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Don Pedros Brautfahrt.
Erzählung
VON
War Lay.
VII.
In Monterey hatte man wohl von erneuten Kämpfen
in der Sierra gehört, aber Genaueres über den Ausgang
und die nachfolgenden Truppenbewegungen war noch nicht
in die Stadt gedrungen. Ein panischer Schrecken bemäch-
tigte sich nun der Bevölkerung, als plötzlich die Contre-
(^uerillas nnd verschiedene andere französische Truppenteile
wie der Sturmwind von allen Seiten zugleich über die
Stadt herficleu und nach kaum nennenswertem Widerstande
cindrangeu. Die wenigen Truppenrcste, die Escobcdo in
der Stadt zurückgelassen, fast nur Kranke oder Verwundete,
sielen in die Hände der Sieger. Auch den Bürgern, die
ans das Schlimmste gefaßt waren, blieb keine Zeir zur
Flucht. Mit den Boten zugleich, die die Schreckensnachricht
von Escobedos Niederlage brachten, kamen auch die ge-
fürchteten Reiterscharen und trieben die Einwohner, die den
Fuß zur Flucht setzten, in ihre Häuser zurück. Am liebsten
hätte Dupain, der grimmige Bandenführcr, die Stadt in
Flammen aufgehen lassen, als Vergeltung für die blutige
Abweisung, die er sich unter den Mauern
Montereys geholt, aber der französische Ober-
general hatte die Stadt zum Hauptquartier
ausersehen und dazu brauchte man die Ge-
bäude und gewissermaßen auch die Einwohner.
So blieb die Stadt vor dem Untergange be-
wahrt. Aber etwas ausgiebig geplündert
wurde doch; das Vergnügen konnte man den
Soldaten nicht vorenthalten und gehörte zur
Vervollständigung der Siegesfeier.
Unter den ersten, die die Stadt betraten,
war auch Don Pedro. Mit fliegender Hast
hatte er sich auf den Regierungspalast ge-
worfen, diesen mit seiner Abteilung besetzt und
streng befohlen, im Hause gute Ordnung zu
halten, da der französische Obergeneral hier
absteigen werde. Die Leute mochten sich in
der Umgegend schadlos halten. Eine stark
besetzte Thorwache sollte die umherstreifcudcn
Plünderer anderer Truppenteile zurückhalten.
Dann drang er in das Haus, wo die zahl-
reiche Dienerschaft wie ein Volk aufgescheuchter
Hühner in Todesangst umher irrte und bei
dem eiligen Heraufkommen del Patios über
die Treppe nach allen Seiten entfloh. Seiner-
beharrlichen Verfolgung gelang es endlich,
eines Mulattenmädchens habhaft zu werden,
die Lucie als Kammerzofe diente.
„Wo ist die Sennora?" fragte er hastig
und ergriff die Zitternde am Arm, um alle
weiteren Fluchtversuche zu verhindern. Mit
bebender Hand wies sie nach dem Korridor,
der zu der Hausherrin Zimmer führte. Er-
eilt weiter und öffnet ein halbes Dutzend
Thüren, bis er in einem Salon die Gesuchte
findet, die halb ohnmächtig vor Angst bei
dem Mordspektakel, der die Stadt durchtobte,
in einem Sessel lag. Liebreich hebt er sie
empor in seine Arme und drückt unzählige
Küsse auf die bleichen Lippen, bis die Wangen
wieder voll erblühten.
„Fürchte Dich nicht, mein geliebtes Kind,

Du stehst jetzt unter meinem Schutz!" Damit führte er sie
aus Fenster und schlug die Vorhänge zurück. „Sieh, da ziehen
unsere Truppen ein; wir haben den Escobedo, der mich so
gern hätte hängen sehen, windelweich geklopft und die Stadt
ist nun in den Händen der Kaiserlichen. Ich habe Dein
Haus zum Hauptquartier vorgeschlagen, dadurch entgeht es
der Plünderung. Zwar wirst Du zahlreiche Gäste be-
kommen. Sprich freundlich mit ihnen. Der General ist
ein galanter Franzose, er wird die Dame des Hauses
respektiren!"
Lucinde nickte mechanisch. Die Wucht der Ereignisse
warf ihr alle Ueberlegung über den Haufen, zu einem klaren
Gedanken war sie vorläufig unfähig, nur die eine Empfin-
dung, den geliebten Mann wieder gesund und frisch an
ihrer Seite zu sehen, überwog alles andere, was auf sie
einstürmte. Fest an ihn geschmiegt, ließ sie ihr Köpfchen
an seine Schulter sinken. Da kam del Patio eine grandiose
Idee. Das wilde Guerillablut machte sich geltend. Ihr
Antlitz sanft emporhebend, so daß er in die unergründlich
tiefen Augen blicken konnte, sagte er halblaut:
„Erinnerst Du Dich Deines Versprechens, mein süßes
Lieb, das Du mir beim Abschiede im Park gegeben?"
Sie sah ihn fragend an.
„Wenn wir uns Wiedersehen, wirst Du mein Weib!"
beantwortete er seine eigene Frage mit ernstem, gewichtigem
Tone.
Eine plötzliche Purpurglnt übergoß ihr holdes Antlitz

mit rosiger Glut. Sie suchte sich den sie umstrickenden
Armen zu entwinden, doch schonungslos hielt er seine schöne
Kriegsbeute fest.
„Ich spreche noch heute mit dem General," fuhr er
dann siegesbewußt fort, „er soll unser Trauzeuge sein. —
Jetzt aber adieu, ich habe noch viel zu thun. Halt Dich
brav und denke an unser Glück!"
Damit ließ er sie allein, einer süßen Betäubung über-
liefert.
Der Lärm in der Stadt nahni zn. Stündlich rückten
neue Truppen ein und ans den Platz zur Musterung. Nach
den Contre-Guerillas kamen Chasseurs d'Afrique in ihren
malerischen arabischen Kostümen und den wehenden weißen
Mänteln. Alle Straßen füllten sich mit Soldaten. Ueberall
Trompetengeschmetter, Rossegetrappel und Kommandorufe
in französischer und spanischer Sprache. — Mit glänzendem
Gefolge zog endlich General Bazaine über den Platz. Del
Patio empfing den Oberkommandirenden am Thore als
Quartiermacher und geleitete ihn in die Gemächer. Im
Salon stellte er ihm die Dame des Hauses vor. An-
genehm überrascht durch die Schönheit der jungen Dame,
fühlte sich der hohe Herr äußerst behaglich und bekompli-
mentirte die Hausherrin, die mit ruhiger Sicherheit ihre
Anordnungen traf, ihren Gästen den Aufenthalt so an-
genehm als möglich zu machen.
In dem hohen, von Säulen getragenen Speisesaale
waren unterdessen die Vorbereitungen zu einem splendiden
Diner getroffen. Die bunte Gesellschaft der
Offiziere erfüllte den Raum mit einem ge-
räuschvollen, heiteren Leben, wie er es wohl
noch niemals gesehen hatte.
Der General, unter der goldenen Sonne
des Prunkhaften Kaiserhofes in Paris zu
Macht und Ansehen gelangt, fühlte sich hier
einmal wieder in seinem Element; nach lan-
gem Lagerleben konnte er wieder den Hofmann
mit seiner ganzen Liebenswürdigkeit heraus-
kehren und sein Beispiel wirkte auf seine Um-
gebung, die sich hier in den elegant ausge-
statteten Räumen an der silberblinkenden
Tafel ganz anders benahmen, als die Offi-
ziere Dupains, denen die Räubernatur schon
so in Fleisch und Blut übergegangen war, daß
sie sich samt ihrem Chef ziemlich unbehaglich
fühlten bei all den ausgetauschten Höflich-
keiten, bis die feurigen Weine Geist und
Zunge gelöst.
Es konnte dem von seinem Ehrenplätze in
der Mitte der Tafel alles überschauenden
General nicht entgehen, wie del Patio hier in
dem fremden Hause mit Eifer und vollendeter
Sicherheit den Gastgeber spielte, der mit der
Dame des Hauses an des Generals Seite
auf sehr gutem Fuße stehen mußte. In seinem
Feuereifer, Lucinde die Pflichten der Haus-
herrin zu erleichtern, ging er über die Befug-
nisse eines Quartiermachers weit hinaus.
So fragte denn der General die junge
Dame, wer eigentlich der geschäftige Feind
sei, der so effektvoll die Dienerschaft zu kcm-
mandiien verstehe und dafür sorge, daß die
verschwindenden Getränke immer wieder so
prompt erneuert würden.
Errötens sah sie auf ihren Teller und ge-
stand, daß del Patio Mexikaner und seine
Familie der ihren schon seit langem befreun-
det sei.
„So, so — schon lange befreundet!" sagte
neckend der alte Haudegen, dem ein Licht auf-

Prinz Luitpold, Regent von Bayern. (S. 618.)


Jllustr. Welt. XXXIV 2«.

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