist jetzt bereits
wol allgemein anerkannt. Scherer vereinigt die Erscheinungen des
Ablauts in zwei Gruppen ; die eine umfasst die Stämme mit a, die
andere die mit i und u. Erstere nehmen mehrfach i und u an
durch eine Vocalspaltung, welche Scherer nach Müllenhofif’s Be-
merkung durch die Vorstufen c und o hindurebgegangen sein lässt.
Sie erhalten a, ä oder nehmen langes o im Praeteritum an, weil
der eigentliche Stammvocal in Folge der überwiegenden Betonung
der Beduplication ausgefallen ist (p. 16). Den Ablaut der i und
 
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