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Don Pedros Mantfahrt.
Erzählung
von
War Lay.
VI.
Lieutenant del Patio stand
vor seinem Chef und erstattete
Bericht, wie es ihm ergangen,
seit er mit der Vorhut in Mon-
terey cingerückt. Mit verwirr-
tem Haar, barhäuptig, arg
vernachlässigtem Schnurrbart
war der sonst als geschniegelter
Stutzer bekannte Offizier kaum
wieder zu erkennen. Der
Schlamm des Baches und der
Sand des Gebirges hatten seine
eleganten Kleider mit einer
Kruste überzogen, die gar keine
Farbe mehr erkennen ließ.
Dnpain saß aus einem Sattel
am Fuß einer alten Eiche, die
kühlen Schatten nm ihn her-
warf. Tie dampfende Pfeife
im Munde, betrachtete er seinen
Untergebenen, den er längst als
Toten aufgegeben hatte, mit
etwas boshafter Genugthuung.
„Also der Herr Lieutenant
haben sich noch einmal aus der
Patsche gezogen?"
„Au Ihren Befehlen, Sen-
nor, ich wurde gefangen. Ein
Indianer, dem ich früher ein-
mal eine kleine Freude bereitet,
half mir zur Flucht."
Der Alte warf einen finstern
Blick auf den Offizier und
knurrte:
„Aber Ihre Leute — durch
Ihren Leichtsinn sind sie alle
verloren gegangen, das ist un-
verantwortlich, und van Zeen,
was ist aus dem geworden —
er ist ja mit Ihnen geritten!"
Nur zögernd antwortete der
Gefragte, der wohl wußte, wie
große Stücke Dupain auf sein
Faktotum hielt:
„Ich glaube, man wird ihn
wohl gehängt haben, wenigstens
Hörle ich so etwas sagen!"
Wütend stampfte Dupain
das Gras zu seinen Füßen.
„Also auch meinen treuesten
Diener haben Sie auf dem Ge-
wissen, da soll-dock gleich —"
„Der drückt wohl am we-
nigsten," dachte del Patio bei
sich, sprach es aber nicht aus,
sondern senkte reumütig das
schuldbewußte Haupt. „Ich
habe es selbst eingesehen, daß
ich ziemlich einfältig in die
Falle ging, aber vielleicht vcr-
Jllustr. W-lt. XXXIV. 21.

Die Flut kommt. Gemälde von F. Verrall. (S. 602.)


zeihen Sie mir, wenn ick eine
gute Nachricht mitbringe !"
„Was ist's?" brummte
Dupain, ohne ihn anzusehen.
„Escobedo versucht durch
die Schlucht des Rio Meteros
westlich durch die Sierra
Madre zu ziehen, um sich mit
den übrigen Truppen Juarez'
zu verbinden. Seit gestern
Nachmittag ist er ans dem
Marsche. Wenn er nun auf
die Armee Bazaines stößt, bleibt
ihm nur die Rückkehr nach
Monterey offen, da könnte man
ihn in der Sierra abfangen!"
Das Unternehmen schien
dem alten Condottiere zuzu-
sagen. Der Verlust der Leute
und selbst seines Sergeant-
majors schien vorläufig ver-
gessen. Er zog eine Karte her-
vor und prüfte das Terrain,
die einzuschlagenden Wege.
„Hm, hm — so übel nicht
— wenn Sie sich nicht ge-
täuscht haben und die Schufte
in unsere Hände fallen, soll der
dumme Streich vergessen sein
— aber kommen Sie, lange
Zeit haben wir nicht, sonst ent-
wisckt uns der Halunke."
Del Patio war noch be-
schäftigt, seinen Adam innerlich
und äußerlich zu restauriren,
da wurde im Lager schon alles
lebendig. Die Trompeten rie-
fen zum Aufbruch. Der Hoch-
wald, an dessen Grenze das
Corps auf Lauerposten lag,
schwärmte von Rossen und
Reitern, die ihr primitives Lager
abbrachen und eilig sattelten.
Del Patio sah sich wieder
zu seiner Zufriedenheit neu her-
ausstaffirt. Jetzt führte ein
Soldat ihm ein Pferd am
Lasso zn und im Vollgennß
frischen Lebensmutes schwang
er sich in den Sattel. Sein
gestern im Gefängnis fast aus-
sichtsloser Wunsch, wieder frei
im Sattel zu sitzen, war nun
erfüllt. Ja noch mehr, seine
Brust wurde geschwellt von
dem süßen Bewußtsein, im
feindlichen Lager ein liebliches
Wesen zu besitzen, das trotz
aller patriotischen Gefühle den-
noch für den Geliebten und
seinen Sieg betete.
Hell schmetterten die Trom-
peten und weckten das Echo in
den weiten Hallen des Ur-
waldes. In dicht geschlossenen
Reihen zogen die Rnter auf
sckmalen Pfaden durch die
Schluchten und Thäler, die
nach Norden führten. Vor
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