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MAN
MüMN

Zllustrirte M e l t.

452

der Schenk-

Joseph Georg Strohmayer, Bischof von Bosnien und Syrmien.
lS. 451.)

C h a v r r l l a c.
Roman
von
A Leo Warren.
lFortsctzung.)
^E^Dchweigend kehrte Herr von Civry mit
seinen Frennden nach seiner Wohnung
zurück, ohne auf deren Glückwünsche
über seinen so vortrefflich ausgeführ-
tcn und mit so überraschendem Erfolg ge-
krönten Stoß zu antworten. Er fühlte sich
schmerzlich bewegt trotz des glücklichen Aus-
ganges dieser Begegnung, durch welchen nun
das letzte und schwerste Hinderniß auf seinem
Wege zu einer glücklichen Zukunft hinweg-
geräumt und jede Gefahr beseitigt war, daß
er Judith schutzlos in der Welt zurücklassen
müsse. Wenn die Wunde des Marquis, Ivie
er nach der bedenklichen Miene des Arztes
fürchten mußte, wirklich gefährlich war, so
war dieß vielleicht das zweite Menschenleben,
das von seiner Hand geopfert wurde, und es
erfaßte ihn eine fast abergläubische Furcht,
daß der Himmel das vergossene Blut an seiner
Liebe rächen könne. Er verweigerte die Teil-
nahme an dem Frühstück, welches seine
Freunde ihm proponirten, und zog sich voll
trüber Gedcn .en in sein Zimmer zurück, nach-
dem er ei- r seiner Kameraden gebeten, für
den heutig, n Tag seinen Dienst zu überneh-
men.
Jndeß cs schien, daß er die Ruhe, welche
er suchte, um seine Gedanken ordnen zu kön-
nen, nicht finden sollte, denn kurze Zeit, nach-
dem er zurückgekehrt, wurde ihm der alte
Enoque gemeldet, und demüthig gebückt trat
wirth in seinem langen schwarzen Rock in das Zimmer.
Der alte Jude blickte lauernd auf Herrn von Civry,
der mit einem leichten Kopfnicken feine tiefe Verneigung er-
wicdertc, und sagte:
„Der Herr Kapitän wird es mir verzeihen, wenn ich
bei ihm erscheine, um ihn an eine Angelegenheit zu erinnern,

die wir miteinander abmachen wollten — ich liebe eS, alle
machen klar zu Ende zu führen, und bin dcßhalb gekommen,
zu fragen, ob der Herr Kapitän noch gesonnen ist, die väter-
lichen Reckte und Pflichten über meine Tochter Judith, die
mir so viel Sorge und Kummer macht, zu übernehmen.
Vielleicht," fuhr er mit listig forschendem Blick fort, „ist
der Herr Kapitän andern Sinnes geworden und will mir

meine Tochter zurückgeben mit einer Entschadi- :
gung für den Schaden, den sie an ibrem
Rufe und an ihrer Ehre erlitten dadurch,'daß
sie sich aus dem Hause ihres Vaters entfernte
und so lange allein in Paris lebte."
Herr von Civry sah den Juden groß
an, in seinen Zügen malte sich eine gewiße
Bewunderung dieser unermüdlichen Gewandt-
heit , welche für jeden Fall immer ein neues
Netz bereit hielt, um einen goldenen Fischig
in Sicherheit zu bringen. Doch er antworme
nichts,' sondern trat zu seinem Schreibtisch
und nahm ein beschriebenes Papier aus dem-
selben.
„Hier," sagte er, indem er dem Juden das
Blatt reichte, „ist das Dokument, welches Sie
vor meinem Notar in den gesetzlichen Formen
vollziehen lassen müssen, um unser Geschütz
abzuschließen."
Enoque durchflog leichthin das.Papier-
der Inhalt desselben schien ihm nur ein unter-
geordnetes Interesse einzuflößen.
„Und wenn ich das Blatt," sagte er,
„in gesetzlicher Form unterzeichnete, so wird
sich der Herr Kapitän erinnern, daß —"
„Ich versprochen habe," fiel Herr von Civrh
ein, „Ihnen gegen die Ueberlieferung dieses
Dokuments die Summe von vierzigtausend
Franken auszuzahlen, und dieß wird geschehen,
sobald alle väterlichen Rechte über Judith
auf mich übcrgegangen sein werden: doch,"
fügte er hinzu, indem er den Schenkwirth
mit durchdringendem Blick ansah, „zur Ver-
vollständigung dieses Dokuments gehört auch
der Nachweis, daß Sie die Rechte, welche
Sie mir übertragen, in der That besitzen,
daS heißt also, die Legitimationspapiere über
Judith's Geburt und ihre Eintragung in das
Eivilstandsregister Ihres Arrondissements oder
der Gemeinde, in welcher Sic damals lebten."
Der alte Enoque zitterte, doch unterdrückte er seine Be-
wegmrg und suchte seinem Gesicht den Ausdruck lächelnder
Ruhe aeöen.
Ich weiß iu der Tbat kaum," sagte er in gleichgülti-
aem Ton, „ob ich jene Papiere so sorgfältig aufbewahrt habe
- Judith ist nicht in Paris geboren," fügte er schnell hinzu.
 
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