MeruWmMr IchrgW.
Jeden Sonntag erscheint
eine Wummer.
Ureis einer Wurnrner
15 Mennig.
Das Haus mit den Wer Eingängen.
Roman
von
K. Uosenthal-Wonin.
XII.
Das Bureau Helmer Wallroden's war das ehemalige
Schreibzimmer des Senators. Braune Saffiautapeten be-
deckten die Wände, welche durch breite, eingepreßtc Gold-
streifen in große, von oben bis unten
laufende Felder getheilt wurden. Auf dem
dunklen Grund hingen Oelgemälde, trefflich
gemalte Seestücke oder Bilder von Schiffen,
die einst dem Senator gehörten. Die Decke
des Raumes bildete eine al kresoo gemalte
Seefahrt Neptun's mit Tritonen, Nym-
phen und Seeungeheucrn in unverblichener
Farbenpracht. Insoweit war das Gemach
unverändert geblieben. Auch der alte,
schwere Schreibtisch von Cedernholz des
verstorbenen Rheders war der Arbeitsplatz
seines Bruderssohns, aber anstatt des ver-
goldeten, mit Leder gepolsterten Sessels an
dem Schreibtisch standen jetzt Regale mit
Akten, und neben den drei eisernen Geld-
schränken waren ziemlich einfache Akten-
ständer ausgestellt, das Eigenthum und
Arbeitsmobiliar Helmer Wallroden's.
Dieser saß jetzt — es war Nachmittag
und schon so dunkel, daß man hätte Licht
anzünden sollen — vor dem alten Bureau
und rechnete mit ernster Stirn die Steuer
aus, welche er dem Staat abgeben mußte,
im Fall er das Erbe anträte, und daß cS
jetzt noch genau zweiundachtzig Tage wären
bis zum Schluß der Wartezeit, als ihm
von seinem Bureaudiener, der mit den
Lampen in das Zimmer trat, gemeldet
wurde, daß ein Schiffer den Herrn zu
sprechen wünschte.
„Hat er seinen Namen nicht angegeben?"
„Nein," meinte der Diener, „der
Mann sagte, der Herr kenne ihn schon."
„Lassen Sie den Mann durch das
Zimmer gehen, in welchem Herr Hase
arbeitet, und wenn dieser ihn kennt, zu
mir," ordnete Helmer an.
Wenige Minuten später trat Klas in
das Zimmer Helmer's.
„Herr Wallroden kennen mich wohl
nicht mehr?" nahm er das Wort.
Erschreckt fuhr Helmer bei diesen ihm
so bekannten rauhen Tönen auf.
„Ach, Sie sind es, Klas Holtrup!
Ja, ich habe Sie wohl seit vier Jahren
nicht mehr gesehen, jedoch von Ihnen ge-
hört, Rühmliches, Herr Holtrup," ant-
wortete Helmer, äußerlich ganz freundlich und heiter, welcher
Haltung jedoch seine 'ängstlich und gespannt schauenden
Augen widersprachen. Ihm war sichtlich dieser Besuch beun-
ruhigend. Mit freundlicher Miene aber wies er Klas an,
Platz zu nehmen. „Was führt Sie zu mir?" erkundigte
er sich.
Klas blieb stehen. „Ich sitze nur bei Freunden, Herr
Wallroden; wir, das wissen Sie, sind keine," erwiederte
der stets bärenartig aufrichtige Klas.
„Ja, Sie haben sich so zu mir gestellt," entgegnete
Helmer, etwas gezwungen lächelnd, „und haben sofort das
Schiff verlassen, nachdem der Senator todt war."
„Sie konnten es allein steuern und, wie ich voraus-
setzte, nur einen Kurs in Ihren Hafen, Herr, und da wollte
ich nicht mithelfen," war Klas' Antwort.
„Können Sie mir vorwerfen, daß ich etwas that, was
gegen die Gesetze verstieß, etwas Unrechtliches," fragte Helmer
geduldig.
„O, bewahre, Herr, dazu sind Sie viel zu klug, und
ein Schuft sind Sie nicht, Sie wollen nur nicht gern aus
dem goldenen Nest," gab Klas seiner Meinung Ausdruck.
„Da haben Sie Recht, Herr Holtrup, dazu bin ich auch
jetzt noch nicht Willens."
„Sie werden es müssen, Herr."
„So," meinte Helmer, einen scharfen Blitz aus seinen
großen, harten Augen auf den Schiffer werfend. „Sie
haben vermuthlich den Erben?"
„Den habe ich, Herr!"
„Bei sich?" warf Helmer Wallroden etwas sarkastisch
ein. —
„Fast, Herr Helmer, er sitzt vielleicht jetzt nur durch
eine dünne Wand von nns getrennt."
„Ah, Sie meinen den Kunstreiter?" sagte Helmer
leichthin.
„Eben diesen mein' ich," erwiederte Klas. „Sie
kennen ihn?"
„Natürlich kenne ich ihn," entgegnete der Advokat.
„Ist Ihnen nicht die Aehnlichkeit mit dem Senator und
Johann ausgefallen?" fragte Klas.
„Sofort, Herr Holtrup."
„Und haben Sie sich nicht sogleich gesagt: ,Das ist der
Erbe und dem gebührt der Nachlaß'?"
„Ich habe gedacht, das wäre eine Mög-
lichkeit, und wenn er sich gemeldet, hätte
ich seine Ansprüche geprüft; er hat sich
aber nicht gemeldet."
„Also aus freien Stücken würden Sie
ihm nicht zu seinem Recht verhelfen?"
warf Klas ein.
„Nein, sicherlich nicht; ich kann nicht
auf eine frappante Aehnlichkeit hin sagen:
,Hier, Mann, Du bist der gesuchte Wall-
roden, da sind hundertundfünfzigtausend
Thaler baar und Häuser. Beeile Dich,
das Alles zu nehmen, denn der Termin
ist bald vorbei'. Ich werde auch gewißlich
nichts thun, mich um die Erbschaft zu
bringen."
„Davon bin ich überzeugt, Herr, und
deßhalb bin ich hier. Kennen Sie diese
Uhr?" fuhr Klas fort, das alterthümlichc
Ding, fest in der Hand, vor Helmer's
Augen haltend, „ll. II. — das heißt:
Johann Wallroden, Hamburg, — steht
darauf. Die Uhr gehörte dem Vater des
Senators; der besaß eine ganz gleiche, und
die großväterliche gab er seinem Sohn, dcß
war ich und noch Jemand Zeuge. Johann
trug diese Uhr fünfzehn Jahre, so lang er
im Hause gewesen."
„Die Uhr ist jener des Senators gleich,
das bestreite ich nicht, ebensowenig, daß
Johann Wallroden sie besessen haben mag,"
antwortete Helmer ernst und ruhig.
„Nun, diese Uhr ist Eigenthum des
Sohnes Johann Wallroden's, des Kunst-
reiters."
„Ich bestreite nicht, daß jener Kunst-
reiter die Uhr als Eigenthum hatte, er
heißt jedoch Roda, wenn ich nicht irre."
„Das stimmt, sein Vater starb in Lissa-
bon unter diesem Namen, und der Sohn
wurde von den Patres ausgenommen; im
Nachlaß seines Vaters befand sich diese
Uhr."
„Alles recht, Herr Holtrup, das be-
weist jedoch nur, daß ein gewisser Roda,
der in Lissabon starb, die Uhr Wallroden's
in Besitz hatte, durchaus nicht, daß jener
Roda auch Johann Wallroden gewesen."
„Hier ist der Aufnahmeschein des Sohnes bei den
Patres," fuhr Klas Holtrup fort.
„Ganz gut, das ist eine Legitimation für Paul Roda, hat
jedoch mit Wallroden nichts zu thun," äußerte der Advokat.
„Meinen Sie?" warf Klas, wüthend werdend, ein.
„Ja, das wird jedes Unbetheiligtcn Ansicht sein," hielt
Helmer ruhig entgegen.
„Und Sie wollen cs auf einen Prozeß ankommen lassen?"
fragte Klas Holtrup.
Professor Louis Pasteur. (S. 115.)
.Muslr. Welt. XXXIV 5.
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