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370

Staat und Kirche nach lutherischer, reformierter,
moderner Anschauung.1
Von
Karl Kieker.
Dem Unterschiede der lutherischen und reformierten An-
schauung über Staat und Kirche ist in unserem Jahrhundert keine
grosse Aufmerksamkeit gewidmet worden. Mancherlei Ursachen
haben hier zusammengewirkt.
Einmal schien der ganze Unterschied zwischen lutherischem
und reformiertem Protestantismus nicht viel zu bedeuten. Die
Unterscheidungslehren, die die Theologen trieben, hielt man ent-
weder für Spitzfindigkeiten oder man dachte, die Übereinstimmung
in der Hauptsache sei grösser als die Differenz in den Neben-
punkten. Was einst Friedrich Wilhelm I. von Preussen mit Be-
ziehung auf die beiden Zweige des Protestantismus an einen
Berliner Probst geschrieben hatte, das war auch in unserem Jahr-
hundert lange Zeit die Anschauung der gebildeten Kreise: „der
Unterschied zwischen unseren beiden Religionen ist wahrlich ein
Pfaffengezänk; denn äusserlich ist ein grosser Unterschied; wenn
man es aber examiniert, so ist es derselbe Glaube in allen Stücken;

1 Das Folgende ist auf der Meissener Kirchen- und Pastoralkonferenz
des Jahres 1898 vorgetragen worden. Die Eingangs- und Schlussworte sind
hier weggelassen; vieles ist im Druck weiter ausgeführt und näher be-
gründet worden; einige Stellen habe ich aus einem früheren Vortrag über
„Protestantismus und Staatskirchentum“ (abgedruckt in der Deutschen Zeit-
schrift für Kirchenrecht, Bd. VII, S. 145 ff.) aufgenommen. Dass ich die
lutherische Anschauung kürzer behandelt habe, als die weniger bekannte
reformierte, wird man für gerechtfertigt halten; im übrigen verweise ich
auf die eingehende Darstellung, die ich von jener in meinem Buche über
„die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands in ihrer
geschichtlichen Entwickelung bis zur Gegenwart“ gegeben habe.
 
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