Jeden Sonntag erscheint
eine Wummer.
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Mgart, UpM und Wien.
Ureis einer Wnrnrner
15 Wfennig.
Das Dans mit den Wei Eingängen.
Roman
von
K. Wosenthal-Aonin.
(Fortsetzung.)
Die Witwe Johann Wall-
rodens bestätigte jetzt, was Rosa
gesagt, erzählte, daß sie in der
Kenntnis von Liberios schlechtem
Charakter diesem ihre Familien-
verhältnisse verheimlicht, berichtete
dann seine unerklärliche, plötzliche,
fluchtartige Reise von Madrid
über Paris direkt nach Hamburg,
über ihre Angst und Besorgnis,
ihren entsetzlichen Schreck, als sie
die Thal hier erfuhr, gestand,
daß sie aus Scham über ihren
Bruder ihre Beziehungen zu ihm
im Dunkeln lassen wollte, da der
Bruder ja auch nicht mehr am
Leben sei, und sie nur den beweg-
lichen Vorstellungen jenes Fräu-
leins über das Schicksal einer
zweiten Person, das sich an diesen
Unglückssall knüpft, nachgegeben
habe.
„Stand Ihr Bruder mit irgend
jemand besonders in Briefwech-
sel?" erkundigte sich der Staats-
anwalt.
„Er schrieb nie Briefe und
empfing keine, das weiß ich be-
stimmt," erklärte die Witwe.
„Ist Ihnen bekannt geworden,
ob er in irgend welchen Beziehun-
gen zn Herrn Helmer Wallroden
stand?" forschte der Anwalt.
„Mein Bruder wußte, so lange
er bei mir war — das ist bis
znm Tage der Abreise — sicher
mcht, daß ein solcher Herr exi-
üirte, denn er suchte mich über
den Senator auszuforschen, fragte
über etwaige Erben und der-
gleichen; das that er oft, schon
vor Jahren und dann wiederholt
dis in die letzte Zeit. Ich sagte
ihm nichts, weil ich ihm nicht
traute, und er wußte auch sicher
nichts, sonst hätte er versucht,
t^eld von dem Senator zu er-
pressen, von dessen Tode er
ebensowenig eine Ahnung hatte
wie ich."
„Das ist seltsam," sprach der
Staatsanwalt. „In dem Nachlasse
jenes Cesarini Liberia fand sich die
Adresse Helmer Wallrodens. Be-
lchen Sie etwas Geschriebenes
von der Hand Ihres Bruders?"
tvandte sich der Staatsanwalt
wieder an die Spanierin.
»Ja, hier ist der Brief, den er
von Paris aus an mich schrieb,"
s und Frau Verrugnas-Wallroden überreichte dem Beamten
j das uns bekannte Schreiben.
Der Staatsanwalt ging in ein anderes Zimmer und
kam mit dem Zettel Liberios zurück. Er verglich beide
Schriftstücke.
„Das sind die gleichen Schriftzüge," meinte er. „Der
Zettel ist also von der Hand Libcrio's geschrieben. Ihr
I Bruder verkehrte hier, so viel bekannt geworden, mit keinem
Januar. Zeichnung von H. Giacomelli.
Menschen. Wie kam er dazu, sich die Adresse Wall-
rodens aufzuschreiben und ihm zur Nachtzeit einen Besuch
zu machen? Wer machte ihm Mitteilung nach Madrid
hin von dem Stande der Dinge hier? Das bleibt unauf-
geklärt," sprach Herr Bankjus kopfschüttelnd.
„Können Sie sich erklären," setzte jetzt der Beamte das
Verhör sort, „welche Vorteile Ihr Bruder von der That,
wenn sie geglückt wäre, sich etwa versprechen mochte?"
„Er handelte heimlich vor mir,
er wollte mich nicht wissen lassen,
was er that. Das Vermögen
kennte er doch nicht erheben, da
er nicht erbt, und so kann ich
mir nur denken, daß er, nachdem
das gräßliche Verbrechen gelungen,
mich als Erbin hergeschickt und
mir große Summen davon abge-
preßt hätte. Das lag in seiner
Art, die ich genugsam kenne,"
schloß Frau Verrugnas mit Thrä-
nen in den Augen.
„Wer oder was gab ihm so
plötzlich Kunde nach Madrid?"
wandte der Staatsanwalt noch-
mals ein. „Sie haben keine Er-
klärung hiefür?" fragte er die
Spanierin.
„Das ist mir ein Rätsel,"
antwortete diese.
„Herr Staatsanwalt," mischte
sich darauf Rosa in die Verhand-
lung, „ist der Nachlaß, die Klei-
der, Wäschestücke und dergleichen
des Liberia genau untersucht wor-
den ?"
„Aufs Sorgfältigste, mein
Fräulein. Jedes Kleidungsstück ist
zertrennt worden; man fand nicht
das Geringste, was irgend welchen
Anhalt bieten konnte," gab der
Staatsanwalt zurück.
„Herr Staatsanwalt," nahm
jetzt Rosa wieder das Wort,
„wäre es mir vielleicht gestattet,
in Ihrer Gegenwart noch einmal
die Effekten jenes Mannes zu
untersuchen? Ich habe scharfe
Augen nnd Glück im Finden,
rühmt man mir nach, vielleicht
entdecke ich etwas, das den an-
deren entging; es wäre ja möglich
und in kurzer Zeit geschehen,"
stellre Rosa dem Staatsanwalt
mit bewegten Worten vor.
„Dieser Nachlaß gehört bis
zum Schluß der Untersuchung dem
Gericht, nnd ich verspreche mir
nicht viel von einer nochmaligen
Durchsicht durch Privatpersonen,
nachdem unsere erfahrensten Detek-
tivs sich damit beschäftigt," wandte
der Staatsanwalt ein.
„Ist es nicht schon oft vorgc-
kommen, daß ein Kind im Spiel
etwas zu Tage brachte, wonach
man tagelang an derselben Stelle
aufs Eifrigste gesucht hatte? Der
Zufall waltet oft seltsam, Herr
Staatsanwalt, er ist heute anders
Weit umher die Focken trieben,
Stille herrscht, soweit man blickt,
Was noch hell und grün geblieben,
Hat der Schneefall ganz erstickt.
Unter Aesten, dicht verbunden,
Hat ein Obdach hier im Wald
Line Vögleinschar gefunden —
Ach, es ist so rauh und kalt!
hoffnungsreich, wenn auch beklommen,
Schau» sie, wo die Sonne steht —
Dorther muß der Frühling kommen,
Der ied' Winterlcid verweht.
Fr. Fav. Seidl
Jllustr. W-It. XXXIV. 12.