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Illustrirte Welt.

173

Das Gelmiimis.

Welche Last mag da jahrelang auf der Seele des Mannes
gckastet haben, der jetzt dem Mönche das Geheimnis seines Lebens

anvertraut. Der Greis fühlt, daß das Ende seiner Tage hier
auf Erden gekommen ist. Von Krankheit gebeugt, durch längeres
Leiden geläutert, hat er jetzt eingefehen, daß er einst, im Banne
der Leidenschaft befangen, schwer gefehlt hat. Nun, da der Schleier
aller irdischen Irrtümer vor ihm gefallen, sieht er ein, daß er

vor dem Richterstuhle des Ewigen nicht bestehen würde. Vielleicht
aber ist noch gut zu machen an den Hinterbliebenen jenes Unglück-
lichen, was Jähzorn und Haß gesündigt. Der Kranke läßt den
Beichtiger kommen, um ihm das Geheimnis anzuvertrauen, um
von dem Geistlichen zu erfahren, ob es hier auf Erden noch eine


Sühne seiner Schuld geben könne und wie es geschehen könnte,
kur die Kinder des vernichteten Feindes Gutes zu stiften. Ter
sterbende will feine Seele entlasten, er will reinen Gewissens,
"echten Herzens vom Leben scheiden, um wenigstens, wenn er
vor den Richter alles menschlichen Thuns tritt, sagen zu können:
«Ich habe bereut, wenn auch spät; ich habe zu sühnen versucht,

so weit noch möglich." Es ist eine grausige That, die er dem
Bruder dort in das Ohr flüstert, sie erschüttert den Greis auf
das tiefste, Entsetzen spricht aus seinen starren Augen, indem die
Bilder der Vergangenheit vor ihm aussteigen, und auch der Mönch
ist auf das heftigste bewegt, aus seinem scharfen Gesichte spricht
der Zweifel darüber, ob es möglich sein wird, daß jener sündige

Mensch wohl jemals Verzeihung finden dürfte. Kraftvoll und
vortrefflich charakterisirt veranschaulicht ein Gemälde von Leighton,
welches wir hier reproduziren, ein derartiges ergreifendes Ge-
ständnis und erweckt sicher auch die Teilnahme und das Interesse
der Leser.
 
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