Illustrirte Welt.
35 t
bad vollständig von der Läure. Nach dem Auswaschen wird die
Masse zusammengeballt, einem beträchtlichen Druck unterworfen
und getrocknet, dann wieder gebrochen. Die Stückchen werden in
eine Schleuder gebracht und ausgeschleudert, wobei sie schnell
trocknen, demnächst nochmals zerkleinert und nun mit etwa 110 Pro-
zent Kampser versetzt.
Kampfer gehört zu den flüchtigen (ätherischen) Oelen und kommt
als eine feste, weiße, kristallinische, starkriechende Substanz, die man
aus dem Holze des in Japan und Ostindien wachsenden Kampfer-
baumes darstellt, im Handel vor. Derselbe ist ebenfalls aus
Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff zusammengesetzt; demnach
tritt bei der Bildung von Celluloid nur in der Mischung der
Bestandteile eine Veränderung ein, die übrigens wohl lediglich
mechanischer, nicht chemischer Natur ist. Di« den Kampfer ent-
haltende Masse wird erwärmt, verknetet und zu dünnen Lamellen
nusgepreßt, aus welchen nach abermaliger Zerkleinerung stabförmige
Rohstoffstücke entstehen. Der Rohstoff hat ungefähr das Ansehen
von blondem Horn, ist schwach durchscheinend, elastisch und trotzdem
sehr fest. Geheimerat Reuleaux lobt die Härte und die „angenehme
Griffigkeit" Les Materials.
Wir dürfen das Celluloid als eine Vereinigung von Schieß-
baumwolle und Kampfer betrachten. Die 1847 von Schönbein
entdeckte Schießbaumwolle (Pyroxylin) bildet sich bei Einwirkung
eines Gemisches von Salpetersäure und Schwefelsäure aus Baum-
wolle. Sie weicht in ihrem Aussehen durchaus nicht von gewöhn-
licher Baumwolle ab, ist dagegen in hohem Grade explosiv. In
höherer Temperatur oscc durch Schlag verbrennt sie unler Ver-
puffung sehr rasch und ohne Kohle zu hinterlassen. Ueber die
Verwendbarkeit der Schießbaumwolle sind die Akten noch nicht ge-
schlossen. Sie sollte artilleristischen Zwecken dienen, hat sich indes
anscheinend als Ersatz für Schießpulver nicht bewährt, wenngleich
Abel in Woolwich nach längeren Untersuchungen sie als besonders
geeignet für submarine Sprengungen (Torpedos) bezeichnete. Eine
merkwürdige Wandlung ging vor sich. Man beobachtete, Laß sich
die Schießbaumwolle unter gewissen Bedingungen in einem Gemisch
von Alkohol und Aether zu einer klebrigen, dicken Flüssigkeit auf-
löst, welche das sogenannte Kollodium darstcllt. Auf eine Fläche
aufgestrichen, läßt das Kollodium nach dem Verdunsten Les Lösungs-
mittels eine feine, aber feste, vollkommen durchsichtige und für
Wasser undurchdringliche Haut zurück. Hierauf beruht dessen An-
wendung in der Photographie, sowie in der Chirurgie als Verband-
und Klebemittel. Sv wanderte die Schießbaumwolle aus den
Pulvermagazinen in die Lazarcte; sie heilt Wunden, anstatt solche
zu schlagen.
Bei der Diskussion über einen am 4. Februar 1878 von Herrn
Geheimerat Reuleaux Uber Celluloid gehaltenen, von letzterem im
Oktober vorigen Jahrs mir gütigst zur Verfügung gestellten Vor-
trag hebt llr. Martins hervor, Latz schon im Jahre 1863 der Eng-
länder Parkes aus einer Mischung von Schietzbaumwolle und
Kampser habe Waren anfertigen lassen, Latz aber die Undurchsichtig-
keit der Masse ein Hindernis für weitere Verbreitung der Artikel
gewesen sei.*) In derselben Sitzung behauptete Or. Frank, die
Ehre der Erfindung des Celluloids gebühre einem Deutschen. Es
wurden Luftballons aus Kollodium gefertigt und Böttcher in Frank-
furt a. M. hat darauf hingewiesen, Latz ein Zusatz von Terpentinöl,
welches dem Kampfer sehr nahe steht, das Kollodium biegsam und
formbar mache. Liese Eereitungsweisc ist angeblich in Vergessen-
heit geraten.
Ich lasse dahingestellt, wessen Haupt der Lorbeer zu schmücken
hat, und wende mich zu der Bedeutung unseres Schützlings für
das praktische Leben. Die Ansichten hierüber Huben sich seit 1878
wesentlich geklärt.
Alles Celluloid, welches in den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika fabrizirt wird, stammt aus der Fabrik von Gebr. Hyatt
in Newark (New-Jerseys. In Europa exisliren nur zwei Fabriken,
die sich mit der Herstellung von Celluloidartikeln beschäftigen; die
Compagnie Franco-Americaine in St. Denis bei Paris und die
Gummi-, Guttapercha- und Asbestfabrik (vormals Amerikanische
Gummi- und Celluloidwarenfabrik) in Mannheim, in welcher
mehrere hundert Arbeiter thätrg sind.
Die Anwendung des Celluloids, das man bleichen und dem
man jede beliebige Farbe geben kann, ist eine überaus mannig-
faltige geworden. Dem Elfenbein ist durch dasselbe ein gefähr-
licher Konkurrent entstanden. Schildpatt, Malachit, Bernstein,
Korallen lassen sich durch Zellhorn täuschend Nachahmer,. Mau
fertigt daraus Broschen, Ohrgehänge, Halsbänder, Uhrketten, Arm-
bänder, Fingerringe, «Ltreichholzbüchsen, Kämme, Oyrlöfsel, Nagel-
reiniger, Haarnadeln, Haarpsefic, Schalen für Mesjerhefte, Hülsen
für Tajchenbleistifte, Schirm- und Stockgriffc, Cigarren- und Pseifen-
spitzen, Schachsiguren. Die Kämme bewäyren sich vortrefflich, sie
sind außerordentlich haltbar und haben wegen ihrer Unzerbrechlich-
k.it die Kämme aus Hartgummi in manchen Gegenden aus Lern
Felde geschlagen. In der Zahntechnik und Chirurgie spielt das
Celluloid eine namhafte Rolle. Künstliche Gebisfe aus Zellhorn
sind weit verbreitet. Aus ganz dünnem, ^4 bis >/z Millimeter
starkem Celluloid werden Ornamente, Wappen und jo weiter her-
gestellt, die für Albumdecken, Cigarrenetuis, Visitemartentäjchchen
ungemein wirkungsvoll sind. Von Eduard Pachtmann in Dresden,
Pragcrstratze 7, habe ich ein Exemplar der Cigarrenlajchen bezogen,
welche Lieser uitelligenie Geschäftsmann zur Erinnerung an Las
im Sommer vorigen Jahrs begangene internationale Turnfest hat
unfertigen lassen. Tie hier in Leder cingepretzten Celluloidcigarren
sind eine ausgezeichnete Leistung.
Ziegler Söhne L Comp. in Ruhla haben mir Celluloid-
cigarrenjpitzen geliefert, die von Bernstein sich schwer unterscheiden
lassen.
Leider gestehen nicht alle Kaufleüte dem Kunden zu, daß er
ein Surrogat vor Augen hat. Tas Kasjeninteresse trägt über die
Rechtlichkeit Len Sieg davon, und von Gewisjensskrupeln freie
Biedermänner veikaufeu die viel billigeren Celluloidsachen für
Elfenbein, ILernsteinware und dergleichen mehr. Mil der Zeit
wird das Publicum gewitzigter werüen und sich beim Einkäufen
besser vorseyen.
Celluloidartikel sind sehr leicht zu erlennen. Sie sind zwar an
und für sich vollkommen geruchlos, beim Reiben und auf frischen
Bruchstrichen nimmt man Len Kampfergeruch jedoch deutlich wahr.
Die Eigenschaft Les Celluloids, daß man in die noch weiche
Masse Metalleinlagen machen kann, wird von vielen Fabrikanten
uusgenützt. Das Zellhorn verbindet sich wie sester Kitt mit dem
. 's Siche „Sitzungsberichte des Vereins zur Beförderung des Gewerbe-
Il-ißcs". Berlin 1878. Verlag von Leonhard Simion.
Metall, so daß sich die verschiedenartigsten und zierlichsten Einlege-
arbeiten mit demselben zuwege bringen lassen. Der Stoff wird
durch Erhitzung bis 125 Grad Celsius so plastisch, daß man ihm
jede Form zu geben vermag. Man legt die Gold-, Silber- und
so weiter Einlagen in die Hohlform für das zu fertigende Stück,
dann das weiße oder gefärbte Zellhorn warm darauf und preßt
nun den Formstempel ein. Die Mctallkörpcrchen gewinnen dabei
festen Halt. Ein: mir von der Mannheimer Fabrik freundlichst
überlassene weiße Streichholzbüchse mit einem eingepreßten Nickel-
kobold, deren Material jeder für Elfenbein hält, gibt einen reizen-
den Schmuck für den Nippestisch ab. „Diese Einlegearbeiten," sagt
Herr Geheimerat Reuleaux in dem oben erwähnten Vortrag, „haben
nach meiner Ansicht in kunstgewerblicher Hinsicht eine große Zu-
kunft. Hier geht nicht ein Stück wie das andere aus der Maschine
hervor, die Hand hat vielmehr die Möglichkeit, ja sie kann nicht
umhin, kleine Variationen in der Zusammenlegung der Stückchen
zu machen." Diese Erwartungen haben sich bedauerlicherweise nicht
ganz erfüllt. Es hat an den nötigen Hinweisen für die große
Menge gefehlt.
Die Versuche, Billardkugeln aus Celluloid herzustellen, sind
mißglückt. Auch ist es nicht gelungen, Len Stoff den Zwecken der
Telegraphie dienstbar zu machen; Zellhorn gehört zu Len Isola-
toren. Herr Reuleaux glaubte, es werde in der Telegraphie die
Guttapercha, also auch das durch Jmprügniren von Guttapercha
oder Kautschuk mit Schwefel entstehende horuartige Ebonit ver-
drängen. Der höhere Preis des Zellhorns hat es dahin bis jetzt
nicht kommen lassen.
In Amerika bedienen sich die Schuhmacher des Celluloids für
Einlegesohlen und zum Beschlagen der Schuhspitzen anstatt des
Messings. Sogar zur Anfertigung von Wüschcartikelu (Kragen
und Manschetten) hat man Las Celluloid ausgebeutet. Dieselben
sollen wie gut gestärkte Leinwand aussehen und monatelang getragen
werden können. Die Reinigung geschieht einfach mit Wasser und
Seife.
Das Celluloid hätte sich noch weit mehr Eingang verschafft,
wenn nicht große Bedenken hinsichtlich seiner Feuergefährlichkeit
gehegt würden. Mau hält cs für explodirbar und leicht verbrenn-
lich. Ich mutz diesem Vorurteil entschieden entgegcntreten. Selbst
durch starken Stoß und kräftiges Hämmern kann Zellhorn nicht
zum Explodireu gebracht werden. Wird es direkt in die Flamme
gehalten, jo brennt Zellhorn etwas rascher als Siegellack ohne
Detonation ab und hinterläßt ein wenig Asche, jedenfalls eine Folge
der Färbung durch mineralische Substanzen. Wird die lebhaft
brennende Flamme ausgeblasen, so glüht schließlich die ganze Masse
unter starker Kampserdnmpfentwicklung. Offenbar pflanzt die
Schießbaumwolle die Entzündung allein fort, während dec Kampfer
abocsttllirt. Die glimmende Substanz ist nicht im stände, worauf
bereits im Jahre 1879 die „Badische Gewerbezeitung" aufmerksam
machte, andere brennbare Körper zu entzünden. Direkt in eine
Flamme gehalten brcnncu fast alle unsere Beklcidungsgcgcnstünde.
Durch das Celluloid wird die Sicherheit keineswegs besonders ge-
fährdet. Kommt eine Dame auf dem Ball einer offenen Gas-
flamme zu nahe, so wird der auf ihrem Busen prangende Celluloid-
Ichmuck nur daun in Flammen aufgehen, wenn schon die Kleider
in Brand geraten sind.
Ein, Nkmieim am Rege za ilea Golklnünea
ia 8mlafrilm.
tBild S. W2.)
„Dem gewöhnlichen Wege der Einwanderung der diamauten-
und goldgierigen Europäer folgend, war ich von der Kapstadt in
Kimberley angciommen, fand aber dort meine Erwartungen aufs
gröbste enttäuscht und mutloser, als ehe ich in der Heimat den
Entschluß zur.Asrikafahrt' faßte, blickte ich in die Zukunft." So
erzählte mein Freund Heinrich B., während wir in einem hübsch
eingerichteten Zimmer seines väterlichen Hauses in dem „goldenen"
Mainz an unserem deutschen Rheine nach zehnjähriger Trennung
uns wieder gegenübcrsaßen und im grünen Römer das Nheingold
glänzte. „Ja," fuhr er fort, „ich war nicht immer auf Rosen
gebettet, wenn ich mich auch jetzt manchmal nach den freien Ebenen
des Betschuanenlandes mit förmlichem Heimweh zurückdenke!"
Hier sei mir erlaubt, die Persönlichkeit meines vielgereisten
Freundes etwas näher zu beschreiben. Er war von wahrhaft im-
ponirender, großer Gestalt, dabei aber geschmeidig und ein blond-
gelockter Kops mit einem energischen Gesicht, dessen Charakter
hauptsächlich eine kühn gebogene Adlernase und ein marnalischer
Schnurrbart zeichneten, saß keck znsijchcn den Schultern. Was aber
besonders jedem, der mit B. verkehrte, sofort auffiel, war sein
Auge, das blaugrau, glänzend, mit durchdringender Schärfe blickte
und Las ihm deshalb auch unter seinen Corpsbrüdcrn auf der
kleinen mitteldeutschen Universität, die er als Mediziner besucht
hatte, den Cerevisnamen „L-perber" eingetragen. Nachdem er den
Feldzug im Jahr 1870 als Freiwilliger mitgemacht, hatte der
unruhige Kopf, nach Absolvirung seiner Prüfungen, um unlieben
pekuniären Erörterungen seinem Vater gegenüber aus dem Wege
zu gehen, sein ihm von der verstorbenen Mutter zukommendes
geringes Vermögen flüssig gemacht und dann sein Heil im „schwarzen
Weltteil" gejucht. Nun war er zurück und arbeitete sich in die
väterliche Praxis ein.
Mit wenigen Schillingen noch in der Tasche langte ich in der
Stadt — jo nannte man die Anjroolung in der Nähe der Claims,
aus welchen die Diamanterde gewonnen wird — an," nahm
Heinrich den Faden wieder auf, während ich in seinem Skizzen-
buch blätterte, „und obwohl ich auf Grund einiger Empfehlungs-
briefe, welche ich glücklicherweise in Elizabethport mir hatte geben
lassen, wenigstens Unterkunft sand, so überzeugte ich mich doch bald,
Laß mit der ärztlichen Praxis auf die Dauer nicht viel zu machen
sei und nur Las .Diggen', das heißt Diamautenwaschen, übrig
bleibe. Da schickte mir der glückliche Zufall als wohlhabenden
Kranken einen Diamantenhänüler, und nachdem ich denselben ge-
heilt, was mir eine weit größere Summe, als ich gehofft hatte,
eintrug, beschloß ich, mich nach Norden zu begeben und an den
Goldminen am Tati mich zu versuchen, unterwegs aber der Jagd
und naturwissenschaftlichen Studien mich zu widmen."
Während Lieser Erzählung hatte ich zahlreiche Bilder des Skizzen-
buchs mit hübschen Gegenden, seltenen Tieren und prächtigen Blumen-
bildern betrachtet, als plötzlich die fesselnde Skizze, welche in unserem
Bilde näher ausgejührt ist, mir ins Auge siel. Ich bat meinen Freund
um deren Erklärung, welcher Bitte er auch nach einigen einleiten-
den Worten über das Hochland am Marico- und Tatiflusse, dem
Schauplatze des Abenteuers, bereitwilligst nachkam.
„Es war ein wahrhaft lieblicher, klarer Morgen, dessen goldene
Strahlen das herrliche Grün der weiten Grasebcne, über welche
nur wenige Mimosen hervorragten, mit einem glänzenden Scheine
überzog, als wir das von einigen ziemlich tief eingeschnittenen
Schluchten durchschnittene Hochplateau erreichten. Wir folgten,
nämlich ich und meine zwei Diener, die Zulu-Matabeles Menon
und Leluga, dem Zuge der goldhaltigen Tatihöhc, an deren Fuß
die Minen liegen. Unser von Ochsen gezogener Wagen folgte mit
einem weißen Diener, Pitt, der L-icherheit halber auf eine Viertel-
stunde Entfernung nach und wir bildeten gewissermaßen die Vor-
hut. Wir halten uns alle drei gut bewaffnet, da uns gesagt
worden war, daß am Marico, einem Gebirgsflüßchen, das wir zu
passiven hatten, in letzter Zeit sich häufig Löwen gezeigt hätten,
und so trug jeder der Zulus seinen Assagai, ich führte einen
Spencerkarabiner mit vollständig geladener Patronenkammer, wäh-
rend ein ebensolcher zweiter, Menon anvertraut, als Reserve
galt. Wir hatten gestern den Marico hinter uns gebracht und
keinerlei besorgniserregende Wahrnehmungen gemacht, heute, wo
uns das Hochland mit zahlreichen, friedlich äsenden Herden von
Gnus, Bläßböcken und den sonst so vorsichtigen Hartebeestantilopen
und Zebras entgegenlachte, waren wir vollkommen sorglos. Manch-
mal machten wir Halt, um das schöne Bild mit dem Auge fest-
zuhalteu, als ich plötzlich mitten zwischen den Antilopen einen
Springbock von seltener Größe gewahrte, der meine Jagdlust in
hohem Grade rege machte. Ich teilte meinen Begleitern den Plan
mit, das Tier zu erlegen, und bald war die betreffende Herde ein-
gekreist und einer der Lchluchten zugetrieben, während ich am
andern Ende derselben Posto faßte, um aus der fliehenden Herde
heraus das ersehnte Stück zu schießen. — Alles ging nach Wunsch,
die beiden Zulus trieben das Wild mir zu und, hinter einem
Felsblock stehend, gelang es mir, das ziemlich sorglose Wild durch
einen Schuß zu töten. Voller Freude kamen meine Helfer herbei
und eben schickte sich der gewandte Leluga an, nachdem er die
Waffen abgelegt, mit Hilfe seines Genossen das Tier auszuweiden,
als hinter uns ein furchtbares Gebrüll ertönte, das, aus nächster
Nähe kommend und uns nur zu wohlbekannt, Las Blut in den
Adern gerinnen machte. Und welcher Anblick zeigte sich, als wir
blitzschnell die Köpfe wendeten? Niedergeduckt erblickten wir den
riesigen, schwarzbemähnten Kopf eines zum Sprunge bereiten männ-
lichen Löwen, der aus dem Dunkel einer Felsspalte, von den Kalk-
selsen grell umrahmt, uns zugcwcndet war. Hier galt's Augen-
blicke! Ich riß den Kolben an die Wange, da ich aber den Kopf
gerade vor mir hatte, so war ein Schuß auf Len undurchdring-
lichen Schädel schwer «nzubringen und cs blieb nur der gähnende
Rachen übrig, um durch ihn mit einem tödlichen Schuß das Ge-
hirn der Bestie zu erreichen. Mit Gedankenschnelle hatte ich denn
auch diesen Schuß gewagt, und als ich durch den Dampf des
Schusses blickte, sah ich zwar hoch aufgerichtet den emporschnellen-
den Körper des Tiers, der aber in sich selbst zusammenfiel, denn
meine Kugel hatte den Weg zum kleinen Gehirn gefunden und
dieses zerjchmettert, wie ich bei der späteren Untersuchung des rie-
sigen Tiers, eines vollkommen ausgewachsenen.alten Herrn', fand.
Ein zweiter zur Sicherheit hinter das.Blatt' des Tiers gesandte
Schuß machte den Körper der Katze kaum mehr konvulsivisch zucken.
Mein Diener Menon, der — mit ebenso rascher Handlung wie die
meinige — ausgerissen war, kam nun etwas beherzter zurück, mußte
aber dazu noch Leu Spott Lelugas ertragen, dem ich jedoch kauni mehr
Mut zutraute, obwohl der ganze Vorfall so schnell verlief, daß er gar
keine Zeit zur Flucht fand. Der Anlaß zu dem Abenteuer war
mein erster Schuß, der mit dem lauten Echo den schlafenden Herrn
der Tiere geweckt hatte. Ich selbst bin später noch oft Löwen
gegenübergestanden, nie aber wieder in solch gefährlicher Nähe, und
darum fertigte ich unter genauer Wiedergabe der Oertlichkeit die
Skizze!"
Er schwieg; ich erbat mir das Blatt als Andenken, das nun
der Künstler durch seine gelungene Ausführung zu einem solch leb-
haften Bilde gemacht. C. Fischer.
UnermiiMier AllfeMasi.
(Bild S. 3L3.)
„He, Jakob!" — „Ja?" — „Was ist denn da los?" —
„Ach, gnädiges Fräulein!" — „Ach ja, ich sehe es schon! Ach,
ich armes, unglückseliges, geschlagenes Menschenkind! Habe ich
euch darum heute zu Fastnacht einen vergnügten Tag gegönnt,
damit mir Lies passire? Da liegt er im Schnee, der alte Sauf-
aus. Hätt' ich Loch einen Mann im Haus! Zum Gespött werde
ich für das ganze Land! Meine Mädchen bestehlen und betrügen
mich und ihr — ihr, denen ich eine Freiheit gönne, die unerhört
ist — ihr — nun zum Tank fetzt ihr mich hier ins Wasser.
Wenn ich nur hinaus könnte, aber zu Fuß bei dem Baron an-
kommen — bei ihm — ich schäme mich zu Tode. Franz, wie
könnt' Er sich nur so weit vergessen, Er ist doch sonst ein ver-
nünftiger Mensch und hält auf Reputation; aber böse Beispiele
verderben gute Litten; und der da mit der roten Nase — längst
hätte ich ihm Len Lauspaß geben sollen ..." — „Ja, Euer
Gnaden," begann der Rotnasige, „was ist Leun das auch für 'ne
Wirtschaft — brr — so 'n Werberregiment! Muß ich mich, wenn
ich mich einmal im Kruge sehen lasse, nicht immer hänseln und
narren lassen — nur weil Ihr keinen Mann habt? Soll ich denn
für Euch auf die Freite gehen? Ja, Euer Vater, Gott hab' ihn
selig... Ja wohl." — „Wau, wau!" — „Willst du schweigen,
verdammter Köter, du! Ich habe genug au dem Gekläff! Aus
ist es! Weg will ich! Keine zehn Pferde..." — „Halt 's Mel,
Kamaul! Maul, Kamel, wollt ich sagen," unterbrach ihn der
Franz. „Du bist an allem schuld! Hab' ich nicht immer gesagt,
es sei genug, wir müßten fort? Aber mußtest Lu nicht immer
wieder noch einen hinter die Binde gießen? Und just hier auf
dem Eise konnte es natürlich, nicht fehlen, daß Du einen Purzel-
baum schlügst und mir das Schienbein schindest. Aber warte
nur! Ich werd's ihm eintranken, gnädiges Fräulein! Nicht um-
sonst .. ." — „Nicht umsonst, freilich," fiel das Fräulein, in
Thränen ausbrechend, ein, „habe ich den Männern ins Handwerk
zu pfuschen versucht. Aber, Gott fei Dank! Rettung! Er ist es!
O Rudolf, wie gut, daß Sie kommen! Nie, nie mehr will ich ..."
Ihre Verwirrung und die Glut ihrer Wangen sagten mehr, als
alle Worte.
35 t
bad vollständig von der Läure. Nach dem Auswaschen wird die
Masse zusammengeballt, einem beträchtlichen Druck unterworfen
und getrocknet, dann wieder gebrochen. Die Stückchen werden in
eine Schleuder gebracht und ausgeschleudert, wobei sie schnell
trocknen, demnächst nochmals zerkleinert und nun mit etwa 110 Pro-
zent Kampser versetzt.
Kampfer gehört zu den flüchtigen (ätherischen) Oelen und kommt
als eine feste, weiße, kristallinische, starkriechende Substanz, die man
aus dem Holze des in Japan und Ostindien wachsenden Kampfer-
baumes darstellt, im Handel vor. Derselbe ist ebenfalls aus
Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff zusammengesetzt; demnach
tritt bei der Bildung von Celluloid nur in der Mischung der
Bestandteile eine Veränderung ein, die übrigens wohl lediglich
mechanischer, nicht chemischer Natur ist. Di« den Kampfer ent-
haltende Masse wird erwärmt, verknetet und zu dünnen Lamellen
nusgepreßt, aus welchen nach abermaliger Zerkleinerung stabförmige
Rohstoffstücke entstehen. Der Rohstoff hat ungefähr das Ansehen
von blondem Horn, ist schwach durchscheinend, elastisch und trotzdem
sehr fest. Geheimerat Reuleaux lobt die Härte und die „angenehme
Griffigkeit" Les Materials.
Wir dürfen das Celluloid als eine Vereinigung von Schieß-
baumwolle und Kampfer betrachten. Die 1847 von Schönbein
entdeckte Schießbaumwolle (Pyroxylin) bildet sich bei Einwirkung
eines Gemisches von Salpetersäure und Schwefelsäure aus Baum-
wolle. Sie weicht in ihrem Aussehen durchaus nicht von gewöhn-
licher Baumwolle ab, ist dagegen in hohem Grade explosiv. In
höherer Temperatur oscc durch Schlag verbrennt sie unler Ver-
puffung sehr rasch und ohne Kohle zu hinterlassen. Ueber die
Verwendbarkeit der Schießbaumwolle sind die Akten noch nicht ge-
schlossen. Sie sollte artilleristischen Zwecken dienen, hat sich indes
anscheinend als Ersatz für Schießpulver nicht bewährt, wenngleich
Abel in Woolwich nach längeren Untersuchungen sie als besonders
geeignet für submarine Sprengungen (Torpedos) bezeichnete. Eine
merkwürdige Wandlung ging vor sich. Man beobachtete, Laß sich
die Schießbaumwolle unter gewissen Bedingungen in einem Gemisch
von Alkohol und Aether zu einer klebrigen, dicken Flüssigkeit auf-
löst, welche das sogenannte Kollodium darstcllt. Auf eine Fläche
aufgestrichen, läßt das Kollodium nach dem Verdunsten Les Lösungs-
mittels eine feine, aber feste, vollkommen durchsichtige und für
Wasser undurchdringliche Haut zurück. Hierauf beruht dessen An-
wendung in der Photographie, sowie in der Chirurgie als Verband-
und Klebemittel. Sv wanderte die Schießbaumwolle aus den
Pulvermagazinen in die Lazarcte; sie heilt Wunden, anstatt solche
zu schlagen.
Bei der Diskussion über einen am 4. Februar 1878 von Herrn
Geheimerat Reuleaux Uber Celluloid gehaltenen, von letzterem im
Oktober vorigen Jahrs mir gütigst zur Verfügung gestellten Vor-
trag hebt llr. Martins hervor, Latz schon im Jahre 1863 der Eng-
länder Parkes aus einer Mischung von Schietzbaumwolle und
Kampser habe Waren anfertigen lassen, Latz aber die Undurchsichtig-
keit der Masse ein Hindernis für weitere Verbreitung der Artikel
gewesen sei.*) In derselben Sitzung behauptete Or. Frank, die
Ehre der Erfindung des Celluloids gebühre einem Deutschen. Es
wurden Luftballons aus Kollodium gefertigt und Böttcher in Frank-
furt a. M. hat darauf hingewiesen, Latz ein Zusatz von Terpentinöl,
welches dem Kampfer sehr nahe steht, das Kollodium biegsam und
formbar mache. Liese Eereitungsweisc ist angeblich in Vergessen-
heit geraten.
Ich lasse dahingestellt, wessen Haupt der Lorbeer zu schmücken
hat, und wende mich zu der Bedeutung unseres Schützlings für
das praktische Leben. Die Ansichten hierüber Huben sich seit 1878
wesentlich geklärt.
Alles Celluloid, welches in den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika fabrizirt wird, stammt aus der Fabrik von Gebr. Hyatt
in Newark (New-Jerseys. In Europa exisliren nur zwei Fabriken,
die sich mit der Herstellung von Celluloidartikeln beschäftigen; die
Compagnie Franco-Americaine in St. Denis bei Paris und die
Gummi-, Guttapercha- und Asbestfabrik (vormals Amerikanische
Gummi- und Celluloidwarenfabrik) in Mannheim, in welcher
mehrere hundert Arbeiter thätrg sind.
Die Anwendung des Celluloids, das man bleichen und dem
man jede beliebige Farbe geben kann, ist eine überaus mannig-
faltige geworden. Dem Elfenbein ist durch dasselbe ein gefähr-
licher Konkurrent entstanden. Schildpatt, Malachit, Bernstein,
Korallen lassen sich durch Zellhorn täuschend Nachahmer,. Mau
fertigt daraus Broschen, Ohrgehänge, Halsbänder, Uhrketten, Arm-
bänder, Fingerringe, «Ltreichholzbüchsen, Kämme, Oyrlöfsel, Nagel-
reiniger, Haarnadeln, Haarpsefic, Schalen für Mesjerhefte, Hülsen
für Tajchenbleistifte, Schirm- und Stockgriffc, Cigarren- und Pseifen-
spitzen, Schachsiguren. Die Kämme bewäyren sich vortrefflich, sie
sind außerordentlich haltbar und haben wegen ihrer Unzerbrechlich-
k.it die Kämme aus Hartgummi in manchen Gegenden aus Lern
Felde geschlagen. In der Zahntechnik und Chirurgie spielt das
Celluloid eine namhafte Rolle. Künstliche Gebisfe aus Zellhorn
sind weit verbreitet. Aus ganz dünnem, ^4 bis >/z Millimeter
starkem Celluloid werden Ornamente, Wappen und jo weiter her-
gestellt, die für Albumdecken, Cigarrenetuis, Visitemartentäjchchen
ungemein wirkungsvoll sind. Von Eduard Pachtmann in Dresden,
Pragcrstratze 7, habe ich ein Exemplar der Cigarrenlajchen bezogen,
welche Lieser uitelligenie Geschäftsmann zur Erinnerung an Las
im Sommer vorigen Jahrs begangene internationale Turnfest hat
unfertigen lassen. Tie hier in Leder cingepretzten Celluloidcigarren
sind eine ausgezeichnete Leistung.
Ziegler Söhne L Comp. in Ruhla haben mir Celluloid-
cigarrenjpitzen geliefert, die von Bernstein sich schwer unterscheiden
lassen.
Leider gestehen nicht alle Kaufleüte dem Kunden zu, daß er
ein Surrogat vor Augen hat. Tas Kasjeninteresse trägt über die
Rechtlichkeit Len Sieg davon, und von Gewisjensskrupeln freie
Biedermänner veikaufeu die viel billigeren Celluloidsachen für
Elfenbein, ILernsteinware und dergleichen mehr. Mil der Zeit
wird das Publicum gewitzigter werüen und sich beim Einkäufen
besser vorseyen.
Celluloidartikel sind sehr leicht zu erlennen. Sie sind zwar an
und für sich vollkommen geruchlos, beim Reiben und auf frischen
Bruchstrichen nimmt man Len Kampfergeruch jedoch deutlich wahr.
Die Eigenschaft Les Celluloids, daß man in die noch weiche
Masse Metalleinlagen machen kann, wird von vielen Fabrikanten
uusgenützt. Das Zellhorn verbindet sich wie sester Kitt mit dem
. 's Siche „Sitzungsberichte des Vereins zur Beförderung des Gewerbe-
Il-ißcs". Berlin 1878. Verlag von Leonhard Simion.
Metall, so daß sich die verschiedenartigsten und zierlichsten Einlege-
arbeiten mit demselben zuwege bringen lassen. Der Stoff wird
durch Erhitzung bis 125 Grad Celsius so plastisch, daß man ihm
jede Form zu geben vermag. Man legt die Gold-, Silber- und
so weiter Einlagen in die Hohlform für das zu fertigende Stück,
dann das weiße oder gefärbte Zellhorn warm darauf und preßt
nun den Formstempel ein. Die Mctallkörpcrchen gewinnen dabei
festen Halt. Ein: mir von der Mannheimer Fabrik freundlichst
überlassene weiße Streichholzbüchse mit einem eingepreßten Nickel-
kobold, deren Material jeder für Elfenbein hält, gibt einen reizen-
den Schmuck für den Nippestisch ab. „Diese Einlegearbeiten," sagt
Herr Geheimerat Reuleaux in dem oben erwähnten Vortrag, „haben
nach meiner Ansicht in kunstgewerblicher Hinsicht eine große Zu-
kunft. Hier geht nicht ein Stück wie das andere aus der Maschine
hervor, die Hand hat vielmehr die Möglichkeit, ja sie kann nicht
umhin, kleine Variationen in der Zusammenlegung der Stückchen
zu machen." Diese Erwartungen haben sich bedauerlicherweise nicht
ganz erfüllt. Es hat an den nötigen Hinweisen für die große
Menge gefehlt.
Die Versuche, Billardkugeln aus Celluloid herzustellen, sind
mißglückt. Auch ist es nicht gelungen, Len Stoff den Zwecken der
Telegraphie dienstbar zu machen; Zellhorn gehört zu Len Isola-
toren. Herr Reuleaux glaubte, es werde in der Telegraphie die
Guttapercha, also auch das durch Jmprügniren von Guttapercha
oder Kautschuk mit Schwefel entstehende horuartige Ebonit ver-
drängen. Der höhere Preis des Zellhorns hat es dahin bis jetzt
nicht kommen lassen.
In Amerika bedienen sich die Schuhmacher des Celluloids für
Einlegesohlen und zum Beschlagen der Schuhspitzen anstatt des
Messings. Sogar zur Anfertigung von Wüschcartikelu (Kragen
und Manschetten) hat man Las Celluloid ausgebeutet. Dieselben
sollen wie gut gestärkte Leinwand aussehen und monatelang getragen
werden können. Die Reinigung geschieht einfach mit Wasser und
Seife.
Das Celluloid hätte sich noch weit mehr Eingang verschafft,
wenn nicht große Bedenken hinsichtlich seiner Feuergefährlichkeit
gehegt würden. Mau hält cs für explodirbar und leicht verbrenn-
lich. Ich mutz diesem Vorurteil entschieden entgegcntreten. Selbst
durch starken Stoß und kräftiges Hämmern kann Zellhorn nicht
zum Explodireu gebracht werden. Wird es direkt in die Flamme
gehalten, jo brennt Zellhorn etwas rascher als Siegellack ohne
Detonation ab und hinterläßt ein wenig Asche, jedenfalls eine Folge
der Färbung durch mineralische Substanzen. Wird die lebhaft
brennende Flamme ausgeblasen, so glüht schließlich die ganze Masse
unter starker Kampserdnmpfentwicklung. Offenbar pflanzt die
Schießbaumwolle die Entzündung allein fort, während dec Kampfer
abocsttllirt. Die glimmende Substanz ist nicht im stände, worauf
bereits im Jahre 1879 die „Badische Gewerbezeitung" aufmerksam
machte, andere brennbare Körper zu entzünden. Direkt in eine
Flamme gehalten brcnncu fast alle unsere Beklcidungsgcgcnstünde.
Durch das Celluloid wird die Sicherheit keineswegs besonders ge-
fährdet. Kommt eine Dame auf dem Ball einer offenen Gas-
flamme zu nahe, so wird der auf ihrem Busen prangende Celluloid-
Ichmuck nur daun in Flammen aufgehen, wenn schon die Kleider
in Brand geraten sind.
Ein, Nkmieim am Rege za ilea Golklnünea
ia 8mlafrilm.
tBild S. W2.)
„Dem gewöhnlichen Wege der Einwanderung der diamauten-
und goldgierigen Europäer folgend, war ich von der Kapstadt in
Kimberley angciommen, fand aber dort meine Erwartungen aufs
gröbste enttäuscht und mutloser, als ehe ich in der Heimat den
Entschluß zur.Asrikafahrt' faßte, blickte ich in die Zukunft." So
erzählte mein Freund Heinrich B., während wir in einem hübsch
eingerichteten Zimmer seines väterlichen Hauses in dem „goldenen"
Mainz an unserem deutschen Rheine nach zehnjähriger Trennung
uns wieder gegenübcrsaßen und im grünen Römer das Nheingold
glänzte. „Ja," fuhr er fort, „ich war nicht immer auf Rosen
gebettet, wenn ich mich auch jetzt manchmal nach den freien Ebenen
des Betschuanenlandes mit förmlichem Heimweh zurückdenke!"
Hier sei mir erlaubt, die Persönlichkeit meines vielgereisten
Freundes etwas näher zu beschreiben. Er war von wahrhaft im-
ponirender, großer Gestalt, dabei aber geschmeidig und ein blond-
gelockter Kops mit einem energischen Gesicht, dessen Charakter
hauptsächlich eine kühn gebogene Adlernase und ein marnalischer
Schnurrbart zeichneten, saß keck znsijchcn den Schultern. Was aber
besonders jedem, der mit B. verkehrte, sofort auffiel, war sein
Auge, das blaugrau, glänzend, mit durchdringender Schärfe blickte
und Las ihm deshalb auch unter seinen Corpsbrüdcrn auf der
kleinen mitteldeutschen Universität, die er als Mediziner besucht
hatte, den Cerevisnamen „L-perber" eingetragen. Nachdem er den
Feldzug im Jahr 1870 als Freiwilliger mitgemacht, hatte der
unruhige Kopf, nach Absolvirung seiner Prüfungen, um unlieben
pekuniären Erörterungen seinem Vater gegenüber aus dem Wege
zu gehen, sein ihm von der verstorbenen Mutter zukommendes
geringes Vermögen flüssig gemacht und dann sein Heil im „schwarzen
Weltteil" gejucht. Nun war er zurück und arbeitete sich in die
väterliche Praxis ein.
Mit wenigen Schillingen noch in der Tasche langte ich in der
Stadt — jo nannte man die Anjroolung in der Nähe der Claims,
aus welchen die Diamanterde gewonnen wird — an," nahm
Heinrich den Faden wieder auf, während ich in seinem Skizzen-
buch blätterte, „und obwohl ich auf Grund einiger Empfehlungs-
briefe, welche ich glücklicherweise in Elizabethport mir hatte geben
lassen, wenigstens Unterkunft sand, so überzeugte ich mich doch bald,
Laß mit der ärztlichen Praxis auf die Dauer nicht viel zu machen
sei und nur Las .Diggen', das heißt Diamautenwaschen, übrig
bleibe. Da schickte mir der glückliche Zufall als wohlhabenden
Kranken einen Diamantenhänüler, und nachdem ich denselben ge-
heilt, was mir eine weit größere Summe, als ich gehofft hatte,
eintrug, beschloß ich, mich nach Norden zu begeben und an den
Goldminen am Tati mich zu versuchen, unterwegs aber der Jagd
und naturwissenschaftlichen Studien mich zu widmen."
Während Lieser Erzählung hatte ich zahlreiche Bilder des Skizzen-
buchs mit hübschen Gegenden, seltenen Tieren und prächtigen Blumen-
bildern betrachtet, als plötzlich die fesselnde Skizze, welche in unserem
Bilde näher ausgejührt ist, mir ins Auge siel. Ich bat meinen Freund
um deren Erklärung, welcher Bitte er auch nach einigen einleiten-
den Worten über das Hochland am Marico- und Tatiflusse, dem
Schauplatze des Abenteuers, bereitwilligst nachkam.
„Es war ein wahrhaft lieblicher, klarer Morgen, dessen goldene
Strahlen das herrliche Grün der weiten Grasebcne, über welche
nur wenige Mimosen hervorragten, mit einem glänzenden Scheine
überzog, als wir das von einigen ziemlich tief eingeschnittenen
Schluchten durchschnittene Hochplateau erreichten. Wir folgten,
nämlich ich und meine zwei Diener, die Zulu-Matabeles Menon
und Leluga, dem Zuge der goldhaltigen Tatihöhc, an deren Fuß
die Minen liegen. Unser von Ochsen gezogener Wagen folgte mit
einem weißen Diener, Pitt, der L-icherheit halber auf eine Viertel-
stunde Entfernung nach und wir bildeten gewissermaßen die Vor-
hut. Wir halten uns alle drei gut bewaffnet, da uns gesagt
worden war, daß am Marico, einem Gebirgsflüßchen, das wir zu
passiven hatten, in letzter Zeit sich häufig Löwen gezeigt hätten,
und so trug jeder der Zulus seinen Assagai, ich führte einen
Spencerkarabiner mit vollständig geladener Patronenkammer, wäh-
rend ein ebensolcher zweiter, Menon anvertraut, als Reserve
galt. Wir hatten gestern den Marico hinter uns gebracht und
keinerlei besorgniserregende Wahrnehmungen gemacht, heute, wo
uns das Hochland mit zahlreichen, friedlich äsenden Herden von
Gnus, Bläßböcken und den sonst so vorsichtigen Hartebeestantilopen
und Zebras entgegenlachte, waren wir vollkommen sorglos. Manch-
mal machten wir Halt, um das schöne Bild mit dem Auge fest-
zuhalteu, als ich plötzlich mitten zwischen den Antilopen einen
Springbock von seltener Größe gewahrte, der meine Jagdlust in
hohem Grade rege machte. Ich teilte meinen Begleitern den Plan
mit, das Tier zu erlegen, und bald war die betreffende Herde ein-
gekreist und einer der Lchluchten zugetrieben, während ich am
andern Ende derselben Posto faßte, um aus der fliehenden Herde
heraus das ersehnte Stück zu schießen. — Alles ging nach Wunsch,
die beiden Zulus trieben das Wild mir zu und, hinter einem
Felsblock stehend, gelang es mir, das ziemlich sorglose Wild durch
einen Schuß zu töten. Voller Freude kamen meine Helfer herbei
und eben schickte sich der gewandte Leluga an, nachdem er die
Waffen abgelegt, mit Hilfe seines Genossen das Tier auszuweiden,
als hinter uns ein furchtbares Gebrüll ertönte, das, aus nächster
Nähe kommend und uns nur zu wohlbekannt, Las Blut in den
Adern gerinnen machte. Und welcher Anblick zeigte sich, als wir
blitzschnell die Köpfe wendeten? Niedergeduckt erblickten wir den
riesigen, schwarzbemähnten Kopf eines zum Sprunge bereiten männ-
lichen Löwen, der aus dem Dunkel einer Felsspalte, von den Kalk-
selsen grell umrahmt, uns zugcwcndet war. Hier galt's Augen-
blicke! Ich riß den Kolben an die Wange, da ich aber den Kopf
gerade vor mir hatte, so war ein Schuß auf Len undurchdring-
lichen Schädel schwer «nzubringen und cs blieb nur der gähnende
Rachen übrig, um durch ihn mit einem tödlichen Schuß das Ge-
hirn der Bestie zu erreichen. Mit Gedankenschnelle hatte ich denn
auch diesen Schuß gewagt, und als ich durch den Dampf des
Schusses blickte, sah ich zwar hoch aufgerichtet den emporschnellen-
den Körper des Tiers, der aber in sich selbst zusammenfiel, denn
meine Kugel hatte den Weg zum kleinen Gehirn gefunden und
dieses zerjchmettert, wie ich bei der späteren Untersuchung des rie-
sigen Tiers, eines vollkommen ausgewachsenen.alten Herrn', fand.
Ein zweiter zur Sicherheit hinter das.Blatt' des Tiers gesandte
Schuß machte den Körper der Katze kaum mehr konvulsivisch zucken.
Mein Diener Menon, der — mit ebenso rascher Handlung wie die
meinige — ausgerissen war, kam nun etwas beherzter zurück, mußte
aber dazu noch Leu Spott Lelugas ertragen, dem ich jedoch kauni mehr
Mut zutraute, obwohl der ganze Vorfall so schnell verlief, daß er gar
keine Zeit zur Flucht fand. Der Anlaß zu dem Abenteuer war
mein erster Schuß, der mit dem lauten Echo den schlafenden Herrn
der Tiere geweckt hatte. Ich selbst bin später noch oft Löwen
gegenübergestanden, nie aber wieder in solch gefährlicher Nähe, und
darum fertigte ich unter genauer Wiedergabe der Oertlichkeit die
Skizze!"
Er schwieg; ich erbat mir das Blatt als Andenken, das nun
der Künstler durch seine gelungene Ausführung zu einem solch leb-
haften Bilde gemacht. C. Fischer.
UnermiiMier AllfeMasi.
(Bild S. 3L3.)
„He, Jakob!" — „Ja?" — „Was ist denn da los?" —
„Ach, gnädiges Fräulein!" — „Ach ja, ich sehe es schon! Ach,
ich armes, unglückseliges, geschlagenes Menschenkind! Habe ich
euch darum heute zu Fastnacht einen vergnügten Tag gegönnt,
damit mir Lies passire? Da liegt er im Schnee, der alte Sauf-
aus. Hätt' ich Loch einen Mann im Haus! Zum Gespött werde
ich für das ganze Land! Meine Mädchen bestehlen und betrügen
mich und ihr — ihr, denen ich eine Freiheit gönne, die unerhört
ist — ihr — nun zum Tank fetzt ihr mich hier ins Wasser.
Wenn ich nur hinaus könnte, aber zu Fuß bei dem Baron an-
kommen — bei ihm — ich schäme mich zu Tode. Franz, wie
könnt' Er sich nur so weit vergessen, Er ist doch sonst ein ver-
nünftiger Mensch und hält auf Reputation; aber böse Beispiele
verderben gute Litten; und der da mit der roten Nase — längst
hätte ich ihm Len Lauspaß geben sollen ..." — „Ja, Euer
Gnaden," begann der Rotnasige, „was ist Leun das auch für 'ne
Wirtschaft — brr — so 'n Werberregiment! Muß ich mich, wenn
ich mich einmal im Kruge sehen lasse, nicht immer hänseln und
narren lassen — nur weil Ihr keinen Mann habt? Soll ich denn
für Euch auf die Freite gehen? Ja, Euer Vater, Gott hab' ihn
selig... Ja wohl." — „Wau, wau!" — „Willst du schweigen,
verdammter Köter, du! Ich habe genug au dem Gekläff! Aus
ist es! Weg will ich! Keine zehn Pferde..." — „Halt 's Mel,
Kamaul! Maul, Kamel, wollt ich sagen," unterbrach ihn der
Franz. „Du bist an allem schuld! Hab' ich nicht immer gesagt,
es sei genug, wir müßten fort? Aber mußtest Lu nicht immer
wieder noch einen hinter die Binde gießen? Und just hier auf
dem Eise konnte es natürlich, nicht fehlen, daß Du einen Purzel-
baum schlügst und mir das Schienbein schindest. Aber warte
nur! Ich werd's ihm eintranken, gnädiges Fräulein! Nicht um-
sonst .. ." — „Nicht umsonst, freilich," fiel das Fräulein, in
Thränen ausbrechend, ein, „habe ich den Männern ins Handwerk
zu pfuschen versucht. Aber, Gott fei Dank! Rettung! Er ist es!
O Rudolf, wie gut, daß Sie kommen! Nie, nie mehr will ich ..."
Ihre Verwirrung und die Glut ihrer Wangen sagten mehr, als
alle Worte.