Illustrirte Welt.
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„und wenn
hnlichen Ge-
ne noch ein
Wir werden warten," erwicderte Gaboriau, „aber
sagen Sie mir, was haben Sie da für eine reizende Kell-
EM — ich erinnere mich nicht, sie gesehen zu haben, fast
scheint sie mir für Ihr Geschäft zu zart."
Der Wirth warf einen feindlich drohenden Blick auf
das junge Mädchen.
Es ist meine Tochter," sagte er kurz und kalt, indem
für "einen Augenblick das Lächeln von seinen Lippen ver-
schwand, „sie ist herangewachsen und es ist wohl Zeit, daß
sie mir in meinem Geschäft hilft und ihren Platz im Hause
ausfüllt."
Das junge Mädchen senkte den Kopf auf den Schenk-
tisch herab — der Blick ihres Vaters schien sie erschreckt
zu haben.
Der Wirth aber wendete sich lauschend nach der Ein-
qangsthür — man hörte Schritte und laute Stimmen auf
dem Vorplatz.
„Ah," sagte Gaboriau, „cs wird lebhaft — die Gesell-
schaft kommt."
Armand, der bisher noch immer zerstreut dagesessen
hatte, blickte neugierig nach der Thür.
Herr von Civry schien auch jetzt noch mehr Interesse
für die schöne Kellnerin zu haben, welche sich noch tiefer
in dem Schatten hinter dem Schenktisch verbarg, als für
alles klebrige.
Im nächsten Augenblick traten zwei neue Gäste ein. --
Beide waren nut jener zweifelhaften Eleganz gekleidet, welche
ein eigenthümliches Kennzeichen jener Welt dunkler Exi-
stenzen ist, die aus dem Nebel auftauchen und meist im
Nebel wieder verschwinden.
Der Eine war ein junger Mann von etwa dreiund-
zwanzig Jahren, mit einem Gesicht, dessen welke, unreine
Blässe darauf schließen ließ, daß er seine Kindheit als Ga-
min in den Straßen von Paris verlebt und seine Jugend
in niedrigen Ausschweifungen verbracht haben mochte.
Seine Augen waren trotz des unheimlichen Feuers, das
zuweilen in ihnen aufloderte, matt und trübe, ein Zug
cynischer Unverschämtheit lag auf seinen welken Lippen und
seine lockig frisirten Haare glänzten von stark duftender
Pomade. Sein Begleiter mochte etwa dreißig bis fünf-
unddreißig Jahre alt sein — sein dunkles Haar war dünn,
seine Gestalt hager und eckig, ein starker schwarzer Bart
bedeckte den untern Theil feines Gesichts, von dem man
nur eine scharf vorspringende Stirn, eine starke Nase und
blitzende, listig lauernde Augen sah — er machte in seiner
Haltung und seinen Manieren den Eindruck eines mit allen
Windungen eines abenteuerlichen Lebens vertrauten und
von allen Leidenschaften des Lebens bewegten, aber durch
dieselben noch nicht erschöpften Mannes, der vielleicht von
der Höhe besserer Verhältnisse in stufenweisem Fall bis zu
dem Niveau seines unzweifelhaft aus der Tiefe des Schlam-
mes emporgestiegenen Gefährten herabgesunken sein mochte.
Beide trugen Anzüge, deren Schnitt vollkommen der neue-
sten Mode entsprach, während die zahlreichen Flecken, die
etwas zerdrückte und unreine Wäsche und die wenig glän-
zenden Stiefel bewiesen, daß sie nicht gewöhnt waren, sich
m den Salons der eleganten Welt zu bewegen.
„Guten Abend, Herr Adhsmar — guten Abend, Herr
von Eraquepignol," sagte der Wirth, indem er die beiden An-
gekommenen begrüßte und sie zugleich durch einen Seiten-
blick auf Gaboriau und feine beiden Begleiter zu vorsich-
tiger Zurückhaltung aufzufordern schien, „wo haben Sie
herumgeschwärmt? — Sie sind lange nicht hier gewesen!"
„Ich muß diesen leichtsinnigen Adhsmar ein wenig be-
aufsichtigen," sagte der Aeltere der Beiden, „und ihm mit
meiner Erfahrung zur Seite stehen — die Frauen sind
ganz versessen auf ihn, und wenn ich ihn nicht zurückhielte,
so hätte er sich ü sorxs xsrclu in die Arme einer Marquise
gestürzt, die in dem Salon der Herzogin von Chsvrefeuillc
sich alle Mühe gab, ihn in ihren Netzen zu fangen — ich
kenne das," fügte er hinzu, indem er leicht blinzelnd die
Wirkung seiner Worte auf die drei ihm unbekannten Herren
beobachtete, „diese großen Damen sind schlimmer als die
Loretten, und noch mehr im Stande als jene, einen jungen
Mann von offenem Herzen und offener Hand wie diesen
Adhsmar zu ruiniren — ich habe seinen Arm genommen
und ihn aus dein Salon fortgeführt, indem ich ihm sagte,
wir wollen zu Meister Enoque gehen und ein Glas von
seinem vortrefflichen Punsch trinken — er ist mir, wider-
strebend zwar, gefolgt, aber ich bin überzeugt, er wird mir
später danken — ich habe einmal eine väterliche Zärtlich-
keit für ihn, die er nicht verdient, und möchte ihn davor be-
wahren, seine Erfahrung so theuer zu bezahlen, wie ich es
gethan habe."
„Was wollen Sie," erwicderte der junge Adhsmar,
mdem er mit der Hand durch seine Haare fuhr und eben-
falls nach den drei Herren hinüber blickte, „man ist nur
einmal jung und ich habe für die Augen einer schönen Frau,
ich gestehe es, eine schwache Seite, die mich allerdings
manche Thorheiten begehen läßt, aber es ist doch auch
schwer zu widerstehen, wenn wir die Seufzer und schmach-
tenden Blicke sehen, die man auf uns richtet."
,,Ja, ja," sagte Herr von Craquepiguol, „er macht alle
Weiber toll, aber ihre Liebe für ihn hindert sie doch nicht,
ihn auszuplündern — dießmal habe ich ihn gerettet und
wir wollen bei einem Glase Punsch und einer Partie
kwarts wie vernünftige Leute die tändelnden Schmetterlinge
vergessen, welche unS so reizend umgaukeln und doch einen
stachel besitzen wie die bösen Wespen."
Beide nahmen an einem Tisch unmittelbar neben den
drei Herren Platz. Der alte Enoque bereitete zwei Gläser
heißen Punsch und winkte seiner Tochter, dieselben den
neuen Gästen zu servircn, während er zugleich zwei ziem-
lich schmutzige und abgegriffene Kartenspiele aus einem
Schubfach des Schenktisches hervorzog und sie auf den Tisch
legte.
„Ah, die schöne Judith," sagte Adhsmar, „sie wird
jeden Tag hübscher — Sie haben nicht Recht gehabt, mich
hieher zu führen, Herr von Craquepiguol, denn diese Kleine
da wird das Feuer in meinem Herzen, das Sie löschen
wollen, wohl neu entflammen Sie werden Chance im
Ecarts haben, denn meine Augen und Gedanken werden
ganz von der schönen Judith gefangen genommen sein."
Zugleich ergriff er die Hand des jungen Mädchens und
versuchte seiuen Arm um ihre Hüften zu schlingen — sie
aber riß sich schnell von ihm los, indem ihr Gesicht in
hohem Unwillen erglühte.
Herr von Civry machte eine Bewegung, als wolle er
sich zum Schutz des Mädchens erheben — der alte Enoque
aber sagte, indem das unterwürfige Lächeln seiner Lippen
einem harten, strengen Ausdruck Platz machte und ein eigen-
thümlich gebieterisch drohender Blitz aus seinen Augen schoß,
mit leiser Stimme, in welcher jedoch die Zuversicht lag,
daß sein Befehl unbedingt Gehorsam finden würde:
„Wozu die Possen — ich will das nicht — das ist
nichts für Euch."
Der junge Adhsmar schlug scheu die Augen nieder und
mischte mit verlegener Miene seine Karten.
Gaboriau rieb sich unendlich vergnügt die Hände —
Herr von Civry blickte wieder zu dem jungen Mädchen
hinüber, welches seinen Platz hinter dem Schenktisch ein-
genommen hatte, und Armand betrachtete die ganze Szene
mit stets wachsendem Interesse an dein ihm so neuen und
ungewohnten Schauspiel.
„Nicht wahr, das ist höchst amüsant," flüsterte Ga-
boriau seinen Freunden zu, „aber warten Sie nur, es wird
immer besser werden."
„Wir spielen wie gewöhnlich zwanzig Franken die
Partie," sagte Herr von Eraquepignol, indem er ein Gold-
stück aus seiner Westentasche zog und klirrend auf den Tisch
fallen ließ.
Adhsmar nickte — die scharfe Mahnung des alten
Enoque schien seine Zuversicht bedeutend herabgestimmt zu
haben — obgleich er zerstreut und unaufmerksam schien,
gewann er doch nach kurzer Zeit die Partie. Eraquepignol
schob gleichgültig daö Zwauzigfrankstück auf seine Seite
hinüber. Man gab zum zweiten Mal — das Glück schien
sich gewendet zu haben, dießmal gewann Craquepiguol und
das Zwanzigfrankstück kehrte auf seinen alten Platz zurück.
„Sehen Sie," sagte Gaboriau leise, „Sie können dort
das Geheimnis; lernen, wie man mit einem Goldstück hohes
und vornehmes Spiel spielt — dieses Zwauzigfrankstück
wird unzweifelhaft noch mehrmals seinen Weg hin und
zurück machen, und außerdem bin ich überzeugt, daß es vor
einer Prüfung auf der Bank von Frankreich nicht Stich
halten würde."
Seine Vermuthung bestätigte sich, denn in der That
schien das Glück seine Gunst genau zwischen den beiden
Spielern zu theilen — das Zwauzigfrankstück wanderte mit
der Regelmäßigkeit eines Pendels, zwischen Eraquepignol
und Adhsmar hin und her. Nachdem dieß noch einigemal
geschehen, warf Eraquepignol die Karten auf den Tisch.
„Sie sind unverbesserlich," rief er, „Sie achten nicht
auf das Spiel — die Weiber werden Sie dennoch verdor-
ben — Sie werfen die besten Chancen fort — es wäre
ein Raub, wenn ich weiter mit Ihnen spielen würde."
Die drei Herren hatten mit aufmerksamem Interesse
dem Spiel zugehört.
„Es ist in der That wenig unterhaltend," sagte Cra-
quepignol, indem er sich leicht grüßend nach ihrer Seite hin
verneigte, „mit einem Gegner zu spielen, der an andere
Dinge denkt — diese Herren scheinen Interesse an unserer
Partie zu nehmen, das Ecarts ist in der That so einfach,
es scheint in seinen wechselnden Chancen äußerst anregend
— wäre es vielleicht einem der Herren gefällig, sein Glück
mit mir zu versuchen — ich bin," fügte er mit einem prüfenden
Bück hinzu, „zu jedem Satz bereit, wenn unsere gewöhn-
liche Partie zu zwanzig Franken Ihnen zu hoch scheint,
denn ich spiele nur um der Zerstreuung, nicht um deö Ge-
winnes willen."
„Nehmen Sie an," flüsterte Gaboriau den beiden An-
deren zu, „es wird einige Zwanzigfrankftücke kosten, aber
wir werden einen Grund haben, hier noch länger zu ver-
weilen, ohne Aufsehen zu erregen, und ich bin überzeugt,
daß wir noch vieles Unterhaltende sehen werden."
Herr von Civry verneigte sich gegen Craquepiguol —
man rückte die beiden Tische neben einander, Gaboriau
ließ eine neue Flasche Bordeaux kommen und bot den beiden
Fremden ein Glas Wein an, das diese auch ohne weitere
Ceremonie annahmcn.
Das Spiel begann — Adhsmar lehnte sich in seinen
Stuhl zurück und blickte, so oft der alte Enoque sich ab-
wendete, nach der schönen Judith hinüber, welche indes;
wenig von der Anziehungskraft zu empfinden schien, die
der junge Mensch nach seines Freundes Erzählung auf alle
weiblichen Herzen ausübte.
Herr von Civry spielte zerstreut und gleichgültig, wäh-
rend Gaboriau und Armand aufmerksam die in hastiger
Bewegung zuckenden Finger seines Partners beobachteten,
der abermals sein Zwanzigfrankstück neben sich gelegt hatte,
ohne daß dasselbe sich jedoch dießmal von seinem Platz ent-
fernte, denn durch eine wunderbare Fügung markirte er
jedesmal im entscheidenden Augenblick den König, und das
bisher so einsame Goldstück bestand sich bald in der Gesell-
schaft einiger anderen, welche aus Herrn von Civry's Tasche
herüberwanderten, und jedesmal wurde Craqucpignol's
Miene heiterer und zufriedener, und immer verbindlicher bot
er Herrn von Civry eine neue Partie zur Revanche an.
Abermals öffnete sich die Thür und ein riesiger, herku-
lisch gebauter Mensch trat schweren, dröhnenden Schrittes
in die Schenkstnbe. Er trug die blaue Blouse der Arbeiter,
seine großen, kräftigen Hände waren leicht geschwärzt, wie
das bei Schlossern oder Eisenarbcitcrn der Fall zu sein
pflegt, sein starker Kopf auf einem gedrungenen Halse mit
stierartigem Nacken war mit dunkelblonden, dichten und
kurzgeschorenen Haaren bedeckt, sein geröthetes Gesicht mit
breiter Stirn und mit etwas vorstehenden blauen Augen
ließ auf ein Alter von etwa achtnudzwanzig Jahren schließen
und wäre, in seinen regelmäßigen, energische Willenskraft
ausdrückcnden Zügen fast schön zu nennen gewesen, wenn
nicht in seinen Blicken eine unbändig wilde Leidenschaft und
in seinem vorstehenden Kinn, sowie in seinen aufgeworfenen
Lippen eine thierisch rohe Sinnlichkeit gelegen hätte. Ob-
gleich die einfache Arbeitertracht, welche dieser große Mensch
trug, sehr wenig zu dem vornehmen Ansehen paßte, welches
sich die Herren von Eraquepignol und Adhsmar zu geben
suchten, so grüßten dieselben doch den Eintretcnden mit
einer fast ehrfurchtsvollen Miene, und der alte Enoque
zeigte ihm eine entgegenkommendere Aufmerksamkeit, als er
sie deu beiden Anderen bewiesen hatte; der riesenhafte Ar-
beiter aber, welcher in allen seinen Bewegungen ein wenig
an jene mächtigen Percheronpferde erinnerte, die man vor
den schweren Lastwagen ihre gewaltigen Glieder ausrecken
sieht, nickte gleichgültig und hochmüthig den Gästen und
dem Wirth zu, betrachtete einen Augenblick prüfend und
ein wenig verwundert die ihm unbekannten Erscheinungen
Gaboriau's und seiner Gefährten und warf sich dann mür-
risch auf einen Stuhl, der unter seiner Last krachte.
„Ich bin hungrig und durstig, Meister Enoque," sagte
er mit einer Stimme, welche dröhnend aus seiner breiten
Brust hervorklang, „gebt mir eine Terrine von Eurer vor-
trefflichen Kohlsuppe, wenn Ihr sie machen könnt, und eine
Flasche von Eurem Wein, aber mit meinem großen Glase,
denn aus diesem lächerlichen Fingerhut da kann ich meinen
Durst nicht löschen, er würde in meiner Hand zerbrechen."
„Die Kohlsuppe ist fertig und soll Euch in einem Augen-
blick angerichtet werden," erwicderte der alte Enoque, in-
dem er aus der Tiefe des Schenktisches eine Literflaschc
mit einem dunkclrothen Landwcin und einen mächtigen
Kelch von starkem Glase hervorzog.
Er entkorkte die Flasche, dann befahl er seiner Tochter,
die bestellte Suppe aus der Küche herbeizuholcn, und füllte
aus der in der Wand befindlichen Wasserleitung einen
großen Stcinkrug und stellte Alles auf den Tisch, neben
welchem der Mann in der Blouse Platz genommen hatte.
Dieser füllte das Glas, indem er Wasser und Wein zu
gleichen Theilen mischte, und leerte es mit einem einzigen
durstigen Zug.
„Nun, Robert Marteau," sagte der junge Adhsmar
lachend, „Ihr scheint wahrlich einen Durst zu haben, der
Euren Gliedern entspricht, und dafür würden allerdings
unsere kleinen Gläser nicht ausreichcn."
„Freilich," erwicderte der riesige Arbeiter, „es ist auch
etwas Anderes, den ganzen Tag zu flankiren, wie ihr cS
thut, indem ihr höchstens eure Finger in die Taschen armer
Dummköpfe steckt, um sechsmal ein leeres Portemonnaie zu
erhaschen, bis euch einmal ein besserer Fischzng gelingt —
ich arbeite ernsthaft mit dem kleinen Perce-tout, welchen
der Teufel selbst gelehrt hat, jedes Schloß zu öffnen, und
wenn es zehnfache Federn und Riegel hätte; er öffnet den
Weg, aber ist so schwach, daß er acht Tage brauchen würde,
um eiuen Schrank zu leeren, und ohne mich würde ihn seine
Kunst nichts helfen, wenn ich nicht da wäre, um auf meinen
Schultern die Bente fortzutragcn und, wenn eü sein muß,
die Leute niederzuschlagcn und zu knebelu — wir haben
einen hübschen Streich diese Nacht vor, er beobachtet jetzt
das Terrain, und eine Stunde nach Mitternacht werden
wir einen guten Fang thnn, bei dem cs sich darum handelt,
schnell den Inhalt von drei großen Silberschränken fortzu-
schleppen — nun, meine Blouse hier hat Taschen genug da-
für, aber ich glaube, die Last wird nicht leicht sein, eS ist
gut, wenn wir uns vorher für die Arbeit stärken."
Eraquepignol warf die Goldstücke, welche er gewonnen,
klirrend auf dem Tisch hin und her, um die Worte des
großen Arbeiters zu übertönen, und der alte Enoque machte
demselben ganz erschrocken Zeichen, nm ihn zur Vorsicht zu
ermahnen, indem er auf die Fremden deutete.
„Ah bah," rief Robert Marteau, „soll mau dcun hier
nicht mehr frei und ungehindert sprechen können — habt
Ihr Mouchards bei Euch, dann laßt sie uns hinauswerfen
oder noch besser, ich werde sie mit einem tüchtigen Faust-
schlag niederschmettern und in die Seine werfen, wo sie den
Fischen erzählen können, was sie erhorcht haben."
Er warf einen feindlichen Blick auf die drei Herren,
welcher deutlich die Absicht zeigte, seine Drohung in der
That ausznführen.
Herr von Civry rückte ein wenig näher zu Herrn Ar-
mand hin — dieser steckte seine Hand in die Tasche, welche
seinen Revolver enthielt. Gaboriau aber schien keine Ge-
fahr zu befürchten — er beobachtete mit gespannter Auf-
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" sagte
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hon einmal
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Wir werden warten," erwicderte Gaboriau, „aber
sagen Sie mir, was haben Sie da für eine reizende Kell-
EM — ich erinnere mich nicht, sie gesehen zu haben, fast
scheint sie mir für Ihr Geschäft zu zart."
Der Wirth warf einen feindlich drohenden Blick auf
das junge Mädchen.
Es ist meine Tochter," sagte er kurz und kalt, indem
für "einen Augenblick das Lächeln von seinen Lippen ver-
schwand, „sie ist herangewachsen und es ist wohl Zeit, daß
sie mir in meinem Geschäft hilft und ihren Platz im Hause
ausfüllt."
Das junge Mädchen senkte den Kopf auf den Schenk-
tisch herab — der Blick ihres Vaters schien sie erschreckt
zu haben.
Der Wirth aber wendete sich lauschend nach der Ein-
qangsthür — man hörte Schritte und laute Stimmen auf
dem Vorplatz.
„Ah," sagte Gaboriau, „cs wird lebhaft — die Gesell-
schaft kommt."
Armand, der bisher noch immer zerstreut dagesessen
hatte, blickte neugierig nach der Thür.
Herr von Civry schien auch jetzt noch mehr Interesse
für die schöne Kellnerin zu haben, welche sich noch tiefer
in dem Schatten hinter dem Schenktisch verbarg, als für
alles klebrige.
Im nächsten Augenblick traten zwei neue Gäste ein. --
Beide waren nut jener zweifelhaften Eleganz gekleidet, welche
ein eigenthümliches Kennzeichen jener Welt dunkler Exi-
stenzen ist, die aus dem Nebel auftauchen und meist im
Nebel wieder verschwinden.
Der Eine war ein junger Mann von etwa dreiund-
zwanzig Jahren, mit einem Gesicht, dessen welke, unreine
Blässe darauf schließen ließ, daß er seine Kindheit als Ga-
min in den Straßen von Paris verlebt und seine Jugend
in niedrigen Ausschweifungen verbracht haben mochte.
Seine Augen waren trotz des unheimlichen Feuers, das
zuweilen in ihnen aufloderte, matt und trübe, ein Zug
cynischer Unverschämtheit lag auf seinen welken Lippen und
seine lockig frisirten Haare glänzten von stark duftender
Pomade. Sein Begleiter mochte etwa dreißig bis fünf-
unddreißig Jahre alt sein — sein dunkles Haar war dünn,
seine Gestalt hager und eckig, ein starker schwarzer Bart
bedeckte den untern Theil feines Gesichts, von dem man
nur eine scharf vorspringende Stirn, eine starke Nase und
blitzende, listig lauernde Augen sah — er machte in seiner
Haltung und seinen Manieren den Eindruck eines mit allen
Windungen eines abenteuerlichen Lebens vertrauten und
von allen Leidenschaften des Lebens bewegten, aber durch
dieselben noch nicht erschöpften Mannes, der vielleicht von
der Höhe besserer Verhältnisse in stufenweisem Fall bis zu
dem Niveau seines unzweifelhaft aus der Tiefe des Schlam-
mes emporgestiegenen Gefährten herabgesunken sein mochte.
Beide trugen Anzüge, deren Schnitt vollkommen der neue-
sten Mode entsprach, während die zahlreichen Flecken, die
etwas zerdrückte und unreine Wäsche und die wenig glän-
zenden Stiefel bewiesen, daß sie nicht gewöhnt waren, sich
m den Salons der eleganten Welt zu bewegen.
„Guten Abend, Herr Adhsmar — guten Abend, Herr
von Eraquepignol," sagte der Wirth, indem er die beiden An-
gekommenen begrüßte und sie zugleich durch einen Seiten-
blick auf Gaboriau und feine beiden Begleiter zu vorsich-
tiger Zurückhaltung aufzufordern schien, „wo haben Sie
herumgeschwärmt? — Sie sind lange nicht hier gewesen!"
„Ich muß diesen leichtsinnigen Adhsmar ein wenig be-
aufsichtigen," sagte der Aeltere der Beiden, „und ihm mit
meiner Erfahrung zur Seite stehen — die Frauen sind
ganz versessen auf ihn, und wenn ich ihn nicht zurückhielte,
so hätte er sich ü sorxs xsrclu in die Arme einer Marquise
gestürzt, die in dem Salon der Herzogin von Chsvrefeuillc
sich alle Mühe gab, ihn in ihren Netzen zu fangen — ich
kenne das," fügte er hinzu, indem er leicht blinzelnd die
Wirkung seiner Worte auf die drei ihm unbekannten Herren
beobachtete, „diese großen Damen sind schlimmer als die
Loretten, und noch mehr im Stande als jene, einen jungen
Mann von offenem Herzen und offener Hand wie diesen
Adhsmar zu ruiniren — ich habe seinen Arm genommen
und ihn aus dein Salon fortgeführt, indem ich ihm sagte,
wir wollen zu Meister Enoque gehen und ein Glas von
seinem vortrefflichen Punsch trinken — er ist mir, wider-
strebend zwar, gefolgt, aber ich bin überzeugt, er wird mir
später danken — ich habe einmal eine väterliche Zärtlich-
keit für ihn, die er nicht verdient, und möchte ihn davor be-
wahren, seine Erfahrung so theuer zu bezahlen, wie ich es
gethan habe."
„Was wollen Sie," erwicderte der junge Adhsmar,
mdem er mit der Hand durch seine Haare fuhr und eben-
falls nach den drei Herren hinüber blickte, „man ist nur
einmal jung und ich habe für die Augen einer schönen Frau,
ich gestehe es, eine schwache Seite, die mich allerdings
manche Thorheiten begehen läßt, aber es ist doch auch
schwer zu widerstehen, wenn wir die Seufzer und schmach-
tenden Blicke sehen, die man auf uns richtet."
,,Ja, ja," sagte Herr von Craquepiguol, „er macht alle
Weiber toll, aber ihre Liebe für ihn hindert sie doch nicht,
ihn auszuplündern — dießmal habe ich ihn gerettet und
wir wollen bei einem Glase Punsch und einer Partie
kwarts wie vernünftige Leute die tändelnden Schmetterlinge
vergessen, welche unS so reizend umgaukeln und doch einen
stachel besitzen wie die bösen Wespen."
Beide nahmen an einem Tisch unmittelbar neben den
drei Herren Platz. Der alte Enoque bereitete zwei Gläser
heißen Punsch und winkte seiner Tochter, dieselben den
neuen Gästen zu servircn, während er zugleich zwei ziem-
lich schmutzige und abgegriffene Kartenspiele aus einem
Schubfach des Schenktisches hervorzog und sie auf den Tisch
legte.
„Ah, die schöne Judith," sagte Adhsmar, „sie wird
jeden Tag hübscher — Sie haben nicht Recht gehabt, mich
hieher zu führen, Herr von Craquepiguol, denn diese Kleine
da wird das Feuer in meinem Herzen, das Sie löschen
wollen, wohl neu entflammen Sie werden Chance im
Ecarts haben, denn meine Augen und Gedanken werden
ganz von der schönen Judith gefangen genommen sein."
Zugleich ergriff er die Hand des jungen Mädchens und
versuchte seiuen Arm um ihre Hüften zu schlingen — sie
aber riß sich schnell von ihm los, indem ihr Gesicht in
hohem Unwillen erglühte.
Herr von Civry machte eine Bewegung, als wolle er
sich zum Schutz des Mädchens erheben — der alte Enoque
aber sagte, indem das unterwürfige Lächeln seiner Lippen
einem harten, strengen Ausdruck Platz machte und ein eigen-
thümlich gebieterisch drohender Blitz aus seinen Augen schoß,
mit leiser Stimme, in welcher jedoch die Zuversicht lag,
daß sein Befehl unbedingt Gehorsam finden würde:
„Wozu die Possen — ich will das nicht — das ist
nichts für Euch."
Der junge Adhsmar schlug scheu die Augen nieder und
mischte mit verlegener Miene seine Karten.
Gaboriau rieb sich unendlich vergnügt die Hände —
Herr von Civry blickte wieder zu dem jungen Mädchen
hinüber, welches seinen Platz hinter dem Schenktisch ein-
genommen hatte, und Armand betrachtete die ganze Szene
mit stets wachsendem Interesse an dein ihm so neuen und
ungewohnten Schauspiel.
„Nicht wahr, das ist höchst amüsant," flüsterte Ga-
boriau seinen Freunden zu, „aber warten Sie nur, es wird
immer besser werden."
„Wir spielen wie gewöhnlich zwanzig Franken die
Partie," sagte Herr von Eraquepignol, indem er ein Gold-
stück aus seiner Westentasche zog und klirrend auf den Tisch
fallen ließ.
Adhsmar nickte — die scharfe Mahnung des alten
Enoque schien seine Zuversicht bedeutend herabgestimmt zu
haben — obgleich er zerstreut und unaufmerksam schien,
gewann er doch nach kurzer Zeit die Partie. Eraquepignol
schob gleichgültig daö Zwauzigfrankstück auf seine Seite
hinüber. Man gab zum zweiten Mal — das Glück schien
sich gewendet zu haben, dießmal gewann Craquepiguol und
das Zwanzigfrankstück kehrte auf seinen alten Platz zurück.
„Sehen Sie," sagte Gaboriau leise, „Sie können dort
das Geheimnis; lernen, wie man mit einem Goldstück hohes
und vornehmes Spiel spielt — dieses Zwauzigfrankstück
wird unzweifelhaft noch mehrmals seinen Weg hin und
zurück machen, und außerdem bin ich überzeugt, daß es vor
einer Prüfung auf der Bank von Frankreich nicht Stich
halten würde."
Seine Vermuthung bestätigte sich, denn in der That
schien das Glück seine Gunst genau zwischen den beiden
Spielern zu theilen — das Zwauzigfrankstück wanderte mit
der Regelmäßigkeit eines Pendels, zwischen Eraquepignol
und Adhsmar hin und her. Nachdem dieß noch einigemal
geschehen, warf Eraquepignol die Karten auf den Tisch.
„Sie sind unverbesserlich," rief er, „Sie achten nicht
auf das Spiel — die Weiber werden Sie dennoch verdor-
ben — Sie werfen die besten Chancen fort — es wäre
ein Raub, wenn ich weiter mit Ihnen spielen würde."
Die drei Herren hatten mit aufmerksamem Interesse
dem Spiel zugehört.
„Es ist in der That wenig unterhaltend," sagte Cra-
quepignol, indem er sich leicht grüßend nach ihrer Seite hin
verneigte, „mit einem Gegner zu spielen, der an andere
Dinge denkt — diese Herren scheinen Interesse an unserer
Partie zu nehmen, das Ecarts ist in der That so einfach,
es scheint in seinen wechselnden Chancen äußerst anregend
— wäre es vielleicht einem der Herren gefällig, sein Glück
mit mir zu versuchen — ich bin," fügte er mit einem prüfenden
Bück hinzu, „zu jedem Satz bereit, wenn unsere gewöhn-
liche Partie zu zwanzig Franken Ihnen zu hoch scheint,
denn ich spiele nur um der Zerstreuung, nicht um deö Ge-
winnes willen."
„Nehmen Sie an," flüsterte Gaboriau den beiden An-
deren zu, „es wird einige Zwanzigfrankftücke kosten, aber
wir werden einen Grund haben, hier noch länger zu ver-
weilen, ohne Aufsehen zu erregen, und ich bin überzeugt,
daß wir noch vieles Unterhaltende sehen werden."
Herr von Civry verneigte sich gegen Craquepiguol —
man rückte die beiden Tische neben einander, Gaboriau
ließ eine neue Flasche Bordeaux kommen und bot den beiden
Fremden ein Glas Wein an, das diese auch ohne weitere
Ceremonie annahmcn.
Das Spiel begann — Adhsmar lehnte sich in seinen
Stuhl zurück und blickte, so oft der alte Enoque sich ab-
wendete, nach der schönen Judith hinüber, welche indes;
wenig von der Anziehungskraft zu empfinden schien, die
der junge Mensch nach seines Freundes Erzählung auf alle
weiblichen Herzen ausübte.
Herr von Civry spielte zerstreut und gleichgültig, wäh-
rend Gaboriau und Armand aufmerksam die in hastiger
Bewegung zuckenden Finger seines Partners beobachteten,
der abermals sein Zwanzigfrankstück neben sich gelegt hatte,
ohne daß dasselbe sich jedoch dießmal von seinem Platz ent-
fernte, denn durch eine wunderbare Fügung markirte er
jedesmal im entscheidenden Augenblick den König, und das
bisher so einsame Goldstück bestand sich bald in der Gesell-
schaft einiger anderen, welche aus Herrn von Civry's Tasche
herüberwanderten, und jedesmal wurde Craqucpignol's
Miene heiterer und zufriedener, und immer verbindlicher bot
er Herrn von Civry eine neue Partie zur Revanche an.
Abermals öffnete sich die Thür und ein riesiger, herku-
lisch gebauter Mensch trat schweren, dröhnenden Schrittes
in die Schenkstnbe. Er trug die blaue Blouse der Arbeiter,
seine großen, kräftigen Hände waren leicht geschwärzt, wie
das bei Schlossern oder Eisenarbcitcrn der Fall zu sein
pflegt, sein starker Kopf auf einem gedrungenen Halse mit
stierartigem Nacken war mit dunkelblonden, dichten und
kurzgeschorenen Haaren bedeckt, sein geröthetes Gesicht mit
breiter Stirn und mit etwas vorstehenden blauen Augen
ließ auf ein Alter von etwa achtnudzwanzig Jahren schließen
und wäre, in seinen regelmäßigen, energische Willenskraft
ausdrückcnden Zügen fast schön zu nennen gewesen, wenn
nicht in seinen Blicken eine unbändig wilde Leidenschaft und
in seinem vorstehenden Kinn, sowie in seinen aufgeworfenen
Lippen eine thierisch rohe Sinnlichkeit gelegen hätte. Ob-
gleich die einfache Arbeitertracht, welche dieser große Mensch
trug, sehr wenig zu dem vornehmen Ansehen paßte, welches
sich die Herren von Eraquepignol und Adhsmar zu geben
suchten, so grüßten dieselben doch den Eintretcnden mit
einer fast ehrfurchtsvollen Miene, und der alte Enoque
zeigte ihm eine entgegenkommendere Aufmerksamkeit, als er
sie deu beiden Anderen bewiesen hatte; der riesenhafte Ar-
beiter aber, welcher in allen seinen Bewegungen ein wenig
an jene mächtigen Percheronpferde erinnerte, die man vor
den schweren Lastwagen ihre gewaltigen Glieder ausrecken
sieht, nickte gleichgültig und hochmüthig den Gästen und
dem Wirth zu, betrachtete einen Augenblick prüfend und
ein wenig verwundert die ihm unbekannten Erscheinungen
Gaboriau's und seiner Gefährten und warf sich dann mür-
risch auf einen Stuhl, der unter seiner Last krachte.
„Ich bin hungrig und durstig, Meister Enoque," sagte
er mit einer Stimme, welche dröhnend aus seiner breiten
Brust hervorklang, „gebt mir eine Terrine von Eurer vor-
trefflichen Kohlsuppe, wenn Ihr sie machen könnt, und eine
Flasche von Eurem Wein, aber mit meinem großen Glase,
denn aus diesem lächerlichen Fingerhut da kann ich meinen
Durst nicht löschen, er würde in meiner Hand zerbrechen."
„Die Kohlsuppe ist fertig und soll Euch in einem Augen-
blick angerichtet werden," erwicderte der alte Enoque, in-
dem er aus der Tiefe des Schenktisches eine Literflaschc
mit einem dunkclrothen Landwcin und einen mächtigen
Kelch von starkem Glase hervorzog.
Er entkorkte die Flasche, dann befahl er seiner Tochter,
die bestellte Suppe aus der Küche herbeizuholcn, und füllte
aus der in der Wand befindlichen Wasserleitung einen
großen Stcinkrug und stellte Alles auf den Tisch, neben
welchem der Mann in der Blouse Platz genommen hatte.
Dieser füllte das Glas, indem er Wasser und Wein zu
gleichen Theilen mischte, und leerte es mit einem einzigen
durstigen Zug.
„Nun, Robert Marteau," sagte der junge Adhsmar
lachend, „Ihr scheint wahrlich einen Durst zu haben, der
Euren Gliedern entspricht, und dafür würden allerdings
unsere kleinen Gläser nicht ausreichcn."
„Freilich," erwicderte der riesige Arbeiter, „es ist auch
etwas Anderes, den ganzen Tag zu flankiren, wie ihr cS
thut, indem ihr höchstens eure Finger in die Taschen armer
Dummköpfe steckt, um sechsmal ein leeres Portemonnaie zu
erhaschen, bis euch einmal ein besserer Fischzng gelingt —
ich arbeite ernsthaft mit dem kleinen Perce-tout, welchen
der Teufel selbst gelehrt hat, jedes Schloß zu öffnen, und
wenn es zehnfache Federn und Riegel hätte; er öffnet den
Weg, aber ist so schwach, daß er acht Tage brauchen würde,
um eiuen Schrank zu leeren, und ohne mich würde ihn seine
Kunst nichts helfen, wenn ich nicht da wäre, um auf meinen
Schultern die Bente fortzutragcn und, wenn eü sein muß,
die Leute niederzuschlagcn und zu knebelu — wir haben
einen hübschen Streich diese Nacht vor, er beobachtet jetzt
das Terrain, und eine Stunde nach Mitternacht werden
wir einen guten Fang thnn, bei dem cs sich darum handelt,
schnell den Inhalt von drei großen Silberschränken fortzu-
schleppen — nun, meine Blouse hier hat Taschen genug da-
für, aber ich glaube, die Last wird nicht leicht sein, eS ist
gut, wenn wir uns vorher für die Arbeit stärken."
Eraquepignol warf die Goldstücke, welche er gewonnen,
klirrend auf dem Tisch hin und her, um die Worte des
großen Arbeiters zu übertönen, und der alte Enoque machte
demselben ganz erschrocken Zeichen, nm ihn zur Vorsicht zu
ermahnen, indem er auf die Fremden deutete.
„Ah bah," rief Robert Marteau, „soll mau dcun hier
nicht mehr frei und ungehindert sprechen können — habt
Ihr Mouchards bei Euch, dann laßt sie uns hinauswerfen
oder noch besser, ich werde sie mit einem tüchtigen Faust-
schlag niederschmettern und in die Seine werfen, wo sie den
Fischen erzählen können, was sie erhorcht haben."
Er warf einen feindlichen Blick auf die drei Herren,
welcher deutlich die Absicht zeigte, seine Drohung in der
That ausznführen.
Herr von Civry rückte ein wenig näher zu Herrn Ar-
mand hin — dieser steckte seine Hand in die Tasche, welche
seinen Revolver enthielt. Gaboriau aber schien keine Ge-
fahr zu befürchten — er beobachtete mit gespannter Auf-